Als der Kabinettsbeschluss kam, war die gleiche Leier zu hören: Noch einmal Neuverkauf; juchu, vom Bund kommen weitere Millionen; die soll das Land, bitte schön, weitergeben. – Alles Schnee von gestern. Das heißt, Sie haben diese Kampagnen wider besseres Wissen gefahren.
Heute musste ich mir tatsächlich die Augen reiben, als ich die Pressemeldung des Kollegen Hovenjürgen gelesen habe.
Er schreibt doch tatsächlich, er fordere die Umsetzung der Punkte, die am 24. September 2015 auf dem Flüchtlingsgipfel beschlossen worden seien, insbesondere die Weiterleitung der zusätzlichen, vom Bund zugesagten 1 Milliarde € an die Kommunen. Klasse!
Schauen wir doch einmal genauer hin: Am 24. September 2015 abends fand der Gipfel statt, und am 25. September 2015 erklärte der Innenminister von Nordrhein-Westfalen in der Person von Ralf Jäger, dass diese 1 Milliarde € selbstverständlich eins zu eins an die Kommunen weitergeleitet werde.
Die Ministerpräsidentin erklärte am 25. September 2015 – ebenfalls in einem WDR-Interview –, dass dies so erfolgt. Gestern geht der Vorsitzende der SPD-Fraktion – eines nicht gerade kleinen Teil des Haushaltsgesetzgebers dieses Hauses – hin und erklärt: Ja, wir werden den Antrag stellen. – Dann haben Sie die Stirn, zu meinen, Sie müssten uns noch dazu auffordern!
es kommt mir ein bisschen so vor wie bei der Geschichte von Hase und Igel: Sie meinen, schneller laufen zu müssen, aber Sie müssen leider feststellen: Wir sind cleverer, wir sind schon da. Wir haben das schon erledigt.
Sie müssen leider erkennen, dass dieses Räppelchen – „klebrige Finger“ – nicht funktioniert. Ich kann Ihnen nur sagen – aus meiner Erfahrung als Mutter weiß ich das ganz genau –: Kaputtes Spielzeug birgt eine hohe Verletzungsgefahr. Man sollte es ganz schnell entsorgen. Es gehört auf den Müll. – In diesem Sinne ein herzliches Glück auf!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in der Tat, wie die Kollegin Gebhard das hier schon ausgeführt hat, den Dritten Nachtrag zum Landeshaushalt 2015 in einem absoluten Rekordtempo.
Der Landtag macht das aus gutem Grund: Seit dem Sommer haben sich nämlich die Herausforderungen durch die Flüchtlingsströme in ganz Europa in einer Weise entwickelt, dass dadurch auch die Handlungsfähigkeit des Landes und der Kommunen gefährdet ist. Auf einen solchen Zustrom von Flüchtlingen war keiner vorbereitet, und wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, es konnte in der Form wohl auch keiner darauf vorbereitet sein.
Deshalb ist der Landtag als Haushaltsgesetzgeber heute gefordert, die notwendigen Mittel zu bewilligen, um Ministerien und Kommunen schnell über die bis zum Jahresende absehbar notwendigen Mittel verfügen zu lassen. Wir haben als Opposition ausnahmsweise auf alle Fristen und Minderheitenrechte verzichtet, damit schnell geholfen werden kann.
Die Kollegin Gebhard hat es geschildert: Heute Morgen haben wir deshalb in mehreren Ausschüssen gemeinsam über die gestern auch von der Landesregierung eingebrachten Änderungen beraten und eine Beschlussempfehlung formuliert. Wir haben eine Vielzahl von Einzelfragen gestellt und auch die vorgelegten Etatpositionen näher beleuchtet.
Dabei hat sich gezeigt, dass vieles weiterhin im Fluss ist. Das ist angesichts der Dimension, wie wir sie zuletzt vielleicht beim Fall der kommunistischen Regime in Osteuropa vor 25 Jahren hatten – mit der dann damit verbundenen Öffnung der Grenzen –, auch verständlich.
Gestern haben wir im Plenum ausführlich darüber debattiert, nach welchen Grundsätzen wir diese Herausforderungen angehen wollen und müssen. Das ist deshalb heute nicht das Kernthema der Haushaltsberatung.
Es ist aber mit Blick auf den Haushalt festzuhalten: Nur eine weit überdurchschnittlich laufende Konjunktur und die daraus resultierenden Rekordsteuereinnahmen in Größenordnungen von 8 % oder 9 % an Mehreinnahmen im Vergleich zum Vorjahr machen es dem Land möglich, diese Aufgabe in einem Nachtrag ohne eine höhere Neuverschuldung zu finanzieren.
Fünf Jahre lang hat Rot-Grün hier eine Haushaltspolitik ohne Konsolidierungsabsicht betrieben. Es handelte sich um Konsolidierungsrhetorik.
Sie haben in Ihrer Konsolidierungsrhetorik anschließend die überdurchschnittlich stark steigenden Steuereinnahmen, für die weder Sie noch wir etwas können, gern mitgenommen und sie als Konsolidierung verkauft. Kombiniert haben Sie das mit einer Zahlenakrobatik, die teilweise die Seriosität von Hütchenspielern vermuten ließ.
Warum sage ich das heute hier? – Jetzt steht Nordrhein-Westfalen erstmals in diesen fünf Jahren Ihrer Regierung vor echten Herausforderungen, vor Herausforderungen, an denen sich erweisen wird, ob die Regierung in der Lage ist, in Zukunft große von kleinen Kartoffeln zu unterscheiden. Der Kollege Hovenjürgen kann das mit Sicherheit auch noch näher ausführen, wenn Frau Gebhard dazu etwas hören möchte.
Jeder ahnt, dass wir erst am Anfang einer Reihe besonders schwieriger Jahre stehen. Umso mehr hätten wir als CDU erwartet, dass die Regierung Kraft die Zeichen der Zeit auch bei den Haushaltsplanungen erkennt. Das ist – wenn man auf die Beratungen des Haushalts 2016, der hier ja auch schon eingebracht ist, vorgreift – bisher nicht erkennbar.
Es werden auch da in den Ankündigungen der Ministerpräsidentin und des Finanzministers bisher nur Ausgaben für die Bewältigung der Flüchtlingsthematik angehoben werden im Rahmen von Ergänzungsvorlagen. Wenn der Finanzminister das so weiter prognostizieren kann, wird er auch höhere Steuereinnahmen nach der Novembersteuerschätzung veranschlagen.
Aber die Landesregierung hätte eine andere Aufgabe. Sie müsste jetzt umschichten und Prioritäten neu setzen. Aber genau das ist offenbar nicht ihr Ding. Genau das wäre die richtige Antwort einer verantwortlich handelnden Regierung. „Weiter so“ ist die völlig falsche Losung. Deshalb werden wir auch dem heutigen Nachtragshaushalt nicht in Gänze zustimmen können.
Ausdrücklich unterstützen wir aber die zwei Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen – wir haben sie auch als Mitantragsteller unterschrieben –, die darauf setzen, die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels vom 24. September 2015 mit der Soforthilfe für die Kommunen umzusetzen. Dadurch können – das ist sicherlich hier im Parlament eine seltene Einvernehmlichkeit, die aber der Situation geschuldet ist – sehr bald die 216 Millionen €, die anteilig auf die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen entfallen, eins zu eins weitergeleitet werden.
Da die Kollegin Gebhard eben gesagt hat, das sei doch alles selbstverständlich und das habe man schon ganz früh gesagt, will ich mit Blick auf die nächsten Wochen sagen: Offensichtlich ist das
nach dem, was wir gestern gehört haben, für 2016 nicht selbstverständlich. 2016 soll nämlich nach dem, was die Ministerpräsidentin an diesem Pult hier gesagt hat, nur der Großteil der Mittel des Bundes weitergeleitet werden.
Genau an dieser Stelle entzündet sich der politische Streit. Es kann doch nicht wahr sein, wenn wir am Anfang der Probleme stehen und die Kommunen an den Belastungsgrenzen sind, dass jetzt nicht die klare Erklärung aus diesem Landtag hier kommt: Alles das, was in Berlin verabredet worden ist, wird eins zu eins für die Kommunen eingesetzt, wird eins zu eins an die Kommunen weitergegeben. – Diesen Konsens müsste dieses Hohe Haus hier und heute feststellen.
Alles andere wären solche Taschenspielertricks, wie wir sie schon im Zusammenhang mit den BAföGMitteln im letzten Jahr erlebt haben.
Herr Finanzminister, wer eine fallende Linie der Neuverschuldung nur mit solchen Tricksereien in dreistelliger Millionenhöhe erreicht, der ist schlichtweg nicht seriös. Genau das wäre aber die Herausforderung unserer Zeit, nämlich dass wir seriöse Prioritäten setzen. Das heißt allerdings auch, dass wir uns von vielem, was vielleicht wünschenswert ist, aber nicht zwingend, so lange verabschieden, wie wir das Geld für das Zwingende sonst nicht aufbringen können. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Abel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mit einem ausdrücklichen Dank an die Oppositionsfraktionen beginnen, dass sie das beschleunigte Verfahren so mittragen. Sie tragen damit Ihren Teil dazu bei, dass wir fundamentale Maßnahmen treffen können, die sich aus der Bewältigung der Zahlen, die Herr Dr. Optendrenk und auch Frau Gebhard ja schon skizziert haben, und der Bewältigung der Aufgaben, die wir mit der Unterbringung und der Integration von Flüchtlingen haben, ergeben. Dafür auch von unserer Fraktion an dieser Stelle noch einmal ausdrücklichen Dank!
Heute ist ein Artikel von Florian Pfitzner erschienen, der die Debattenkultur hier im Hause zum Gegenstand hat. Jetzt ist leider gar niemand auf der Pressetribüne; dennoch möchte ich noch einmal kurz ausführen, was das überhaupt heißt.
Das heißt zum Beispiel für den Schulbereich, dass am nächsten Montag Ausschreibungen erfolgen, um neue LehrerInnen einzustellen. Das heißt für den Polizeibereich, dass bereits im November neue Anwärter angestellt werden. Das heißt für die Justiz, dass ab sofort neue Richterstellen zu besetzen sind.
Damit das alles funktioniert, mussten entsprechende Vorbereitungen getroffen werden. Dafür haben vor allen Dingen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Häusern und den nachgeordneten Behörden gearbeitet, um alles so in die Wege zu leiten, dass nach unserem Beschluss heute quasi gleich der Startknopf gedrückt werden kann und dass das alles schnellstmöglich seinen Gang nimmt.
Das sollten wir an dieser Stelle – weil es eine immense Dimension hat; auch in der Geschwindigkeit – noch einmal erwähnen. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen, die daran gearbeitet haben, danken.
Ich habe den Artikel erwähnt, weil ich finde, dass das, worüber wir in diesen letzten Wochen hier debattiert haben, ein wenig untergeht; ganz abgesehen davon, dass die Medien dieser Debatte gar nicht folgen. Wir haben jetzt Anfang Oktober. Wir reden über den dritten Nachtrag in diesem Jahr. Wir haben insgesamt – einschließlich der 900 Millionen €, über die wir heute reden –, 1,7 Milliarden € für das drängende Problem der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen aufgewendet.
Wenn ich eben ausgeführt habe, dass wir bereits Vorbereitungen getroffen haben, dann zeigt das für mich, dass wir als Politik, wir als Parlament – aber auch die Regierung – handlungsfähig sind. Wir sind in der Lage, zeitnah auf Notwendigkeiten – auch in dieser Dimension, bei der wir alle im Grunde ja nur den Nachrichten hinterherhecheln können –, die auf uns zukommen, reagieren zu können. Auch unsere Exekutive mit all ihren nachgeordneten Behörden ist in der Lage, das Ganze zeitnah umzusetzen.
Ich bin lange nicht dabei, zu behaupten, so etwas sei noch nie dagewesen. Aber mit Blick auf die Historie dieses Landes gab es, glaube ich, keine Situation mit einer so kurzen Abfolge von Nachtragshaushalten mit diesen Volumina – wenn ich jetzt einmal die WestLB/Portigon ausklammere. Man braucht keine prophetischen Gaben zu besitzen, um zu erahnen, dass das nicht letzte Mal sein wird, dass wir bei einem Haushalt, den wir Ende eines Jahres für das nächste Haushaltsjahr verabschiedet haben, noch einmal nachsteuern müssen.