Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/10057 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig so überwiesen.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der FDP und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/10074
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Themen, da ist der politische Streit in der Sache üblich und belebend, manchmal auch notwendig und unvermeidbar für unsere lebendige Demokratie, und es gibt Themen, da ist große Einigkeit notwendig, ja geboten. Die Alphabetisierung und die Grundbildung der Menschen in unserem Land ist eines dieser Themen.
Wie gut, dass es diesem Parlament immer wieder gelingt, bei solchen Themen im Sinne der betroffenen Menschen zusammenzustehen; im Antrag ist das treffend „Verantwortungsgemeinschaft“ genannt worden. Dafür möchte ich mich bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken.
Warum hat dieses Thema und haben die betroffenen Menschen eine solche Verantwortungsgemeinschaft verdient?
Zum einen ist es die schiere Größenordnung; denn wir sprechen nicht von einem Randgruppenphänomen, sondern von geschätzt 1,5 Millionen Menschen in diesem Land.
Zum anderen sind es die persönlichen Schicksale jedes Einzelnen. Häufig sind es Langzeitarbeitslose oder Menschen in einfachen Tätigkeiten oder ungesicherten Arbeitsverhältnissen, ganz besonders von Arbeitslosigkeit bedroht. Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind sie von Fortbildungen und vom Aufstieg ausgeschlossen. Es sind Eltern, die aus Scham ihre Situation vor ihren Kindern zu verbergen versuchen. Und die, die eine sogenannte bürgerliche Existenz aufbauen konnten, bleiben immer in Sorge vor Entdeckung.
Nun ist dieses Thema nicht neu. Die Überschrift macht es schon deutlich. Es hat dazu im vergangenen Jahr schon einen ersten Antrag gegeben.
In dieser Zeit wurde schon Beachtliches geschafft. Es sind deutlich weniger junge Menschen, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen. Und wir können für die Zukunft Hoffnung schöpfen; denn durch die Erweiterung der Lehrerausbildung in diesem Bereich wird das Thema in der Schule noch eine größere Beachtung finden.
Eine weitere Forderung konnte in der Zwischenzeit umgesetzt werden. Es gibt ein landesweites Netzwerk, das Alphanetz NRW, organisiert über die Volkshochschulen, in dem die unterschiedlichsten Einrichtungen zusammenarbeiten. Die überaus schnelle Entwicklung in die Fläche hat sicherlich mit dem großen persönlichen Einsatz der Ministerin als Schirmherrin dieses Netzwerks zu tun. An dieser Stelle herzlichen Dank dafür, Frau Löhrmann!
Nicht zu gering einzuschätzen ist Folgendes: Es wurde zusätzliches Geld für Alphabetisierung zur Verfügung gestellt – immerhin eine halbe Million Euro.
Wenn doch diese Maßnahmen in Gang gesetzt und zum Teil schon abgearbeitet sind, warum erneut ein solcher Antrag? Warum treibt uns das Thema weiterhin um? Zunächst ganz banal: Weil es sich noch nicht erledigt hat und in dieser Zeit der Zuwanderung immer neue Aufgabenstellungen entstehen. Wenn auch die Zahl der erreichten Teilnehmenden an entsprechenden Kursen erhöht werden konnte, so bleibt es doch bei dem sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein.
gemeinden über Sportvereine bis hin zu Unternehmen. Es müssen alle gesellschaftlich Verantwortlichen in die Pflicht genommen werden, und es muss die Gruppe der Netzwerkpartner aktiv und nachhaltig erweitert werden.
Wir wollen mehr aus dem eingesetzten Geld machen. Dazu dienen die Forderungen nach Einsatz dieser Mittel als Kofinanzierung für weiteres Projektgeld und die Unterstützung bei der Antragstellung, gerade für kleinere Einrichtungen eine notwendige Hilfestellung. Aber wichtig ist auch die thematische Erweiterung deutlich über die Alphabetisierung hinaus auf das gesamte Feld der Grundbildung. Gerade in unserer wissens- und kommunikationsgesteuerten Gesellschaft brauchen Menschen neben der sicheren Beherrschung der Schriftsprache zum Beispiel IT-Kenntnisse. Sie brauchen Sicherheit im Umgang mit Geld, und sie müssen lernen, gut mit ihrer Gesundheit umzugehen.
Aber wir brauchen diese Menschen auch für unsere Demokratie. Wenn wir die Beteiligung an Wahlen analysieren, dann sehen wir, dass sich die Isolation dieser Menschen und der Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben auch auf ihre demokratischen Rechte beziehen. Gesellschaftlicher Spaltung kann nur durch Bildung entgegengewirkt werden. Dieser Antrag versucht, einen Beitrag dazu zu leisten.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen braucht eine Grundbildungsoffensive – mehr denn je. Wir wollen ein breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen schaffen bzw. das Ganze um eine Grundbildung ausbauen – wie man der Überschrift des fraktionsübergreifenden Antrags entnehmen kann, zum wiederholten Male.
Aktivitäten in der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener sind von besonderer bildungspolitischer und sozialpolitischer Bedeutung. Im vorliegenden Antrag gehen wir von schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen aus, die als funktionale Analphabeten gelten. Sie scheitern daran, ganze Sätze zu verstehen und Texte zu verfassen.
Es gibt den aktuellen Erhebungen zufolge eine nicht unerhebliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die die wesentlichen Fähigkeiten an Lebenstüchtigkeit nicht ausreichend beherrschen. Es ist eine Gruppe von Menschen, denen die Gesellschaft grundlegende Kenntnisse und Wertebilder vermitteln muss. In der Schule und in der Familie sind sie
Meine Damen und Herren, ich sehe dieses als unsere Pflicht an. Lesen und schreiben zu können, ist der Schlüssel zur Teilhabe am alltäglichen Leben in unserer Gesellschaft. Wer über eine nicht ausreichende Grundbildung verfügt, ist kaum in der Lage, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Einfache mathematische Kenntnisse erleichtern zum Beispiel den Umgang mit Geld. Fehlen diese, ist ganz oft am Ende des Geldes noch viel Monat übrig.
Häufige Folge ist die Überschuldung. Die kommunalen Schuldnerberatungen können ein Lied davon singen. Im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses und einer lebensweltorientierten Erwachsenenbildung muss sich hier ein Lernfeld eröffnen.
Wer Hilfe sucht, muss möglichst barrierefreie Angebote finden. Löblich ist, dass manche Internetseiten zu unserem heutigen Thema eine Vorlesefunktion anbieten. Überhaupt kann man sich eigentlich freuen, wenn man die Begriffe „Grundbildung“ und „Alphabetisierung“ in die Onlinesuchmaschine eingibt. Angezeigt werden zahlreiche Angebote, beispielsweise von örtlichen Volkshochschulen, die sich unserem Themenbereich mit Kursen und Schulungen zugewandt haben. Offenbar werden auch diese ordentlich angenommen. Somit war unsere Initiative aus dem Januar 2014 erfolgreich.
Heute gehen wir gemeinsam einen Schritt weiter und machen deutlich, dass in der Schule schon darauf hingewirkt werden muss, dass alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger über ein hinreichendes Grundbildungsniveau verfügen müssen. Das ist eigentlich selbstverständlich.
Sinnvollerweise – Frau Hammelrath, Sie haben darauf hingewiesen – sieht das Lehrerausbildungsgesetz nach der Novellierung vor, dass Lehramtsstudierende Grundkompetenzen der Förderung von Alphabetisierung und Grundbildung erwerben.
Weiterhin müssen Initiativen in Weiterbildungseinrichtungen gegründet, gestärkt und vor allem kommuniziert werden. Alle Möglichkeiten der Nachqualifizierung müssen ausgeschöpft werden. Diesen Punkt haben wir als CDU-Landtagsfraktion schon Anfang 2014 in ähnlicher Debatte gefordert, und unsere Forderung hat sich nun auch in diesem Antrag wiedergefunden. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich begrüßen.
Ein weiterer Aspekt, der Anfang 2014 noch nicht in diesem Maße zur Debatte stand, sind die nach Nordrhein-Westfalen kommenden Flüchtlinge. Auch unter ihnen sind vermutlich zahlreiche Menschen, die Alphabetisierung und Grundbildung benötigen. Es tun sich also neue weitere Felder auf.
Nordrhein-Westfalen braucht eine Grundbildungsoffensive und ein breites Bündnis gegen Analphabetismus. In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Packen wir es gemeinsam an! – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorrednerinnen haben schon vieles gesagt. Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen. Das Bild, das wir fraktionsübergreifend in der Weiterbildung haben, zeigt: Wir sind uns grundlegend einig. – Somit richtet sich mein Dank an die Fraktionen, dass wir für Alphabetisierung und eine Verstärkung der Grundbildung einen gemeinsamen Antrag initiieren konnten.
Es ist schon ausgeführt worden: 1,5 Millionen Menschen in NRW können nicht richtig schreiben, lesen oder rechnen. Sie leben unter uns und mit uns, und wir erkennen sie doch nicht. Wir sind mit Sicherheit diesen Menschen schon begegnet.
Es ist schon erwähnt worden: 2014 gab es den großen Antrag „Breites Bündnis gegen Analphabetismus“. Ministerin Löhrmann hat die Schirmherrschaft übernommen, und der Landesverband der Volkshochschulen hat das „Alphanetz“ eingerichtet.
Alphabetisierung und Grundbildung müssen wir zusammen denken und zusammen angehen. Lesen, Schreiben und Rechnen reichen allein nicht mehr, um teilhaben zu können und um ein wirtschaftlich eigenständiges Leben zu führen. Bildung ist der Weg zum Erfolg.
Wie wir während der Ausschussreise in Kanada gehört haben, sagte jeder Verantwortliche und jede Verantwortliche in den Bildungseinrichtungen, die uns vorgestellt wurden: Jedes Kind kann erfolgreich sein. – Beim Kind fängt die Bildung an. Daraus ergibt sich auch unsere Forderung an das Schulsystem, dass Lehrerinnen und Lehrer besser in die Lage versetzt werden müssen, funktionalen Analphabetismus zu erkennen und zu verhindern.
Wir haben auch hervorragende Bedingungen geschaffen, mit den regionalen Netzwerken und mit den kommunalen Integrationszentren die Grundbildung aufzubauen und den Analphabetismus wirksam zu minimieren. Die Weiterbildung ist hier ein gleichrangiger Akteur zwischen allen.
An vielen Orten gelingt das schon – leider nicht an allen. Da müssen wir hinschauen. Wir brauchen die Familien, die Gesellschaft, die Vereine, die Sportvereine, die sozialen Einrichtungen, aber insbesondere auch die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen,
die den unmittelbaren Zugang zu Auszubildenden und Beschäftigten haben. Sie müssen wir aufmerksam machen und sensibilisieren, um Hinweise für die Lösung dieses Problems zu geben.
Wie leistungsfähig und flexibel Weiterbildung ist, hat sie in diesem Jahr bewiesen. Wir haben mit dem Nachtragshaushalt 2015 500.000 € mehr in die Weiterbildung gesteckt. Das war erstmalig eine Erhöhung für die Weiterbildung nach Wegnahme bzw. Streichung der Kürzungen in 2010. Wir machen es dieses Jahr erneut, indem wir wieder 500.000 € zusätzlich für Alphabetisierung und Grundbildung einstellen. 500.000 € stellen wir zusätzlich für Sprachkurse für Flüchtlinge bereit.
Die Weiterbildung hat kurzfristig reagiert und Kurse angeboten. Ich habe mir diese Kurse und die Träger angesehen. Alle waren sehr zufrieden: die Flüchtlinge, weil sie keine hohen Hürden für den Erwerb der deutschen Sprache mehr hatten, denn sie konnten die Kurse nutzen, und die Träger, weil die Beantragung problemlos ging und vor allen Dingen die Abrechnung nicht sehr aufwendig war. Diesem Beispiel sollten wir folgen.