Wir alle stimmen aber überein, dass der Bund zu seiner Verantwortung stehen muss und Länder und Kommunen stärker finanziell unterstützen muss. Der Bund hat das zugesagt. „Am Geld wird es nicht
Ich bezweifle nicht die Zusage, aber wir brauchen endlich eine verbindliche Festlegung des Bundes. Wir brauchen diese Unterstützung. Denn auch die finanziellen Mittel der Kommunen sind begrenzt. Wir müssen darauf achten, dass beispielsweise nicht die Renovierung von Schwimmbädern zu kurz kommt, weil die Kommunen die notwendigen Investitionen nicht tätigen können, da sich die Unterstützung der Gesamtgesellschaft für diese schwierige Aufgabe zu lange verzögert. Das ist meine Bitte an den Bund, hier voranzukommen.
Aber auch bei anderen wichtigen Fragen müssen wir jetzt schnell mit dem Bund vorankommen. Ich denke vor allem an die verbesserten Möglichkeiten zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums, eine Öffnung der Integrationskurse und die Betreuung und Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.
Sobald wir in all diesen Punkten mehr Klarheit haben, macht es aus meiner Sicht Sinn, dass wir in Nordrhein-Westfalen dann zu einem dritten Flüchtlingsgipfel einladen.
Für mich steht außer Frage, dass wir Flüchtlinge mit offenem Herzen aufnehmen müssen. Das ist für uns wesentlich und klar. Integration kann nur dann gelingen, wenn jeder bereit ist mitzuwirken. Und umgekehrt ist es für manche vielleicht auch nicht mehr ganz so interessant, sich auf den Weg zu machen, wenn sie wissen, dass beschleunigte Verfahren dazu führen, dass man schnell eine Entscheidung bekommt. Wenn die Ablehnung gültig ist, dann muss klar sein, dass dann eine schnelle Rückführung in die Herkunftsländer erfolgen muss. Das tun wir. Was die Zahlen angeht, liegt Nordrhein-Westfalen übrigens an der Spitze.
Wichtig ist aber – ich sage das noch einmal –, dass wir, bevor wir nachher über sichere Herkunftsländer diskutieren und Sie das zum Kern dieser Herausforderung machen, doch erst einmal die Evaluierung abwarten sollten, was denn die Benennung von sicheren Herkunftsländern in der Vergangenheit gebracht hat. Wir verschließen uns nicht dieser Debatte, aber ich finde, wir sollten die Evaluierung, die ja bald vorliegen wird, in diesem Punkt abwarten. Das wäre meine herzliche Bitte.
Übrigens, nur durch beschleunigte Verfahren graben wir auch den Schleusern das Wasser ab. Ob im Mittelmeer, an den Grenzen zu Griechenland, in den Balkanstaaten – Schleuser nutzen in menschenverachtender Weise das Elend und die Not von Flüchtlingen aus. Das ist entsetzlich, und das ist
abstoßend. Schleuser haben nur eins im Sinn: ihren Profit. Gesundheit und Leben sind ihnen völlig egal. Deshalb bin ich froh, dass die Polizei in NordrheinWestfalen entschlossen gegen skrupellose Schleuser vorgeht. Dort, wo verdächtige Fahrzeuge angetroffen werden, werden sie von der Polizei konsequent kontrolliert und gegebenenfalls aus dem Verkehr gezogen. Das geschieht natürlicherweise insbesondere in der Nähe von Erstaufnahmeeinrichtungen.
Wir müssen aber auch endlich erkennen, dass wir Zuwanderung auf eine andere rechtliche Grundlage stellen sollten. Das Asylrecht taugt nicht als Einwanderungsrecht. Wir brauchen ein eigenständiges Zuwanderungsgesetz.
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank – Minister Guntram Schnei- der: Sehr richtig!)
Und noch eins: Wir brauchen dringend eine europäische Verständigung. Es kann nicht sein, dass Nordrhein-Westfalen mehr Flüchtlinge aufnimmt als ganz Frankreich. Die Flüchtlingskrise in Europa kann nur gelöst werden, wenn alle EU-Staaten viel enger als bisher zusammenarbeiten. Wir haben in diesen Tagen gesehen, wie absolut unzureichend die Zusammenarbeit ist. Nach meinem Eindruck ist das Dublin-Verfahren, nach dem ein Antrag auf Asyl im EU-Ankunftsland zu stellen ist, de facto zusammengebrochen.
Es lässt sich überdies auch nicht anwenden, wenn die Flüchtlinge in den Ankunftsländern der EU gar nicht registriert werden. Der Bund muss auf europäischer Ebene viel stärker als bisher für eine gerechte Verteilung der Asylsuchenden eintreten – eine Verteilung, die fair und praktikabel ist.
Sosehr uns alle das Flüchtlingsthema beschäftigt, sowenig dürfen wir andere Aufgaben aus dem Blick verlieren. So bleibt die Bekämpfung der Einbruchskriminalität eine genauso wichtige Aufgabe wie die stärkere Polizeipräsenz bei Flüchtlingsunterkünften. Die vorhandene Personalstärke reicht dafür und für die vielen weiteren Aufgaben der Polizei allerdings nicht aus. Deshalb werden wir 250 zusätzliche Polizeianwärterinnen und -anwärter einstellen. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung, liebe Opposition, damit wir diese Waage nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, dass trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung auch bei uns immer noch viel zu viele zu lange arbeitslos sind. Etwas leuchtet mir nach wie vor nicht ein: Sie kennen unser Werben um einen sozialen Arbeitsmarkt,
um öffentlich geförderte Beschäftigung. Wir haben viel zu wenig Plätze. Wir haben doch genug zu tun, gerade in dieser Situation. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass im Bund diese Zahl der Plätze ausgeweitet wird, damit darüber auch Menschen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen neue Möglichkeiten gegeben werden, jetzt wieder in Arbeit zu kommen und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beweisen!
Meine Damen und Herren, ja, Zuwanderung wird unser Land verändern, wenn wir es richtig anpacken, dann zum Besseren, wenn auch im Bund und auf EU-Ebene die Weichen richtig gestellt werden. Wenn wir es richtig anpacken, dann werden aus Zuwanderern von heute die Facharbeiter, Fachärzte von morgen. Dann werden die Kinder die Firmengründer von morgen. Und dann werden sich die Kosten, die wir derzeit tragen, als langfristig gute Investitionen erweisen.
Gerade wir in Nordrhein-Westfalen wissen, dass Zuwanderung nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance ist. Denn NordrheinWestfalen hat als Zuwanderungsland eine große Tradition. Darum haben die Menschen in NordrheinWestfalen auch ein großes Vertrauen darin, dass Zuwanderung ein Land stärken kann. Diesen Vertrauensvorschuss müssen wir erhalten.
Ich bin sicher, wenn wir alle Menschen, die zu uns kommen und bei uns bleiben, in unsere Mitte nehmen, ihnen eine neue Lebensperspektive geben, dann wird uns das gelingen.
Ich habe Anfang des Jahres bei der Neujahrsansprache gesagt – ich sage es noch einmal –: Bei uns haben alle Platz – und das ist wichtig –, die unsere Gesetze und Werte achten, gleich welcher Herkunft, gleich welchen Glaubens. In einem solchen Nordrhein-Westfalen kann jeder und jede eine gute Heimat finden. Stark, tolerant, offen, solidarisch und vielseitig – so sind wir hier. Wir können das, und wir schaffen das – wir in NordrheinWestfalen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele haben zwischenzeitlich auf die Uhr geschaut, insbesondere habe ich das gesehen, wenn ich nach rechts geschaut habe. Ja, ich habe die Redezeit überzogen. Aber ich finde, nach einer so langen Sommerpause, wo so viel passiert ist, ist es wichtig, dass wir uns für diese Debatte hier die Zeit nehmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin, für die Regierungserklärung. In der Tat haben Sie die Redezeit mit 22 Minuten deutlich überzogen. Das ist aber kein Problem, weil die Opposition dann entsprechend längere Redezeiten beanspruchen kann.
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Armin Laschet das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, wir haben jedes Verständnis dafür, dass Sie Redezeiten überziehen. Sie hätten auch noch 20 Minuten sprechen können, wenn Sie dann mehr Konkreteres gesagt hätten über das, was die Landesregierung tut.
Sie haben die vielen Menschen im Lande zu Recht erwähnt, die sich engagieren, die Ehrenamtler, die Kommunen. Sie haben die Kirchen erwähnt. Sie haben die, die Wohnraum bereitstellen lassen, erwähnt. Aber was glauben Sie, wenn Sie die Kommunen hören, wenn die Bürgermeister und Landräte zu Ihnen kommen, wie enttäuscht die sind, dass sie nicht mehr Unterstützung bei dieser schwierigen Aufgabe bekommen? Das ist doch nicht damit getan.
Wir sind an Ihrer Seite, wenn es um das Würdigen dieses Engagements geht. Es wäre in diesem Land nicht ein solches Klima der Willkommenskultur, wie wir es haben, gäbe es nicht die Kirchen, gäbe es nicht die Mitarbeiter in den Verwaltungen der Städte und Gemeinden, die Überstunde an Überstunde reihen, gäbe es nicht die Hilfsorganisationen und die Ehrenamtler, die Beruf und Familie hinten anstellen und sich in diesen Dienst stellen.
Wir können stolz sein, dass es bei uns nicht diese Deichgrafenrhetorik gibt von Flut, Flüchtlingsschwemmen, von Dämmen, die brechen, und Booten, die voll sind. Nein, in Nordrhein-Westfalen herrscht ein anderes Klima. Hier gibt es auch Übergriffe von Rechtsradikalen – auch das ist wahr –, aber es gibt keine Demonstrationen von Menschen, die die beschimpfen, die sich engagieren. Es gibt keinen Ort wie Heidenau in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen, dass das auch in Zukunft in unserem Land so bleibt.
In dieser Zeit ist es wichtig, dass Politik aus einem Konzept heraus gestaltet wird, dass man eine Idee hat, die man dann in Regierungshandeln umsetzt. Sie haben andeutungsweise einmal gesagt, dass auch Sie die Idee haben, dass Asyl und Einwanderung zweierlei sind, dass man das trennen muss. Aber im Nachsatz haben Sie dann wieder gesagt, wir dürfen nicht trennen in gute und schlechte Flüchtlinge.
Frau Ministerpräsidentin, das ist doch der Kern der Frage: Wer bekommt Asyl? Sie werden da die Entscheidung fällen müssen, wer schutzbedürftig ist und wer nicht schutzbedürftig ist.
Es ist nicht in Ordnung, die Entscheidung, die die Entscheider – von denen Sie ja mehr fordern – zu fällen haben, ob jemand Asyl bekommt oder nicht, zu diffamieren als Unterscheidung von guten und schlechten Flüchtlingen.
Jetzt sage ich Ihnen, wo das nicht funktioniert. Wir haben sichere Herkunftsländer. Dank Ministerpräsident Kretschmann von Baden-Württemberg ist das so entschieden. Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien sind beim letzten Mal anerkannt worden. Nicht die Landesregierung von NordrheinWestfalen – nicht Sie, auch nicht mit den vielen Worten, die wir hier gehört haben –, sondern Baden-Württemberg hat es ermöglicht, dass wir mehr sichere Herkunftsländer haben.
Sicheres Herkunftsland – das ist ein sehr technischer Begriff – heißt doch, dass das die Demokratien des Balkans sind, das sind Beitrittsländer zur Europäischen Union. Rezzo Schlauch, früherer grüner Gründungsaktiver, ist jetzt Honorarkonsul von Albanien.