Die konkreten Investitionen von heute sind im Ergebnis der gesellschaftliche Reichtum von morgen. Hier sprechen wir von notwendigen Ausgaben für die Zukunftsvorsorge, die sich mittelfristig selbst finanzieren. Hier wird es sicherlich auch Gemeinsamkeiten zwischen uns Piraten und der Landesregierung geben.
Wir als Piratenfraktion sind der Auffassung: Die Pflicht zum Abbau von Schulden darf eine Entlastung der Bürger und neue politische Schwerpunktsetzungen zugunsten einer Gemeinwohlorientierung für alle nicht verhindern.
allgemeine Wohlstandsentwicklung. Die Entstehung von Staatsschulden ist immer auch eine Folge wirtschaftlicher Entwicklungen oder politischer Entscheidungen. Starke konjunkturelle Krisen führen in Deutschland immer zu deutlichen Defiziten der öffentlichen Gesamthaushalte. Ebenso kann analog zu einer verfehlen Ausgabenpolitik auch eine verfehlte Einnahmepolitik ein strukturelles Defizit erzeugen.
Wie man es auch dreht und wendet: Die Summe der Schulden ist insgesamt zu hoch und muss reduziert werden. Die volkswirtschaftliche Kehrseite der Medaille aber lautet: Die Summe der Guthaben ist insgesamt zu hoch und muss reduziert werden. Bedauerlicherweise wird aber in den üblichen Debatten nur der erste Satz wiederholt und ständig reklamiert – eindimensionales Denken.
Der vielversprechendste und noch am ehesten mit Maß und Ziel beschreitbare Weg zu einer Verbesserung der Einnahmenseite liegt nach unserer Auffassung in einer kräftigen Vermögensbesteuerung. Das ist zumindest in der Geschichte schon einmal mit großem Erfolg praktiziert worden: Als die USA in einer ausgesprochen schwierigen ökonomischen Situation waren, proklamierte Franklin Delano Roosevelt seinen „New Deal“. Im Zuge dessen setzte die Roosevelt-Administration eine drastische Anhebung der Vermögensteuern durch. Das führte zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Erholung und zu einer wesentlich egalitäreren US-Gesellschaft bis weit in die 70er-Jahre. Dann kam Reagan.
Die Länder müssen zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit ausreichender Finanzkraft ausgestattet werden. Für durchgreifende Verbesserungen auf der Einnahmeseite liegen die Entscheidungskompetenzen ausschließlich in den Händen der CDU/FDPgeführten Bundesregierung. Wenn dort ein Steuersenkungskonzert nach dem anderen veranstaltet wird, dann muss man sich über die Finanzierungskrise der öffentlichen Haushalte nicht mehr wundern. Es liegen Berechnungen vor, die schon in den Ausschussanhörungen dieses Hauses genannt worden sind. Danach kommen in der Dekade von 2000 bis 2010 jährlich ca. 50 Milliarden € allein durch Steuerrechtsänderungen an staatlichen Steuerausfällen zusammen. Soviel zur Relevanz und Dimension der Entscheidung auf Bundesebene.
Es muss endlich die Vermögensteuer angepackt werden. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer müssen novelliert werden. Bei der Einkommensteuer muss man einmal über den Spitzensteuersatz nachdenken. Die Körperschaftsteuer muss in den Blick gerückt werden und so weiter.
Eine höhere Besteuerung derjenigen, die sich finanziell keine großen Sorgen machen müssen, ist nicht nur vertretbar, sondern aus Gerechtigkeitsgründen geradezu geboten. Insgesamt ließen sich damit auf einfache Weise und ohne ökonomische Verwerfungen jährlich ca. 75 Milliarden € an Mehreinnahmen
Auf Nordrhein-Westfalen entfiele davon ein so wesentlicher Teil, dass endlich die erforderlichen Zukunftsinvestitionen für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation unserer Bürgerinnen und Bürger finanziert werden könnten. Da hätten wir Piraten eine ganze Menge Konstruktives anzubieten.
Die Finanzmarktkrise ist allgegenwärtig. Warum werden Milliarden an verlorenen Finanzhilfen für die Banken bereitgestellt, die von allen Bürgern zu zahlen sind, aber keine Finanztransaktionssteuer eingeführt? Warum sollen Umsätze an den Finanzmärkten nicht besteuert werden, wo doch auf alles Steuern erhoben wird, sogar auf Milch 7 %? Man begibt sich freiwillig und fahrlässig dieser Einnahmequelle Finanztransaktionssteuer. Das ist nicht weiter zu verantworten. Private Schulden werden auf diese Weise vollständig sozialisiert. Wo bleibt der Grundsatz: „Wer bestellt hat, soll auch bezahlen!“?
Wer der Allgemeinheit finanzielle Lasten in dieser Dimension aufzwingt, ist ihr auch eine Erklärung schuldig. Wieder einmal sollen ehrliche Steuerzahler für die Verluste der Banken und deren unverantwortliche Zockerei mit Risikopapieren geradestehen. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, machen Sie sich keine Illusionen. Auch hier in Nordrhein-Westfalen kann man der Öffentlichkeit mit rationalen Maßstäben nicht erklären, dass für die immensen Verluste der ehemaligen WestLB und deren Bad Bank Milliarden an Finanzierungsmitteln aus dem Haushalt mobilisiert werden müssen. Allein im aktuellen Haushalt 2012 werden die Bürgerinnen und Bürger mit 1 Milliarde € in Haftung genommen.
Uns Piraten drängt sich der Eindruck auf, dass für die Banken immer reichlich Geld da ist. Angesichts der engen finanziellen Handlungsspielräume wird dann erst in zweiter Linie geschaut, was für soziale Projekte und Zukunftsinvestitionen übrig bleibt.
Wir erwarten von der Landesregierung in diesem Zusammenhang eine ernsthafte und seriöse Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Piraten. Wir werden unser Verhalten zum Haushalt 2012 schlussendlich von deren Berücksichtigung abhängig machen. Wir werden Sie, Frau Ministerpräsidentin Kraft, und Ihre Landesregierung beim Wort nehmen und prüfen, ob Ihren Worten auch Taten folgen. Entscheidend ist für uns, ob der von Ihnen verkündete Anspruch dann auch der Wirklichkeit entspricht. Dabei kommt es sicher nicht immer auf den letzten Euro an. – Vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Witzel, es gibt nicht nur Schuldnerberatungen im Land, sondern auch gute Therapeuten für notorische Wirklichkeitsverweigerer.
Ihre Art zu zitieren ist kein Einzelfall in Ihrer Fraktion. Ich muss ganz deutlich sagen, ich finde es interessant, wie Sie sich Ihre Wahrheit durch Weglassen und Halbsätze selbst zurechtschneidern. Sie haben eben behauptet, diejenigen, die Daten veräußern, unterlägen keiner Steuer. Sie haben aus der Antwort auf eine von Ihren 25 Kleinen Anfragen, die Sie mittlerweile gestellt haben, zitiert.
Es heißt darin: Da dem Land die Identitäten und Aufenthaltsorte der Verkäufer nicht bekannt sind, ist die Besteuerung nicht nachprüfbar. Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten liegt im Verantwortungsbereich des anbietenden Verkäufers und insbesondere dann, wenn er gar keinen Wohnsitz in Deutschland hat.
Es müsste dann aber auch noch der Satz gesagt werden: Bei Auszahlung des Kaufpreises an die Anbieter wurde jeweils ein Steuerabzug entsprechend § 50 a Einkommensteuergesetz vorgenommen.
Das sollten Sie der Vollständigkeit halber hinzufügen. Diese ewige Halbwahrheit, aus der Sie sich das zusammenschneidern, was verstanden werden soll, ist nicht zu ertragen.
Ihnen ist doch völlig egal, was vor Ihnen gesagt worden ist. Sie müssen Ihr Manuskript durchziehen. Darin steht, dass Millionen für Berater zu Ineffizienzthemen ausgegeben würden. Ich habe Ihnen vorhin noch erklärt, in Ihrer Regierungszeit waren es 6 Millionen €. Es wurde nicht von uns gerechnet, aber es wurde für diese vier von uns geplanten Stellen, befristet auf zwei Jahre, 1 Million € zusammengerechnet. Vergleichen Sie doch einfach. Überlegen Sie sich, ob Sie einen Satz in Ihrem Manuskript streichen, bevor Sie etwas reden, was mit dem, was vorher gesagt worden ist, überhaupt nichts mehr zu tun hat.
Lassen Sie mich nur noch einen Punkt zum Schluss nennen. Sie haben das Beispiel mit dem Bauernaufstand im Mittelalter gebracht. Das ist wunderbar. Die haben einen Aufstand gegen einen Zehnten gemacht. Da wollen Sie also hin? Dann müssen Sie sich auch einmal angucken, was die Leute damals für eine Gesundheitsversorgung, für eine Infrastruktur, für eine Bildung und für eine öffentliche Sicherheit hatten.
Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 4:23 Minuten überzogen hat. Zur Information an die übrigen Fraktionen: Es liegt mir noch eine Wortmeldung vor. Herr Kollege Witzel von der FDP-Fraktion hat sich gemeldet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister, wir kommen ja gleich noch in einem Extra-Tagesordnungspunkt auf die Erörterung der Sachverhalte, die die Steuer-CDs betreffen. Lesen Sie das alles im Protokoll nach! Wir haben ja zum Glück ein Wortprotokoll auch von dieser Sitzung. Ich habe mich zu der Frage geäußert, wie Sie im Ausland, in der Schweiz und in anderen Ländern, mit diesem Sachverhalt umgehen. Die Antwort, die Sie mir dazu gegeben haben, habe ich zitiert. Wir werden das Thema ja gleich in größerem Kontext beleuchten.
zu den vielen Haushaltsrisiken, die für die nächsten Jahre für Nordrhein-Westfalen bestehen und die Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung nicht abbilden. Sie wissen, dass die 1 Milliarde, die jetzt an Aufwendungen für die WestLB entstehen, wie das rechtlich konstruiert ist – auch nach einschlägigen haushaltsrechtlichen Vorschriften formal zu Recht –, als Investition gebucht wird. Sie haben aber auch mit Ihrem Haus in der letzten Woche im Ausschuss eingeräumt, dass das nicht automatisch für alle zukünftig eintretenden Verluste so ist. Nicht all das, was an Defiziten aufwächst, wenn die WestLB bei
spielsweise Klagen, Prozesse verliert, ist immer automatisch eine Investition, auch haushaltsrechtlich nicht. Es wäre ja auch absurd, wenn alleine zur Befriedigung konsumtiver Zwecke, weil man eine Verpflichtung zu erfüllen hat, die eigentlich auch nie faktisch-realwirtschaftlich investiven Charakter hat, alles auf der Investitionsseite gebucht würde.
Dazu wissen Sie ja, Herr Finanzminister, dass ganz erhebliche Haushaltsrisiken durch die WestLBAbwicklung entstehen. Durch die Zahlen, die Ihnen heute bereits bekannt sind, wissen Sie, dass die vergleichsweise harmlosen Ansätze, die Sie dazu in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen haben, das aller Voraussicht nach nicht werden abdecken können.
Sie haben in der Ausschusssitzung letzte Woche öffentlich dargestellt, dass damit zu rechnen ist, dass spätestens 2014 die 5 Milliarden € für Phoenix verbrannt sind, woraus weitere Belastungen resultieren. Wir haben gerade die Abschlussbilanz der WestLB bekommen. Die Portigon AG, die jetzt als Rechtsnachfolger firmiert, kann für die nächsten Jahre schon heute sicher sagen – wer gibt das schon Jahre vorher bekannt? –, dass sie mindestens in den nächsten zwei Jahresabschlüssen noch in mittlerer dreistelliger Millionen-Größenordnung weiterhin Verluste wird ausweisen müssen. Darin sind all die Prozessrisiken, die aus unterschiedlichen laufenden Klageverfahren resultieren, noch gar nicht enthalten.
Sie selber, Herr Finanzminister, wissen bei dem Kenntnisstand, den Sie heute bereits ganz sachlich betrachtet haben, dass das, was Sie an Vorsorge für die WestLB einkalkuliert haben, bei Weitem nicht ausreichen wird und dass das Manöver der Abwicklung die Steuerzahler leider noch viel stärker belasten wird, noch viel teurer zu stehen kommen wird, als Sie heute annehmen.
Deshalb war unser Ansatz sehr zielführend, als unser Fraktionsvorsitzender Sie gestern ausdrücklich ermuntert hat, sich doch offensiver, als es bislang geschieht, nicht nur der Frage anzunehmen, wie man die Verluste verbucht, die die WestLB verursacht, sondern sich auch einmal Gedanken zu machen, wie wir stärker das tun können, was auch andere Landesbanken machen, nämlich Strategien zu entwickeln, wie wir Gelder auch einmal umgekehrt aus Prozessverfahren werthaltig für das Land Nordrhein-Westfalen als Eigentümer zurückbekommen. Bei den ersten Ansätzen ist noch viel Luft nach oben.