Protocol of the Session on November 5, 2015

Es hätte Ihnen zum Beispiel auffallen müssen, dass die 30-zu-2-Regelung im BLS, also im Basic Life Support, bereits seit 2005 gang und gäbe in der Laienausbildung und auch in der professionellen Ausbildung ist. Das ist also nichts Neues. Auch die lustigen Anekdötchen von „Stayin‘ Alive“, RadetzkyMarsch und „Highway to Hell“ sind nichts Neues, keine eigene kreative Leistung, sondern bereits seit 20 Jahren im Leitfaden für die Erste-Hilfe-Ausbildung.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die letztgenann- ten sind aber älter!)

Die Hauptaussagen der neuen ERC-Guidelines sind es aber wert, betrachtet zu werden; denn sie zielen darauf ab, die Anzahl der Laienersthelfer zu erhöhen. Das ist ein gutes und wichtiges Vorhaben, das wir uns auch hier im Parlament anschauen sollten.

Bevor wir uns aber mit der Quantität beschäftigen, sollten wir uns auch einmal ganz ehrlich über die Qualität der Erste-Hilfe-Ausbildung bei uns in NRW und in Deutschland unterhalten. In Deutschland ist die Breitenausbildung hauptsächlich bei den Hilfsorganisationen angesiedelt und wird dort überwiegend von Ehrenamtlichen durchgeführt.

Hier muss man ganz vorsichtig festhalten, dass die Qualität sehr unterschiedlich sein kann. Das verwundert nicht. Denn es gibt eher wenig Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für die Ersthelferausbilder. Das ist auch kein Wunder, denn es sind alles Ehrenamtliche und wir wissen aus vielen anderen Debatten im Landtag, wie schwierig es ist, Ehrenamtler zu gewinnen, bei Laune zu halten und dazu zu motivieren, das Ehrenamt kontinuierlich fortzuführen. Jeder, der schon einmal samstags morgens aufstehen musste, um Erste Hilfe zu unterrichten vor einem unglaublich „motivierten“ Kurs an Führer

scheinanwärtern, der wird wissen, dass das nicht immer ein Zuckerschlecken ist.

Da müssen wir ganz vorsichtig an die Sache herangehen und schauen, wie wir die Qualität der ErsteHilfe-Ausbildung verbessern können, ohne die Ehrenamtlichen zu verjagen.

Qualitätskontrollen der Erste-Hilfe-Ausbildung gibt es bei den Hilfsorganisationen auch eher selten. Die sind sehr unterschiedlich, nicht standardisiert und auch nicht vorgeschrieben. Manche machen es, und manche machen es nicht.

Beim Thema „Leitstellen“ sind wir in Deutschland und auch in NRW schon relativ weit, also weiter als die ERC-Guidelines das vorgeben. Denn bei uns haben die Leitstellendisponenten häufig eine Berufsfeuerwehr- und eine rettungsdienstliche Ausbildung und sind quasi Fachkräfte in ihrem Bereich. Die können das entsprechend telefonisch weitergeben. Natürlich gibt es noch Konzepte, die das Ganze verfeinern.

Wenn wir das Thema aber schon angehen, dann lassen Sie uns vielleicht auch neue Ideen und Ansätze in die ganze Debatte einführen.

Es gibt zum Beispiel Ideen, den Bereich Hypothermie in die Erste-Hilfe-Ausbildung einfließen zu lassen, also die kontrollierte Herabkühlung des Körpers nach einer Herz-Lungen-Wiederbelebung.

Es gibt die Idee, Erste-Hilfe-Ausbildern regelmäßige Fortbildungen in Form von Praktika im Regelrettungsdienst oder auf Intensivstationen zukommen zu lassen. Das wäre sinnvoll, denn die meisten Erste-Hilfe-Ausbilder, die wir haben, kommen nicht aus der Praxis. Die haben noch nie wirklich eine richtig stark blutende arterielle Verletzung gesehen. Die wissen zwar theoretisch, wie man einen Druckverband anlegt, aber wie das in der Praxis wirklich aussieht, das wissen sie nicht. Das ist sehr schade. Das könnte man auf diese Weise ändern.

Herr Kollege.

Die meisten Erste-HilfeAusbilder haben auch nicht die Möglichkeit gehabt, mal wirklich eine reale Herz-Lungen-Wiederbelebung zu machen.

Herr Kollege, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Ihre Redezeit ist abgelaufen, und Herr Kollege Dr. Adelmann würde Ihnen gerne noch eine Zwischenfrage stellen.

Herr Dr. Adelmann, bitte schön.

Dann bitte schön.

Danke, dass Sie die zulassen, Herr Lamla. – Sehen Sie das auch so, dass die Laienreanimation wesentlich dadurch bestimmt ist, dass man vereinfachte Verfahrensweisen nimmt und das Ganze einschließlich des Unterrichts nicht überfrachtet, und eher durch Redundanzen einen größeren Erfolg erreicht?

(Beifall von der SPD)

Das sehe ich auch so. Das ist auch nicht meine Intention. Es gibt ja zum Beispiel sehr erfolgreiche Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern. Da hat man das damals zum Beispiel mit Videoworkshops gemacht. Man hat einen günstigen Torso zusammen mit einer Videokassette verschickt. Ich glaube sogar, das waren Kinder. Man hat sie dieser Situation ausgesetzt und festgestellt, dass diese sehr viel eher bereit sind, diese Herz-Lungen-Wiederbelebung aufzunehmen. Und das Outcome der Patienten war natürlich auch wesentlich höher.

Das heißt, wir sollten uns offen in alle Richtungen überlegen, wie wir das vorhandene System verbessern und wie wir Erfahrungen aus anderen Ländern nutzen können. Denn am Ende zählt das Überleben der einzelnen Person. Das sollte in unser aller Interesse sein. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Lamla. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist auch in der vorangegangenen Debatte deutlich geworden, dass es in der Einschätzung, dass bei einem Notfall wirklich jede Minute zählt, überwiegend Übereinstimmung gibt, auch darin, dass wir dringend eine Stärkung und eine weitere Motivation brauchen, damit Menschen ihre Hemmungen, etwas falsch zu machen, ablegen und damit auch überall und immer schnelle Hilfe für Menschen möglich ist.

Aber dieser Antrag blendet aus, was alles schon vorhanden ist, wie viel in diesem Land entstanden ist und wie viel von den Hilfsorganisationen kontinuierlich weiterentwickelt und angeboten wird, und zwar von den Hilfsorganisationen und den Rettungsdienstträgern, die eine sehr umfassende Palette von sehr unterschiedlichen Angeboten haben.

Wir werden im Laufe der Debatte im Ausschuss auch genug Zeit haben, um uns das mal anzuse

hen, was es eigentlich alles gibt, um dann am Ende zu sehen, ob es überhaupt diese Notwendigkeiten oder die Bedarfe, die im Antrag stehen, gibt. Bei vielen Punkten kann man schon jetzt sagen: Nein. Dazu gibt es schon sehr viele Angebote. Dazu brauchen wir nicht noch ein weiteres.

Es gibt bereits auf örtlicher Ebene auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmte Angebote von Rettungsdienstträgern in Nordrhein-Westfalen. Das sind überall zwar sehr unterschiedliche Sachen, aber es gibt sie.

Die Voraussetzungen sind immer umfangreich die Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen, auch für das Leitstellenpersonal. Die Arbeitsgemeinschaft zu § 7a – Qualität im Rettungsdienst – befasst sich kontinuierlich mit der Erarbeitung und der Umsetzung von Verbesserungspotenzialen. Dazu gehört auch zum Beispiel die Diskussion über die Einführung einer einheitlichen standardisierten Notrufabfrage und der Telefonreanimation für gesamt Nordrhein-Westfalen. Diese Diskussionen werden also von den Akteuren schon intensiv geführt.

Es werden auch verschiedene sehr innovative Konzepte erprobt, die wir auch in Nordrhein-Westfalen zum Teil sehr intensiv mit Europäischen- Sozialfonds-Mitteln fördern. Das sind innovative Konzepte sowohl im Bereich Telematik im Rettungsdienst als auch in weiteren Bereichen.

Zum Beispiel in Gütersloh gibt es die SmartphoneApp zur Alarmierung von ErsthelferInnen. Das ist also schon vorhanden. Es gibt die Such-App nach Standorten eines AEDs, also eines automatisierten externen Defibrillators. Wir haben in Hamm die Erstellung eines landesweiten Netzes von Defis. Wir haben weitere Projekte und Programme an unterschiedlichen Stellen.

Bewährt hat sich auch der Einsatz ausgebildeter LaienhelferInnen für lebensrettende Sofortmaßnahmen oder Erste Hilfe, zum Beispiel das Projekt „Sanitäter vor Ort“ der Hilfsorganisationen oder „First Responder“ der Feuerwehren.

Wir haben also viele Angebote, die auf kommunaler Ebene wirken und die die therapiefreien Intervalle bis zum Eintreffen eines Rettungsdienstes überbrücken. Wir versuchen gerade, all diese Maßnahmen zusammenzutragen, damit auch wirklich transparent und sichtbar wird, was wir haben.

Das gilt auch für die Schulen. Es ist ja nicht so, dass wir in den Schulen nichts hätten. Auch da gibt es viele Sachen, auch im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften. Sie haben es eben gesagt, Herr Lamla, bei den Schülern und Jugendlichen, die einen Führerschein machen, ist es eine Frage der Motivation. Man kann sie nicht in Erste-Hilfe-Maßnahmen hineinzwingen, sondern am Anfang muss die Motivation stattfinden. Ich hatte Sie ansonsten immer so verstanden, dass Zwang bei Ihnen nicht die oberste Priorität hat.

Erste-Hilfe-Maßnahmen in den Schulen finden auf der Grundlage des Erlasses „Grundausbildung in Erster Hilfe“ statt. Dieser Erlass beschreibt die Rahmenbedingungen dazu. Auch hier gibt es nicht etwas Neues, sondern einen vorhandenen Erlass, der kontinuierlich überarbeitet wird, was auch gerade wieder erfolgt, weil die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Änderungen beschlossen hat. An diese Änderungen muss der Erlass angepasst werden.

Es wird dabei geprüft, ob weitere Empfehlungen der KMK zur Durchführung von Basismaßnahmen zur Wiederbelebung noch integriert werden können. Sie sehen, es ist ein kontinuierlicher Prozess.

Auch in Kindertageseinrichtungen muss eine Ersthelferin pro Gruppe regelmäßig geschult und weitergebildet werden. Die Unfallkassen, die daran ein großes Interesse haben, unterstützen diese Ausbildung der Lehrkräfte, der Kitamitarbeiterinnen kontinuierlich. Von daher haben wir hier ein umfassendes Konzept.

Aus unserer Sicht ist es ein sehr umfassendes Konzept, ein breites Angebot. Das Ziel muss aber weiterhin sein, Hemmungen abzubauen, Bereitschaft zu fördern. Es ist nicht sinnvoll, das mit starren gesetzlichen Vorgaben zu machen. Wir setzen darauf, das Ganze mit den Akteuren zusammen weiterzuentwickeln. Darüber werden wir im Ausschuss gemeinsam diskutieren. Man kann aber stolz darauf sein, was wir in NordrheinWestfalen alles haben, statt zu meinen, wir hätten hier ein großes rettungspolitisches Defizit und wären in der Situation, dass die Menschen nicht helfen wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/10079 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

10 Ehrenamtliche Jugendarbeit stärken – Kom

munen, Träger sowie Sportvereine

und -verbände bei der Praxis der Einholung von Führungszeugnissen nach § 72a SGB VIII unterstützen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7781

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/10136

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend Drucksache 16/10102

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/7781 gemäß § 82 Abs. 2b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage eine Beschlussempfehlung erfolgt.

Nach dieser Vorbemerkung eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPDFraktion Herrn Kollegen Jörg das Wort. Bitte, Herr Jörg.