„Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Galeristen in Gefahr – Welche Konsequenzen zieht der Finanzminister aus den Protesten bei der Art Cologne zu der deutlich erhöhten Besteuerung zu Lasten des Kunstmarktes in Nordrhein-Westfalen?“
Die Art Cologne verbindet seit fast 50 Jahren in einzigartiger Weise Kunstausstellung, Handelsplatz und Kulturaustausch und ist wohl weltweit die älteste Kunstmesse dieses Formats. Die dort ausstellenden Galeristen gehören international zur Avantgarde. Auch in diesem Frühjahr ist bei der Art Cologne die erhöhte Besteuerung der Galeristen in unserem Land wieder ein großer politischer Streitpunkt gewesen.
Hintergrund der nun schon seit über einem Jahr andauernden Proteste ist der Umstand, dass die erklärte Absicht des Bundesgesetzgebers auf Landesebene konterkariert wird. Im Ergebnis sind zahlreiche der in ihrer Mehrzahl kleinen und mittelständischen Galerien im internationalen Kunstmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig und existenziell gefährdet.
Nach dem erfolgten Wegfall des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für den Kunsthandel hat der Deutsche Bundestag bereits im Juni 2013 das Modell der Pauschalmargenbesteuerung in deutsches Recht übertragen, um den zu erwartenden negativen Auswirkungen auf Galerien und sonstige Wiederverkäufer bildender Kunst vorzubeu
gen und die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Galerien auf dem internationalen Markt zu erhalten. Auch die Länder stimmten dieser Änderung im Bundesrat ausdrücklich zu.
In der Praxis kommt diese politische Absicht aber kaum zum Tragen, da die Finanzminister auf Länderebene in den damit einhergehenden steuerrechtlichen Anwendungsvorschriften zum Bundesgesetz die Pauschalmargenbesteuerung de facto zum absoluten Ausnahmefall machen.
Durch ministerielles Handeln wird derzeit ein breit getragener politischer Wille ins Gegenteil verkehrt. Der Finanzminister riskiert mit seinem Vorgehen die Verlagerung des ansässigen Kunsthandels in die Schweiz und die USA. Das bedeutet eine Schwächung für den nationalen Kunstmarkt und die Nachwuchsförderung von heimischen Kulturschaffenden.
Auch in diesem Jahr hat sich auf der Art Cologne erneut gezeigt: Ausländische und deutsche Galeristen stellen nebeneinander aus, die deutschen Kunsthändler leiden jedoch aufgrund des Umsatzsteuerrechts zusätzlich zur Künstlersozialversicherung unter um rund 30 % höheren Kosten als die ausländischen Mitaussteller.
Die Galeristen erwarten, dass Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans nun die versprochene pauschale Margenbesteuerung zur Anwendung bringt. Sie gilt als Sonderform der bisher schon überwiegend im Auktionshandel praktizierten Differenzbesteuerung: Der Händler muss dabei die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis mit 19 % versteuern; dafür entfällt beim Verkauf der Umsatzsteuerausweis auf der Rechnung.
Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sollte aufgrund der anhaltenden Beschwerden aus der Galeristenszene dem Parlament nun transparent darlegen, wie er das steuerliche Versprechen einzulösen gedenkt, die Benachteiligung der heimischen Galeristen zu beenden und zeitnah in Nordrhein-Westfalen die politisch in Aussicht gestellte Margenbesteuerung als Regelfall zur Anwendung zu bringen. Die Landesregierung darf den gravierenden Wettbewerbsnachteilen des nordrhein-westfälischen Kunstmarktes nicht weiterhin nur unbeteiligt zusehen; dafür ist er für unser Land zu wertvoll.
Fraglich ist für viele Betroffene, die Öffentlichkeit und die Politik, warum der Finanzminister nicht endlich seine Handlungsspielräume nutzt, mit einer angemessenen steuerlichen Erlasslage die sachgerechte Veranlagung des Kunstmarktes zu ermöglichen.
Welche Konsequenzen zieht der Finanzminister aus den Protesten bei der Art Cologne zu der deutlich erhöhten Besteuerung zulasten des Kunstmarktes in Nordrhein-Westfalen?
Da freut sich Herr Dr. Walter-Borjans als Finanzminister, mal wieder zu einem kunstbezogenen Thema sprechen und antworten zu dürfen. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren, Sie liegen völlig richtig mit Ihrer Einschätzung: Ich finde diese Frage – sehen Sie mir das bitte nach – absolut amüsant, und zwar deshalb, weil es ja erst ein paar Wochen her ist, dass ich am Pranger stand und es hieß, dass ich Kunst zu leichtfertig als eine verkäufliche Ware ansehen würde.
Heute hingegen fühle ich mich der Kritik ausgesetzt, dass ich es denen, die mit Kunst handeln, erschweren würde, ihrem Geschäft nachzugehen. Das nehme ich jetzt einmal zur Kenntnis, obwohl ich das eine wie das andere weit von mir weisen möchte.
Der Vortext zu dieser Frage insinuiert ja, dass das Land Nordrhein-Westfalen – und hier der Finanzminister persönlich – eine bestimmte Vorgabe des Bundesgesetzgebers eng zu Ungunsten der Galeristen in Nordrhein-Westfalen auslegt. Diese Aussage bzw. Interpretation ist absolut falsch. Wir müssen vielmehr erst einmal – auch für die Damen und Herren auf der Tribüne, die uns zusehen und zuhören – sagen, was überhaupt die Grundlage ist.
Es war so, dass Galeristen für ihren Handel den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % – also nicht 19 % – zu bezahlen hatten. Das ist nicht vom Land Nordrhein-Westfalen kritisiert und verändert worden, sondern das ist vom Bundesgesetzgeber verändert worden, und zwar deshalb, weil klar war, dass diese Regelung nicht EU-konform ist und nicht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union entspricht. Es war damit zu rechnen, dass sich Deutschland einem Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt sehen würde.
Das hat dazu geführt, dass der Bundesgesetzgeber diese Ermäßigung zurückgenommen und gesagt hat: Für Galerien muss künftig – jedenfalls in den meisten Fällen – der Mehrwertsteuersatz von 19 % gelten. Um die damit verbundene Erschwernis auch im Vergleich zu anderen Regelungen in den Nachbarstaaten bzw. im internationalen Umfeld nicht zum Tragen kommen zu lassen, haben wir nun eine Sonderregelung eingeführt.
Diese Möglichkeit wird in Frankreich bereits angewendet. Sie besteht darin, dass man einfach von vornherein sagt: 70 % dessen, was an Verkaufserlösen erzielt wird, sind sozusagen Vorleistungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass im Grunde nur 30 % Gewinn erzielt werden, die mit 19 % Umsatzsteuer belastet werden. Wer einmal nachrechnet, stellt fest, dass das, was dann an Umsatzsteuer zu bezahlen ist, sogar weniger als 7 % ausmacht.
wertet, sehr deutlich erklärt, dass das nur in begrenzten Einzelfällen möglich ist, und zwar dann, wenn eine Pauschalmarge angenommen werden kann. Das ist etwa der Fall, wenn ganze Sammlungen oder Nachlässe übertragen werden – das heißt, wenn hier gar nicht im Einzelfall für ein einzelnes Kunstwerk festzustellen ist, wie wertvoll es ist, und somit da auch nicht die 19 % anzuwenden sind.
Deswegen hat man gesagt: In diesem Fall nehmen wir an, dass nur 30 % des Erlöses die wirkliche Besteuerungsgrundlage sind. Das war der Gegenstand. Im Übrigen ist das die Sichtweise der Europäischen Kommission.
Damit hat sich nicht nur der nordrhein-westfälische Finanzminister beschäftigt; das ist nämlich nicht die Angelegenheit eines einzelnen Bundeslandes.
Vielmehr treten in solchen Fällen die Abteilungsleiter bzw. die Referatsleiter „Umsatzsteuer“ der Länder und des Bundes zusammen und interpretieren diese Richtlinie. Das ist geschehen.
Die Frage lautete, welche Konsequenzen ich aus den Protesten bei der Art Cologne ziehe. Die Kritik – ich nenne es einmal so –, die bei der Art Cologne gegen mich persönlich gerichtet geäußert wurde, basiert auf der falschen Annahme, dass sich der nordrhein-westfälische Finanzminister weigert, hier eine andere Regelung anzuwenden.
Vielmehr ist es so, dass der nordrhein-westfälische Finanzminister im Kreis der Finanzminister von Bund und Ländern dieses Thema bzw. diese Problematik angesprochen hat. Er hat die Sorgen der Galeristen, die auch persönlich an mich herangetragen worden sind, im Kreise der Finanzminister mitgeteilt.
Dort habe ich gesagt, dass ich bei der zwangsläufig engen Auslegung, wie sie von Bund und Ländern insgesamt vorgegeben worden ist, darum bitte, dass wir wenigstens die Tatbestände, bei denen diese Pauschalmarge angenommen werden kann, erweitern – etwa auf den Verkauf von Kommissionen. Denn es ist ein durchaus übliches Geschäft, dass ein Galerist von einem Künstler nicht ein einzelnes Werk übernimmt und verkauft, sondern eben ein Set, mehrere Kunstwerke zusammen. Ich habe darum gebeten, dass man diese Regelung auch darauf anwendet.
Mit diesem Vorstoß einer Ausweitung der Anwendung hat sich Nordrhein-Westfalen nicht etwa verweigert. Vielmehr war das ein Vorstoß NordrheinWestfalens und auch Baden-Württembergs, der von der Ländergesamtheit und von den Fachebenen der Ministerien nicht akzeptiert worden ist.
Was haben wir gemacht? In diesem Bereich haben wir überhaupt keine Möglichkeit. Wir haben dann den Bund gebeten, uns erst einmal eine klare Verwaltungsanweisung zu geben, wie das überhaupt zu interpretieren ist. Diese Interpretation ist auf Grundlage der engen Auslegung formuliert worden,
Wir haben den Bund aufgefordert, die Europäische Kommission um Überprüfung der weiten Auslegung zu bitten, die in Frankreich praktiziert wird. Er soll prüfen lassen, ob das mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU in Einklang steht. Wenn das so wäre, dann würden wir darum bitten, dass auch Deutschland dieselbe Regelung anwenden kann wie Frankreich. Bislang ist allerdings nach meiner Kenntnis diese Anfrage an die Europäische Union überhaupt noch nicht gestellt worden. Wenn die gestellt worden ist und wenn es dazu eine Antwort gibt, kann ich auch sagen, was ich da weiterhin unternehmen werde.
Bislang erschöpfen sich meine Möglichkeiten darin, zu sagen – erster Vorstoß gegenüber den Ländern und dem Bund –: Lasst uns den Anwendungsbereich dieser Pauschale vergrößern. – Das ist abgelehnt worden. Zweiter Ansatzpunkt: Lieber Bund, wende dich an die Europäische Union und frage nach, ob die Grundlagen für die Besteuerung, wie Frankreich sie praktiziert, auch auf uns übertragbar sind.
Allerdings muss man sagen: Darin liegt auch ein Risiko. Wenn die Europäische Kommission nämlich zu dem Ergebnis kommt, dass die französische Regelung dieser europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht entspricht, dann ist auch die Begünstigung, wie wir sie jetzt haben, hinfällig. Dann gilt: 19 % auf alles. Dann wäre auch die Regelung, wie wir sie jetzt in Frankreich und bei uns haben, nicht mehr anwendbar. Das wollen wir natürlich auch nicht. Aber wir müssen Klarheit haben.
Es gibt überhaupt keinen Anlass, davon auszugehen – wie im Text der Frage unterstellt –, als hätte der nordrhein-westfälische Finanzminister eine besondere Härte bei dieser Auslegung ins Spiel gebracht. Das Gegenteil ist der Fall.
Vielen Dank, Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans. – Nun hat Herr Witzel eine Frage dazu. Bitte schön, Herr Witzel.
Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer Nachfrage. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Kollegen von Ihnen in anderen Bundesländern und auch Vertreter der Bundesregierung interpretieren das anders.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum Beispiel, der zugleich auch Ihr Parteivorsitzender ist, hat Sie Anfang Dezember letzten Jahres ins Gebet genommen und zu einem Anwendungserlass gedrängt, der eine sachgerechte Umsetzung der bundesgesetzlichen Regelungsabsichten vorsieht. Entsprechend groß ist auch dessen artikulierte Enttäuschung über das Ergebnis. – Das „Handelsblatt“ dokumentiert Ende 2014 Ihre Unterredung.
Ich frage Sie: Aus welchen einzelnen Gründen sind Sie bei Ihrem rigorosen Vorgehen nicht der eindringlichen Aufforderung Ihres Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers Gabriel gefolgt?
Bei aller Wortakrobatik, lieber Herr Witzel: Sigmar Gabriel hat mich nicht ins Gebet genommen. Der Bundeswirtschaftsminister hat den Länderfinanzministern einen Brief geschrieben und als Bundeswirtschaftsminister die Interessen der Galeristen weitergetragen, deren Sorgen geteilt.
Da müssen wir auch gar nicht bis auf die Bundesebene gehen: Diese Gespräche gibt es auch zwischen dem Landeswirtschaftsminister, an den die Sorgen der Galeristen ebenfalls herangetragen werden, und dem Landesfinanzminister. Und selbst das brauche ich nicht; denn ich selbst habe mich mit Galeristen schon genau über diese Fragestellung unterhalten. Die, die sich mit mir unterhalten haben, wissen auch, dass ich nicht derjenige bin, der deren Geschäft erschweren will.
Ich sage Ihnen eines – das habe ich auch den Galeristen gesagt –: Es ist eine Grundlinie der FDP, immer wieder den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für ganz bestimmte Branchen hervorzuholen und anders anwenden zu wollen als eigentlich gedacht, nämlich dafür, die Mehrwertsteuerbelastung für die Einkommensschwächeren zu senken. Das haben Sie schon bei den Hotels gemacht, jetzt suchen Sie sich eine neue Klientel.
Hier ist der Fall allerdings insofern ein anderer, als schon vorher ein ermäßigter Satz galt. Ich selbst habe auch Künstlern immer gesagt: Ich finde, dass hier eine Gleichbehandlung notwendig ist. Um die geht es mir. Ich bin also nicht der Vertreter, der mit aller Gewalt sagt: Es liegt am Ende am Unterschied des Mehrwertsteuersatzes, ob jemand überleben kann oder nicht. Die Frage ist: Wie ist der Wettbewerb aufgestellt? Wenn es im Wettbewerbsumfeld andere gibt, die andere Belastungen haben, dann wird das eben ein Problem. Und damit haben wir uns auch beschäftigt.
Rechtsstaatliches Verfahren, Herr Witzel – das muss ich Ihnen nicht erzählen –, läuft nicht so, dass ein Parteivorsitzender einem seiner Partei angehörenden Finanzminister schreibt, der solle bitte mal die Anwendung anders organisieren, als sie bisher erfolgt. Sondern der schreibt in seinem Amt als Wirtschaftsminister einen Brief und sagt: Ich teile die Sorgen der Galeristen. Guckt euch das doch bitte mal an.
Das habe ich getan. Ich habe auch Vorschläge gemacht. Ich sage es noch einmal: Wettbewerbsgleichheit kann man dadurch herbeiführen, dass
man fragt, ob die Franzosen das so machen dürfen; denn andere Länder haben diese Pauschalmarge und diesen ermäßigten Steuersatz nicht. Also: Kann man nicht auch auf dem Niveau, das die Mehrwertsteuersystemrichtlinie eigentlich erfordert, die Besteuerung gleichschalten?
Wenn das nicht geht oder wenn umgekehrt die Europäische Union sagt, die Besteuerung wie in Frankreich sei möglich, dann werden wir das unterstützen, dann wollen wir das auch. Innerhalb der Auslegung, die in Deutschland möglich ist, wollen wir, wenn sie denn eng sein muss, wenigstens weitere Tatbestände einbeziehen, die bei den Galeristen viel häufiger vorkommen als die, die im Moment anerkannt werden.
Also: Es geht weder darum, dass ich ins Gebet genommen worden bin, noch darum, dass ich mich Wünschen verweigert habe. Aber diese Entscheidung fällt anders als in diesem Text beschrieben, wo es heißt: Die Absicht des Bundesgesetzgebers wird auf Landesebene konterkariert. – Nein! Sie ist so von Bund und Ländern ausgelegt und hat auch für uns zu gelten. Wir haben aber den Vorstoß mit unternommen, das auszuweiten.
Vielen Dank, Herr Minister. – Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass wir die eigentliche Fragestunde bereits um 45 Sekunden überzogen haben. Mir liegen jetzt noch fünf Wortmeldungen vor, die wir auch abarbeiten werden. Weitere Wortmeldungen würden wir vom Präsidium aus mit Blick auf die Zeit aber nicht mehr aufnehmen.
Ich rufe als Nächsten Herrn Nückel auf, der eine Frage für die FDP-Fraktion stellen möchte. Sie haben das Wort, Herr Nückel.