Protocol of the Session on April 29, 2015

Das angebotene Erläuterungsgespräch nach der Qualitätsanalyse bietet nun die Chance, die Ergebnisse noch wirkungsvoller in den Schulen zu besprechen. Gemeinsam mit der Schulaufsicht können daraus konkrete Schlüsse für die Qualitätssicherung und Entwicklung gezogen werden.

Also: Systematisierung und Nachhaltigkeit sind wichtige Kriterien, die in Nordrhein-Westfalen in unserer Schulpolitik auch hier zum Zuge kommen.

Die Anregung einzelner Sachverständiger, den Blick auf Schulen in benachteiligten sozialräumlichen Umgebungen zu richten und neue Forschungsansätze zu nutzen, nehmen wir selbstverständlich für die Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse auf. Auf Grundlage des Antrags und auch der Erkenntnisse der Anhörung lässt sich aus Sicht des Hauses und auch von QUA-LiS – das ist angesprochen worden – hervorragend arbeiten, um die Schulen individuell zu begleiten, nicht nach Schema F. Damit sind wir weit vorangekommen.

Ich erlaube mir eine kleine Anmerkung an dieser Stelle: Wir haben uns ja bei der Weiterentwicklung der Qualitätsanalyse beraten lassen. Ich finde, wir haben da einen hochkompetenten „Paten“ gehabt. An der Stelle geht mal eben der Blick nach Berlin. Zur jetzigen Stunde wird in Berlin von der Robert Bosch Stiftung eine Deutsche Schulakademie ge

gründet. Herr Prof. Pant, der langjährige Mit-Leiter des Instituts für Qualitätsentwicklung für Bildung, ist der neue Leiter dieser Schulakademie, die auch den Schulpreis vergibt. Herzlichen Glückwunsch! Und wenn der sagt, das sei ein ganz guter Schritt, den Nordrhein-Westfalen hier gegangen sei, dann haben wir, denke ich, einen ganz guten „Paten“, und ich bin zuversichtlich, dass wir hier einen vernünftigen Weg im Sinne innovativer Schulentwicklung gehen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung empfiehlt in Drucksache 16/8160, den Antrag Drucksache 16/6121 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung – nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Antrag in Drucksache 16/6121 selbst. Wer ist für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/6121 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU, FDP und Piratenfraktion angenommen ist.

Ich rufe auf:

20 Bildungsqualität fördern

Teil 1: Gymnasien in ihrem pädagogischen Auftrag stärken

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6858

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule und Weiterbildung Drucksache 16/8469

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/6957

Ich darf Ihnen den Hinweis geben, dass der Antrag der CDU-Fraktion gemäß § 82 Abs. 2 Ziffer b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin VoigtKüppers das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Wir werden weder dem FDP- noch dem CDU-Antrag folgen. Beide Anträge haben eine Grundmelodie, die nicht unsere Zustimmung findet. Zum wiederholten Mal beraten wir hier die Behauptung, das Gymnasium sei benachteiligt.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: So ist es!)

Ich kann verstehen, dass Sie das sagen. Sie müssen natürlich Ihre Wählerinnen und Wähler bedienen. Nichtsdestotrotz haben wir an vielen Stellen darüber diskutiert, dass Sie Behauptungen in die Welt setzen, die jenseits jeder Wahrheit sind.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Seit dem Schulkonsens gibt es Gott sei Dank weder eine Bevorzugung noch eine Benachteiligung der einen oder anderen Schulform. Grundsätzlich haben wir uns darauf geeinigt, dass Eltern entscheiden, welche Schule für ihr Kind gut ist. Wir haben die Möglichkeiten geschaffen, dass die Schulträger gemeinsam mit den Eltern vor Ort das Angebot bestimmen, sodass überall in unserem Land alle Bildungsabschlüsse angeboten werden können. Es geht – auch hier sage ich: zum Glück – nicht mehr um ideologische Diskussionen, sondern darum, die Schulstruktur den Erfordernissen vor Ort und den Bedürfnissen der Kinder in unserem Land anzupassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was mir bei beiden Anträgen sauer aufstößt, ist, dass so oft von Leistung die Rede ist. Da muss ich Frau Pieper recht geben. In all Ihren Anträgen finden wir ständig Termini wie Leistung, Qualität, Erfolg, ohne dass Sie auch nur einmal den Versuch unternehmen, genau diese Begriffe zu bestimmen.

Die Definition des Leistungsbegriffs in diesem Antrag ist für mich unglaublich. Leistung ist danach für Sie die Leistung, die Schüler abzuliefern haben, und die Leistung, die Sie, meine Damen und Herren Antragsteller, nur in Schulnoten messen. Doch folgen wir diesem Gedanken ein Stück weiter: Am Gymnasium sind ohnehin die leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler. Die durchschnittliche Klassengröße liegt sogar geringfügig unter der an Gesamtschulen. Und wie wir alle wissen, erfreut sich das Gymnasium zunehmender Beliebtheit.

Schier unglaublich aber finde ich Ihre Aussage, wie man mehr Leistungsfähigkeit bei Schülerinnen und Schüler erzeugen kann. Wie ich Ihrem Antrag entnehme, glauben Sie, dass Sitzenbleiben die Leistungsfähigkeit erhöht – und das vor dem Hintergrund vieler Gespräche, die wir in letzter Zeit geführt und in denen wir darüber diskutiert haben, dass Kinder und Jugendliche ständig darüber klagen, dass sie unter Stress sind. Unter diesen Bedingungen wollen wir Kindern und Jugendlichen auch noch den Stress des Versagens zufügen? Das

ist nicht mein Verständnis von Förderung von Kindern und Jugendlichen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie selbst haben 2005 im Schulgesetz die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern verankert. Ausnahmsweise sagen Sie in Ihrem Antrag einmal richtig, dass das schulische Angebot sowohl die leistungsstarken als auch die leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler fördern sollte. Das bedeutet, wir brauchen individuelle Förderungen, die die Schüler in ihren Fähigkeiten und in ihrem Selbstwertgefühl bestärken.

Völlig fraglich ist für mich aber, warum gerade das Gymnasium in seinem Auftrag, wissenschaftspropädeutisch zu bilden, ein Alleinstellungsmerkmal haben sollte. Längst gibt es in Nordrhein-Westfalen viele Bildungsgänge in Gesamtschulen und Berufskollegs, die die Befähigung zum Hochschulstudium gleichwertig erteilen. Wir bestärken jede Schule darin, ihr eigenes Profil zu entwickeln.

Insofern kann ich Ihnen zustimmen, dass Kooperationen mit Universitäten und Hochschulen sinnvoll sind. Aber diese Kooperation muss für alle Schulen angeboten werden, die eine Hochschulzugangsberechtigung erteilen. Das ist im Übrigen auch heute schon möglich. Unser Auftrag ist es nicht, das Gymnasium alleine zu stärken, sondern wir müssen alle Schulformen stärken. Schulformen haben die Aufgabe, sich an die ändernden Forderungen der Gesellschaft anzupassen.

Abschließend sei mir noch ein kleiner Hinweis gestattet. Ich verstehe nicht, wie Sie in einem Atemzug sagen können, wir müssten die Qualität am Gymnasium stärken, und dann, wenn wir darüber diskutieren, wie wir die Qualität an unseren Schulen verbessern können, gleichzeitig sagen, Sie würden den Weg nicht mitgehen, weil er Ihnen nicht weitreichend genug ist.

Ich hoffe, dass wir diese Diskussion in der Form nicht noch häufiger führen müssen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Birkhahn das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Endlich nehmen wir uns einmal die Zeit, über Qualität nachzudenken. Das ist eine Diskussion, die wir uns eigentlich viel zu selten leisten. Wir können heute nach Abschluss der Beratungen im Ausschuss deutlich machen, dass wir hinschauen möchten, was eigentlich die notwendigen Bedingungen für Qualität in Bildung und pädagogischer Arbeit sind. Diese Frage ist nämlich der Kern unseres Antrags. Ich möchte holzschnittartig

drei Thesen herausstellen, die wir für unabdingbar halten, damit Qualität in Bildung und pädagogischer Arbeit entstehen kann.

Die erste Bedingung lautet: Bildungsqualität braucht Vielfalt. Wir haben festgestellt, individuelle Förderung für jeden Schüler und für jede Schülerin berücksichtigt deren Interessen, Fähigkeiten und Leistungsmöglichkeiten. Deswegen brauchen Schulen Raum für individuelle Profilbildung. Das allein ist die Begründung dafür, dass wir eine vielfältige Schullandschaft benötigen.

(Beifall von Klaus Kaiser [CDU])

Wenn ich unterschiedliche Angebote mit unterschiedlichen Ansprüchen für unterschiedliche junge Menschen herausstellen möchte, dann wird deutlich, dass es nicht gerecht sein kann, alle Kinder über einen Kamm zu scheren. Prof. Peter Brenner sagt: Die Bereitstellung eines ausdifferenzierten Schulangebots für viele unterschiedliche Bedürfnisse, das ist Bildungsgerechtigkeit.

Erste These: Bildungsqualität braucht Vielfalt, aber nicht nur in der Schullandschaft, sondern auch in den Vermittlungs- und Aneignungswegen. Zur Lehrerrolle gehört die Fähigkeit, über eine Bandbreite des Handelns zu verfügen. Dazu gehört die Fähigkeit, vom adressatenbezogenen Instrukteur bis zur Lernbegleitung, die sich zurückhält und Prozesse ermöglicht, zu wechseln. Aber ich muss alle diese Facetten beherrschen, um meine Schülerinnen und Schüler bestmöglich fördern zu können.

Die entscheidende Kompetenz in diesem Zusammenhang ist, dass die Lehrerpersönlichkeit in der Lage sein muss, begründet auszuwählen, und zwar in Abhängigkeit von der Funktion der Phase im Lernprozess. Dort muss sie das Handwerkszeug bewusst einsetzen und flexibel reagieren können.

Wenn ich an die Lehrerpersönlichkeit denke, ist noch ein letzter Punkt zu nennen. Sie muss ein engagiertes Interesse am Fortkommen ihrer Schülerinnen und Schüler haben. Das ist das Feld, auf dem sich Bildungsqualität entfalten kann.

Zweite Bedingung: Bildungsqualität braucht Herausforderung, Frau Voigt-Küppers. Das ist nicht etwas, was wir uns als CDU ausgedacht haben. Ich kann zwei Zeugen aufrufen, die das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven bewerten. Ich habe eben schon Prof. Brenner zitiert. Er sagt: Bildung wird nur zugänglich, wenn sie durch eigene Anstrengung erworben wird. Und der Bildungstheoretiker Klafki, der nun wirklich nicht dem konservativen Lager zuzurechnen ist, sagt: Wer Kindern nichts abfordert, betrügt sie um den Erfolg.

(Beifall von der CDU)

Wie geht Schule mit Leistungsorientierung und mit Anspruch um? Wie stärkt Schule die Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler? Das sind Kernkompetenzen, die auch für

die Lebensbewältigung von enormer Bedeutung sind.

Lehrkräfte fordern im erfolgreichen Unterricht Denk- und Durchdringungsleistungen. Sie bewirken Ansporn und Motivation zur Anstrengung. Sie steigern die Chancen ihrer Schülerinnen und Schüler. Dann muss man aber auch deutlich machen, dass das Absenken des Anspruchsniveaus Chancenminderungen bewirkt.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das hat niemand gesagt!)

Die dritte Bedingung, die wir für unabdingbar für Bildungsqualität halten, ist die klare Zielorientierung. Nordrhein-Westfalen benötigt zur Fortentwicklung seiner Wirtschaft und seiner Zukunft alle Talente und Fähigkeiten. Verschiedene Aufgabenbereiche und verschiedene Berufe verlangen Unterstützung, Herausbildung und Förderung aller Begabungen im Erziehungsprozess. Das bedeutet sowohl Vorbereitung auf eine Ausbildung im dualen System als auch Vorbereitung auf berufsqualifizierende Bildungsgänge als auch Vorbereitung auf das Gelingen des Studiums durch die Vermittlung von Studierfähigkeit.

Die Sicherung des Wissenschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen ist nur durch erklärte Hochschulorientierung der Gymnasien möglich. Im Sinne der Vielfalt ist das der Schwerpunkt, gegen den es nichts einzuwenden gibt.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Wir haben Zen- tralabitur!)