Protocol of the Session on September 2, 2015

Doch wie kann man Inkompetenz der Politik ganz wunderbar vor der Haustür der Menschen darstellen? – Man installiert eine Baustelle und macht die Straße neu. Lärm, Dreck, Ärger, blanke Nerven. – Aber okay, das muss sein. Der Trick ist, nach wenigen Monaten erneut die Straße aufzureißen und Kabel für ein Telefonunternehmen zu verlegen. Dann zuschütten und warten. Dann reißt man die Straße noch einmal auf und verlegt Kabel für einen Kabelnetzbetreiber.

Meine These: Dreimal aufgerissene Straßen sind der Inbegriff schlechter Politik für die Menschen.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber genau das machen Minister Groschek und die Landesregierung, wenn sie nicht beim ersten Aufreißen der Straße Leerrohre auf Vorrat legen. Sie müssen künftig grundsätzlich Leerrohre mitverlegen, um Zukunft eine Chance zu geben. Das muss auch erfolgen, ohne dass ein konkreter Telekommunikationsanbieter parat steht. Warum? Weil wir Wettbewerb brauchen, weil günstig verlegte Leerrohre die Kosten und Hürden für Anbieter drastisch senken und weil wir somit wirklich alle Gegenden Nordrhein-Westfalens erreichen.

Leerrohre sind eine öffentliche Infrastruktur. Die generelle Berücksichtigung beim Bau von Straßen, aber auch Schienen und Radschnellwegen ist eine obligatorische öffentliche Aufgabe.

Doch Minister Duin und Minister Groschek, der scheinbar lange Zeit gar nicht wusste, dass es auch in seinen Bereich fällt, wollen technikneutral fördern. Technikneutral klingt toll, ist aber Mist. Statt Leerrohre und Glasfaser für alle zu wählen, wird die für den größeren Anbieter billigste Lösung gewählt. Große Anbieter verwenden ihre abbezahlten Kup

ferleitungen für ein paar Megabit mehr und setzen auf sogenanntes Vectoring.

Technikneutral bekommen diese Anbieter also dann eine Lizenz zum Geldverdienen für eine veraltete Technologie. In zehn Jahren braucht man dann erneut Subventionen für Glasfaser.

Damit erweisen sich Minister Duin und Minister Groschek nicht als Technikfreunde, sondern als technikneutral.

(Zuruf von den PIRATEN: Leerrohrkrepierer!)

Verstehen Sie das also nicht falsch: Breitbandausbau heißt nicht, der Telekom Geld zu geben, damit sie ihre Kupferkabel ausreizt. Der finanzielle Ausgleich von Wirtschaftlichkeitslücken, wie man so schön sagt, ist kein besonders effizienter Weg. So erzeugt man Monopole und generiert Mitnahmeeffekte.

Nur konsequent verlegte Leerrohre in Städten und auf dem Land über 2018 hinaus langfristig gedacht erreichen alle Gebiete, fördern den Wettbewerb und können auch Innovationen hervorbringen. Zum Beispiel können auch Freifunkinitiativen Leerrohre für die Überbrückung kurzer Strecken nutzen.

Die Berichte der letzten Zeit zeigen, dass das Bau- und Verkehrsministerium augenscheinlich völlig blank auf dem Gebiet ist. Dabei ist Groscheks Ministerium entscheidend. Es ist auch nicht tröstend, dass Ihre Partei noch weniger durchblickt. Richten Sie doch Herrn Ott mit Blick auf seine Pressemitteilung aus, WLAN in Neubauten ist keine Alternative zum Glasfaserkabel auf der letzten Meile in die Wohnung der Menschen. Das gilt in Köln wie überall. Er kann hier noch etwas lernen.

Die Leerrohrpflicht gehört sowohl in die Breitbandausbauinitiative als auch in die neue Landesbauordnung, auf den Tisch von Straßen.NRW und in den Verkehrshaushalt. In den Topf gehören übrigens Landesmittel.

Mit dem ständigen Verweis auf den Bund bei wirklich allen Finanzierungsfragen in Ihrem Ressort, Herr Groschek, haben Sie vor allem eines erreicht: Im Bund nimmt man Sie gar nicht mehr ernst. Wer selbst keine Verantwortung mehr übernimmt, braucht das Geld ja nicht so dringend.

Sorgen Sie also dafür, dass das Geld nicht im Kupferkabelgrab einzelner Anbieter landet! Es muss effizient verwendet werden. Begreifen Sie endlich Leerrohre als einen wichtigen Teil der Breitbandausbaustrategie! Und das Bau- und Verkehrsministerium muss seine Verantwortung wahrnehmen.

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, freuen Sie sich über solche Nachrichten aus Ihrem Wahlkreis: Plötzlich haben sogar wir schnelles Internet. Zwei Anbieter und die Freifunkinitiative vom Nachbarort! Ich habe gar nicht gemerkt, wie die das Glasfaserkabel verlegt haben. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Löcker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Leerrohre statt leerer Versprechungen“, so ist der Antrag der Piraten überschrieben, der vorgibt zu wissen, wie der Ausbau des Breitbandnetzes in NRW schnell gelingen kann. Bei genauer Durchsicht des Antrages stellt man allerdings fest, dass hier tatsächlich Leerrohre verlegt worden sind nach dem Prinzip: ohne finanzielle Ressourcen und ohne Konzept. Man könnte sie auch als „politische Leerrohre“ bezeichnen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, Ihre Aufforderung an das Land, nun endlich per Verordnung mit Landesknete die schnelle Verlegung von Leerrohren auf etwa 13.000 km Landesstraßen zu bringen und damit eine schnelle Verbesserung bei der Breitbandversorgung einzuleiten, ist die falsche Vorgehensweise. Ihr Vorschlag wirkt planlos. Er gibt nämlich vor, dass durch eine bevorratende Leerrohrverlegung bereits eine Innovation eingeleitet würde, die dann schon ihre positive Wirkung auf die Breitbandversorgung im ganzen Land erzielen wird.

Ich sage Ihnen: Davon gehen nur Sie aus, meine Damen und Herren. – Wir wissen, dass es vor allen Dingen darauf ankommen wird – in enger Abstimmung mit den Wirtschaftsakteuren –, die zur Verfügung stehenden Mittel aus der Digitalen Dividende zielgerichtet einzusetzen und die Bedarfe beim Breitbandausbau, insbesondere der Breitbandanbieter, dabei zu berücksichtigen.

Das Land Nordrhein-Westfalen ist deshalb gut beraten, die eigenen Landesaktivitäten so zu organisieren, dass im Rahmen der Sanierungs- und Neubauaktivitäten von Landesstraßen, die natürlich kommen werden, zu verlegende Leerrohre auch einen Anschluss in Stadt und Land finden können. Was denn sonst? Darüber müsste man dann diskutieren, wenn es planlos wäre. Das Land darf kein alleiniger Taktgeber für den Breitbandausbau sein. Ihr Plan springt deshalb viel zu kurz, wie wir meinen.

Wir brauchen eine differenzierte Betrachtung der tatsächlichen Bedarfe vor Ort. Das wird auch diskutiert. Was in verdichteten Räumen einfach und schnell umsetzbar erscheint – wegen uns mit Leerrohren, das ist auch in Ordnung –, kann im ländlichen Raum zu einer echten Herausforderung werden. Das wissen natürlich auch Sie, meine Damen und Herren.

Deshalb brauchen wir innovative Ideen für das ganze Land. Da, wo Sie planlos Leerrohre verlegen wollen, wollen wir zunächst mit den Akteuren der Wirtschaft sowie mit den Städten und Gemeinden reden. Das tun wir zurzeit, um auch auszuloten, welche unterschiedlichen Techniken genutzt und zum Zuge kommen können, und das möglichst kostengünstig, wie sich von selber versteht.

Wir wissen, das Netz – Ihr Leib- und Magenthema – schläft nicht. Das ist völlig klar. Aber neue Technologien in diesem Zusammenhang schlafen eben auch nicht. Sie werden erforscht, und es gibt bereits Hinweise darauf, dass über die Breitbandtechnik Kupferkabel, WLAN, Freifunk hinaus auch die Kleinsatellitentechnik zukünftig eine echte Chance insbesondere im ländlichen Raum erfahren kann, wenn es eben nicht machbar ist, mit großräumiger Leerraumverlegung entsprechende Erschließung zu ermöglichen.

Eine weitere Technik ist der Richtfunk. Er ist hier und da nicht nur in der Erprobung, sondern auch schon in der Nutzung. Es gibt da wirklich gute Erfahrungen mit flexiblen und erprobten Techniken.

(Zuruf von den PIRATEN: Internet auf Sicht- kontakt!)

Diese Techniken können überall dort, wo die Verlegung von Glasfasernetzen in Leerrohren aus wirtschaftlichen Gründen ausscheidet – das ist auch möglich –, schnell und kostengünstig zur Überbrückung großer Distanzen bis 30 km genutzt werden. Da helfen Leerrohre an Straßenrändern wenig weiter.

Welche Systeme in Zukunft zum Einsatz kommen, müssen auch die Akteure vor Ort entscheiden. Dabei muss es auch bleiben. Beim runden Tisch gibt es Gespräche über eine perspektivisch vernünftige Vorgehensweise. Mit staatlichem Dirigismus per Verordnung – so viel steht fest – ist hier wenig zu bewirken. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Schick.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Löcker, Sie sagten gerade: nicht planlos Leerrohre verlegen. – Ich finde, wer keine Leerrohre verlegt, der hat keinen Plan.

(Beifall von den PIRATEN)

Um erst gar keine Spannung aufkommen zu lassen: Wir werden dem Antrag der Piraten zustimmen. Alles andere wäre auch eine Überraschung. Schließlich haben wir wie keine andere Fraktion hier im

Landtag Anträge gestellt, um beim Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen Tempo zu machen.

(Beifall von der CDU)

Bei unserer Forderung nach zügiger Umsetzung der europäischen Kostensenkungsrichtlinie haben wir das Thema „Leerrohre“ zumindest schon einmal gestreift.

Die Fakten, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind bekannt.

Im ländlichen Bereich, wo vielfach die kleinen Weltmarktführer zu Hause sind, haben erst 40 % der Anschlüsse schnelles Internet. Bei den Gewerbegebieten dort sieht es noch düsterer aus: Nur 10 % sind an Datenautobahnen angeschlossen. Die Liste ließe sich noch länger fortsetzen, aber ich will Ihnen das ersparen.

Laut der MICUS-Studie wären 3,2 Milliarden € notwendig, um ein flächendeckendes Breitbandnetz in Nordrhein-Westfalen aufzubauen. Der Beitrag reicht aber nur, wenn alle Kostensenkungspotenziale ausgenutzt werden, und da spielen Leerrohre eine wichtige Rolle.

Aus diesem Grund, Herr Minister Groschek, kann ich auch nur den Kopf darüber schütteln, wie sich Ihr Ministerium eingelassen hat. Herr Minister Groschek, in der Onlineausgabe der „Rheinischen Post“ vom 7. August 2015 wird ein Sprecher Ihres Ministeriums mit den Worten wiedergegeben, dass Leerrohre deshalb nicht pauschal bei Straßenbauarbeiten verlegt würden, weil die Investitionen des Ministeriums alleine zu Zwecken des Straßenbaus gerechtfertigt und finanziell abgesichert sind.

Wie kommt Ihr Ministerium auf diese Aussage? Ist man für digitale Tempolimits? Hat man nicht schon genug Staus in Nordrhein-Westfalen verursacht?

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Aber immerhin: Diese Position „bröselte“ genauso schnell wie die vielen Autobahnbrücken hier in Nordrhein-Westfalen. Einen Tag später, also am 8. August 2015, hörte sich das in der Onlineausgabe der gleichen Zeitung nämlich schon etwas anders an. Immerhin sollen bei Reparaturen an Landesstraßen jetzt Leerrohre verlegt werden. So werden Sie zumindest wiedergegeben, Herr Minister.

Selbst wenn das eine positive Wendung ist, dauert es aber, wie so häufig, viel zu lange. In Hessen wird schon seit fünf Jahren immer wieder geprüft, ob es nicht möglich ist, unterhalb der Straße Leerrohre zu verlegen. Vielleicht machen Sie eines der nächsten Praktika, die in der Landesregierung ja üblich sind, einfach einmal in Hessen und schauen sich an, wie erfolgreich regiert wird.

Ich möchte den Blick ein bisschen von den Leerrohren lösen und diese Detailfrage hinter mir lassen, um das Thema „Netzpolitik im Kabinett“ selbst zu

beleuchten. Netzpolitik kommt von „Vernetzen“ und hat wenig mit „Vor-sich-hin-Wurschteln“ zu tun.

Herr Minister Groschek, Herr Minister Duin, ich verstehe ja, dass Sie rot sehen, wenn es um den Kabinettskollegen Remmel geht, aber darunter, dass Sie sich nicht grün sind, darf Nordrhein-Westfalen nicht leiden. Wichtig ist, dass Sie sich entsprechend absprechen und durch abgestimmte Verhaltensweisen eine vernünftige Breitbandversorgung in NordrheinWestfalen hinbekommen. Ansonsten verspielen wir die Zukunft.

Einen Vorteil haben Sie ja: Sie haben einen besonders guten Draht nach Berlin, Herr Minister Groschek. Wenn alle Stricke reißen, wird Ihnen Herr Dobrindt auch in dieser Frage sicherlich hilfreich zur Seite stehen.