Sie sprechen von Prioritätensetzung und Sonderpädagoginnen, die ausgebildet werden müssen. Diesbezüglich bin ich komplett bei Ihnen. Aber darum geht es hier doch gar nicht! Die Schulen bekommen ein Datum, an dem ein AO-SF-Antrag bei der Bezirksregierung vorliegen muss, egal woher sie die Ressourcen nehmen. Es geht hier nur um die Zeit, die die Bezirksregierung braucht, um das Verfahren zu betrachten, zu begutachten und wieder zurückzugeben.
Zuletzt will ich noch sagen: Sie begründen einen Missstand mit dem anderen. Sie haben recht: Die Gesundheitsämter schaffen es nicht. Sie schaffen es deshalb nicht, weil alle Flüchtlingskinder, bevor sie zur Schule kommen, zum Gesundheitsamt müssen. Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Gesundheitsämter genug Personal haben, um das leisten zu können.
Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass hier einiges durcheinandergeht.
Frau Bunse und Frau Schmitz, Sie werden, glaube ich, nach Ihrer Empörungsdarstellung verstehen, dass es richtig war – der Finanzminister und der Innenminister würden sich besonders freuen –, dass Rot-Grün eine Ihrer Maßnahmen nicht fortgesetzt hat, nämlich Jahr für Jahr im Bereich der öffentlichen Verwaltung die Stellen pauschal um 1,5 % abzusenken.
Doch, natürlich! Im Schulbereich, in der Verwaltung der Bezirksregierung findet auch Schulaufsicht statt, verehrter Herr Hovenjürgen.
Und die Bezirksregierungen sind, was das Personal angeht, zum Teil ausgeblutet. Deswegen kommt es in bestimmten Bereichen auch zum Antragsstau. Daher war es richtig, hier den pauschalen Stellenabbau im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu stoppen,
Das noch einmal zu betonen, war mir jetzt erst einmal wichtig, weil Sie hier so tun, als hätte das eine mit dem anderen nichts zu tun.
Dann gebe ich Ihnen noch eins mit, Herr Hovenjürgen – Frau Schmitt-Promny hat schon darauf hingewiesen –: Wie lange dauert der Prozess, bis ein Sonderpädagoge in der Schule zur Verfügung steht? – Fünf Jahre im Studium und anderthalb Jahre im Vorbereitungsdienst; das macht zusammen sechseinhalb Jahre. Wann hätten also die Voraussetzungen für die Ausbildung von Sonderpädagogen geschaffen werden müssen? – Vor sechseinhalb Jahren, verehrter Herr Hovenjürgen! Darauf wollte ich auch noch hinweisen.
Frau Ministerin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Frage des von Ihnen angesprochenen Kollegen Hovenjürgen zulassen?
Frau Ministerin Löhrmann, zunächst herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Habe ich Sie richtig verstanden, dass es sechseinhalb Jahre dauert, bis ein Sonderpädagoge zur Verfügung steht? Geben Sie damit indirekt zu, dass Sie die Inklusion zu übereilt und überhastet und ohne das notwendige Personal eingeführt haben?
Sehr geehrter Herr Hovenjürgen, der Bedarf an Sonderpädagogen besteht unabhängig vom Förderort der Kinder, also unabhängig davon, ob die Kinder in der allgemeinen Schule oder in der Förderschule lernen.
Unabhängig davon haben wir einen Mangel an Sonderpädagogen. Da können Sie den Kopf schütteln, wie Sie wollen. Im Übrigen verläuft die Inklusion in den letzten Jahren in vergleichbaren Schritten.
Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich weiterhin noch einiges richtigstellen. Seit es das Verfahren zur förmlichen Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung gibt, ist es immer wieder vorgekommen, dass Feststellungsverfahren nicht bis zum Ende eines Schuljahres abgeschlossen werden konnten. Die Problematik ist somit weder neu noch durch das 9. Schulrechtsänderungsgesetz verursacht.
Die aus diesem zeitlichen Verzug resultierenden Folgen für die Schülerinnen und Schüler haben wir aber gerade mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz abgefedert. In der Vergangenheit war nämlich die Etikettierung die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt sonderpädagogische Unterstützung gab. Das bedeutete automatisch den Wechsel zur Sonder- und zur Förderschule.
Im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen, die den größten Teil der sonderpädagogischen Förderbedarfe ausmachen, ist das nun nicht mehr so. Diese Ressource steht der Schule als systemische Unterstützung zur Verfügung.
Es ist offensichtlich – das ist ein Teil des Ganzen; darauf hat insbesondere Frau Stotz hingewiesen –, dass wir uns in einem Entwicklungsprozess befinden und dass diese veränderte Form der Ressourcensteuerung – die zugleich Kernpunkt des neuen Vorgehens ist – eben noch nicht überall gleicher
Häufig existiert noch die Vorstellung nach dem Muster: Wir haben ein Etikett für das Kind, und dann gibt es zusätzliches Geld für dieses Kind.
Dieses Verfahren wollen wir nicht fortsetzen. Wir wollen nicht weiter dieses sogenannte Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma – so nennt es die Wissenschaft – befolgen. Das ist auch nicht so skandalisierbar, wie Sie von CDU und FDP das gerne darstellen; denn dieses Prinzip ist in dem Schulversuch, den die Vorgängerregierung - also Ihre - unternommen hat, schon genauso angewandt worden. Dafür gibt es gute Gründe.
Sie nutzen das hier – bei den Piraten ist es anders dargestellt worden –, weil Sie damit bestimmte Dinge auf das 9. Schulrechtsänderungsgesetz abschieben wollen. Es ist aber überhaupt nicht darauf zurückzuführen.
Zu allererst einmal ist wichtig, dass die Kinder einen Schulplatz haben. Darüber hinaus werden wir selbstverständlich der Frage nachgehen – nur in einer Bezirksregierung gibt es die Problemanzeige –, wie es zu dieser Vielzahl an Anträgen gekommen ist.
Meine Damen und Herren, ich nutze aber gerne die Gelegenheit, auch Folgendes klarzustellen. In der Diskussion um das 9. Schulrechtsänderungsgesetz wurde vehement folgende Befürchtung geäußert: Die Zahl der Anträge würde angesichts der neuen Rechtslage rapide sinken, wenn Eltern und nicht die Schule den Antrag stellen.
Das Beispiel Münster zeigt, dass sich diese Annahme nicht bewahrheitet hat. Genau das Gegenteil ist der Fall. Bei der Bezirksregierung Münster sind 462 Anträge mit einem vermuteten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in den Lern- und Entwicklungsstörungen eingegangen; davon wurden 458 von den Eltern gestellt, ganze vier Anträge kamen also von den Schulen. 402 der insgesamt 462 Anträge gingen von einem vermuteten Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in den Lern- und Entwicklungsstörungen aus. Das sind 87 %.
Ich bin schon beim letzten Satz. – Wir gehen den Dingen nach, wir haben ein Augenmerk darauf, dass die Bezirksregierung eine Priorisierung vornimmt und genau unterscheidet, wo es bereits sonderpädagogische Unterstützung in der Schule gibt. Das ist für mich nachvollziehbar, und deshalb besteht aus meiner Sicht kein Grund, dem Antrag zuzustimmen. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.
Die antragstellende Piratenfraktion hat direkte Abstimmung beantragt, zu der wir entsprechend kommen, und zwar wird über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/8978 abgestimmt. Ich darf fragen, wer diesem Antrag der Piraten zustimmen möchte. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/8978 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und Piraten abgelehnt worden ist.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Kollegen Ellerbrock das Wort. Herr Kollege, bitte.
Meine Damen und Herren! Der Themenkreis „aufgeheizte Wohnungsmärkte“ hat uns in diesem Plenum schon manches Mal beschäftigt. „Aufgeheizte Wohnungsmärkte“ gibt es nicht flächendeckend, nicht landesweit. Sie sind aber in einzelnen Kommunen durchaus vorhanden, wenn auch dort nicht flächendeckend, sondern quartiersweise. Gleichwohl gilt es, hier zu handeln. Denn gerade in den wachsenden Ballungskernen ist das ein Problemkreis, dessen wir uns annehmen müssen.
Nur durch die Verbreiterung des Angebotes werden wir zu preisgünstigerem Wohnraum kommen. In „SPIEGEL ONLINE“ ist das kurz gefasst – ich erlaube mir, zu zitieren – wie folgt nachzulesen:
„Wohnungen in Ballungsgebieten sind nicht deshalb so schwer zu bekommen, weil sie so teuer sind, sondern sie sind so teuer, weil es so wenige gibt.“