Protocol of the Session on June 25, 2015

Wir kommen zur Abstimmung. Wir haben insgesamt drei Abstimmungen durchzuführen, die erste über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/8991. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Die führen wir jetzt durch und kommen damit sofort zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags mit der vorgenannten Drucksachennummer. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 16/8991 angenommen.

Wir stimmen zweitens ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten. Dieser trägt die Drucksachennummer 16/9092. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag Drucksache 16/9092 der Fraktion der Piraten abgelehnt.

Wir stimmen drittens ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU. Dieser trägt die Drucksachennummer 16/9097. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten. Wer enthält sich? – Das ist die FDP-Fraktion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag Drucksache 16/9097 abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7. – Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

8 Freifunk in Nordrhein-Westfalen: Bürgernetze

ausbauen und weiter stärken!

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/8970

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellenden Fraktionen hat als Erstes für die SPD-Fraktion Herr Kollege Schneider das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die menschliche Kreativität, sie ist wie Wasser: Sie sucht sich ihren Weg. Das ist der Grund, warum es in immer mehr deutschen Städten den Freifunk gibt. Statt sich von der bundesdeutschen Störerhaftung aufhalten zu lassen, erfanden engagierte Menschen ein Bürgernetz, das legales Kostenlos-WLAN ermöglicht und dabei noch einen interessanten Nebennutzen bringt: Bürgerinnen und Bürger können sich miteinander austauschen. Sie können ihr eigenes soziales Netzwerk gründen, Inhalte teilen und sich auf diese Weise von den großen Datenkraken der schönen neuen Netzwelt emanzipieren.

Vielleicht eröffnet Freifunk damit auch einen Blick in die Zukunft, in die Zukunft digitalisierter urbaner Räume. Ich persönlich bin mir sicher, dass sich unser Leben im öffentlichen Raum verändern wird. Begeben Sie sich deshalb mit mir auf eine kleine Reise in die Zukunft.

In fünf oder zehn Jahren wird die Innenstadt noch immer viele Menschen anlocken. Es gibt zwar nicht mehr so viele Läden in den Seitenstraßen, dafür reiht sich auf der Haupteinkaufsstraße Schaufenster an Schaufenster. Hinter jedem zweiten davon verbirgt sich ein sogenannter Showroom. Hier probieren die Kunden an, hier fühlen sie, hier riechen sie, hier schauen sie, um daraufhin eine Wahl zu treffen. Mit ihrem Smartphone wird dann bestellt. Noch am selben Tag wird geliefert, nicht aus dem Geschäft heraus, sondern aus Zentrallagern außerhalb der Stadt.

Dazwischen finden sich auch immer wieder Servicestationen für die unterschiedlichsten Produkte, die reklamiert, repariert und am Ende umgetauscht werden können.

Always online. Die Menschen, die heute hier durch die Straßen schlendern, sind mit ihrem Phablet unterwegs, einer Mischung aus Smartphone und Tablet, das sich mittlerweile als Standard etabliert hat. Aufs Datenvolumen, das ihr alter Mobilfunkvertrag vielleicht noch vorsieht, brauchen sie dabei nicht zu schauen. Denn Innenstädte, meine Damen und Herren, sind nur noch dort stark frequentiert, wo es ein lückenloses WLAN-Netzwerk gibt – kostenlos und ohne umständliche Anmeldung.

So sitzen sie denn in den Cafés, in Restaurants und Parks. Die Aufenthaltsqualität hat sich in den vergangenen Jahren überall stark verbessert. Denn die Innenstadt ist mittlerweile der Ort, wo sich die Menschen physisch miteinander treffen, um sich zu sehen, sich in die Arme zu nehmen.

Weil dabei die Allermeisten ihr Phablet oder ihr Smartphone dann doch nicht aus der Hand legen

mögen, sondern selbst im Gespräch noch darauf herumtippen und ständig etwas auf dem Display zeigen, gibt es mittlerweile sogenannte Offlinecafés. „Handys müssen draußen bleiben“ steht auf dem Schild neben der Tür. Ein Störsender hilft dabei, das Verbot auch durchzusetzen. Wie immer sind in diesen Offlinecafés alle Tische besetzt. Denn, meine Damen und Herren, Offline ist das neue Bio.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Ver- einzelt Heiterkeit)

Die Stadt ist jedoch auch kleiner geworden. Es leben weniger Menschen hier. Dafür immer mehr betagtere Frauen und Männer. Sie genießen ihren Ruhestand und die digitalen Annehmlichkeiten. Durch den im Netzwerk organisierten Hausnotruf fühlen sie sich zu Hause sicherer. Zwar können sie ihr Abo im Theater nicht mehr persönlich einlösen, doch schauen sie dann zumindest den Livestream aus dem städtischen Theater auf dem heimischen Flachbildschirm. Nach der Vorstellung tauscht man sich aus. Statt auf Facebook, das in den vergangenen Jahren wegen seiner laxen Datenschutzeinstellungen immer unbeliebter wurde,

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

wird der Austausch jetzt über lokale Plattformen organisiert.

So behalten die Nutzer vor Ort die Kontrolle über ihre Daten.

Auch der Lokaljournalismus hat auf den Trend reagiert. Mikro- und Datenjournalismus sind die Trends der Zeit. Statt der großen Politik, die längst über andere Internetseiten und Blogs abgebildet wird, lesen Bürgerinnen und Bürger bei der Onlinelokalzeitung ständig aktualisierte Neuigkeiten aus ihrer Stadt.

Beispielsweise geht gerade die Benachrichtigung an alle Smartphones im Netzwerk, dass die Ausfahrt von Parkplatz eins aufgrund eines Auffahrunfalls verstopft ist. Dieser Service gehört zum Verkehrsmanagement. Das hat dazu geführt, dass es praktisch keine Staus mehr gibt und die Suche nach einem Parkplatz der Vergangenheit angehört.

Wer selbst mit dem Auto unterwegs ist, merkt ohnehin nichts von Verkehrsstörungen. Das autonome Fahren ist längst zur Regel geworden. Damit reicht es völlig aus, mündlich den eigenen Zielwunsch zu formulieren. Den Rest übernimmt das vollvernetzte Auto.

Die Shareconomy hat auch positive Seiten. Die wenigsten Menschen besitzen dann überhaupt noch ein Auto. Viel effektiver ist das Carsharing, das sich vor allem in Großstädten durchgesetzt hat. Mit der richtigen App und in Verbindung mit dem ÖPNV lassen sich Verbindungen auf die Sekunde genau berechnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden es bemerkt haben: Die Verbindung ins Internet spielt bei meinem Blick in die Zukunft eine entscheidende, wenn nicht gar die entscheidende Rolle.

Die Realität heute sieht jedoch leider noch düster aus. Nur 39 % der Internetnutzer gehen laut einer Umfrage von Bitcom Research außerhalb ihrer Wohnung über WLAN ins Internet. Schuld daran – so die Autoren – seien die restriktiven gesetzlichen Regelungen zur Störerhaftung. Die geringe WLANNutzung bremse damit die digitale Entwicklung aus.

Sie laufen Gefahr, offline gesetzt zu werden.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Ich werde gleich offline gesetzt. Deswegen komme ich zum Ende. Sie haben absolut recht.

Dass die digitale Entwicklung gestört wird, ist für uns nicht hinnehmbar. Deshalb möchten wir mit unserem gemeinsamen Antrag den Freifunk stärken, der eine Brücke in die Zukunft baut. Daran wird auch die Vorratsdatenspeicherung hoffentlich nichts ändern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein herzliches Glück auf!

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. – Für die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneider, ein paar Impressionen aus der digitalen Zukunft, die Sie hier gerade beschrieben haben, durfte ich mir vor einigen Wochen anschauen. Ich war mit einer Delegation meiner Fraktion in Estland und Finnland, in Helsinki und Tallin.

Wir haben dort viele Gespräche über die Gestaltung des digitalen Wandels geführt; und es ist absolut faszinierend, was gerade in Estland im Hinblick auf die digitale Gesellschaft entstanden ist. Was diese Entwicklung dort ermöglicht hat, haben die Esten mit dem Slogan „Fresh Air and Free WiFi“ betitelt. Als ich diesen Slogan das letzte Mal zitiert habe, wurde ich von einem Kollegen der CDU-Fraktion gebeten, ihn zu übersetzen. Das heißt: „frische Luft und freies Internet“ – beides Dinge, mit denen Sie gewisse Schwierigkeiten haben und die Sie nicht so gut kennen.

Aber stellen wir uns einmal vor: Jemand, der nur frische Luft und freies WLAN kennt, kommt nach Deutschland und soll auf einmal 15 € für einen Tag im Internet oder 7 € für eine Stunde im Internet be

zahlen. Über diese Bedingungen lacht inzwischen ganz Europa.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] und den PIRATEN)

Freies Internet ist in diesem Zusammenhang mehr als kostenloses Internet. Das ist gerade im Zusammenhang mit der Freifunkdebatte sehr wichtig. Bei Freifunk geht es darum, aus einer basisdemokratischen Initiative heraus ein offenes Bürgernetz aufzubauen. Freifunk ist insofern auch ein Projekt, das unserer grünen Philosophie sehr nahesteht: Aus zivilgesellschaftlicher Initiative entsteht etwas Gutes für alle. Darum sind wir froh, dass wir uns auf diese gemeinsame Initiative verständigen konnten. Daher unterstützen wir die Freifunkphilosophie seit langer Zeit politisch und auch praktisch. Wir arbeiten mit vielen Initiativen vor Ort zusammen und fördern dadurch ihre Arbeit.

Freifunk bedeutet, dass Internetzugänge geteilt werden. Das bedeutet beispielsweise, dass ich, wenn ich über einen öffentlichen Platz gehe, nur noch ein Netz angezeigt bekomme statt heute vielleicht 20, oder dass sich in einem Mehrfamilienhaus mehrere Parteien einen Netzzugang teilen können. Das ist dann nicht einfach nur ein Netz, sondern Freifunk, ein freies WLAN für alle – ohne Überwachung und ohne Abzocke.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Mit seinem heutigen Beschluss setzt der Landtag ein klares Zeichen zur Unterstützung der Freifunkbewegung. Wir wissen aus vielen Gesprächen vor Ort, dass ein solches Zeichen der politischen Unterstützung ein unglaublich wichtiges Signal für die Arbeit der lokalen Initiativen ist.

Es hilft zugleich sehr konkret, wenn es etwa darum geht, mit Städten oder Gemeinden über die Nutzung kommunaler Liegenschaften für die Aufstellung von Freifunkroutern zu verhandeln. Gerade in dieser Hinsicht gehen wir als Land mit gutem Beispiel voran. Die Landesregierung wird in unserem Antrag aufgefordert, ein Konzept zu entwickeln, um landeseigene Immobilien für Freifunk zugänglich zu machen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Freifunk braucht gute Rahmenbedingungen; das ist gerade schon angesprochen worden. Ich denke ebenfalls zunächst an die Abschaffung der Störerhaftung. Nach Bundeswirtschaftsminister Gabriels ersten großspurigen Ankündigungen war der erste Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes eine in Paragrafen gegossene Unverschämtheit gegenüber allen, die sich für freies WLAN und die Förderung digitaler Teilhabe einsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Entwurf ist auch am Widerstand aus Nordrhein-Westfalen gescheitert. Dafür will ich der Lan

desregierung an dieser Stelle noch einmal herzlich danken.

Ich will im Namen meiner Fraktion auch all denen Dank sagen, die sich als Freifunkerinnen und Freifunker schon heute für digitale Teilhabe engagieren. Einige von ihnen sitzen heute bei uns im Plenarsaal auf der Tribüne und folgen dieser Debatte. Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr noch mehr werdet und noch mehr Verbündete findet.

An dieser Stelle möchte ich auch ganz herzlich dem Kollegen Lamla für diese Initiative danken. Ich weiß, wir setzen heute ein Herzensanliegen von Ihnen um. Ich danke auch dem Kollegen Schneider. Wir haben in dieser Konstellation sehr gut zusammengearbeitet, und ich finde, wir haben gemeinsam einen sehr guten Antrag hinbekommen. Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)