Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Schmeltzer das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bekannterweise hat das Handwerk in Nordrhein-Westfalen mit mehr als 100 Milliarden € Umsatz mehr als 185.000 Beschäftigte. Mengenmäßig ist es somit der bedeutendste Wirtschaftszweig in unserem Bundesland Nordrhein-Westfalen. Mit mehr als 100 Ausbildungsberufen ist das Handwerk zugleich der vielseitigste, der bunteste Zweig der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Jeder fünfte Beschäftige, jedes vierte Unternehmen, jeder dritte Auszubildende ist dem Bereich des Handwerks zugehörig.
Diese Landesregierung von SPD und Grünen hat im Jahr 2011 die Handwerksinitiative auf den Weg gebracht. Wir wollen, dass diese Initiative fortgeführt und auch weiterentwickelt wird. Ich erinnere an den Starter-Check, ich erinnere an den WachstumsCheck, ich erinnere an den Innovationsgutschein. Mit solchen Programmen unterstützen wir das Handwerk bei zentralen Aufgaben, insbesondere bei der Nutzung neuer innovativer Techniken, natürlich beim Start des Unternehmens, aber auch bei der Professionalisierung und allgemein bei innovativen Neuerungen, um immer auf der Höhe der Zeit zu sein.
Somit es ist sicherlich nicht verkehrt, Herr Kollege Schwerd, wenn Sie mit Ihrem Entschließungsantrag, der ja auch überwiesen wird, auf die Digitalisierung hinweisen: Industrie 4.0, Handwerk 4.0. Ich sage nur: Vorsicht! Wir dürfen nicht jeden Politikbereich zu einem Politikbereich 4.0 machen. Wir werden diese Inhalte Ihres Entschließungsantrags in die Beratungen einfließen lassen. Wenn Sie den Antrag gelesen und die Reden von Rot-Grün und sicherlich auch die des Ministers anschließend gehört haben, werden Sie feststellen, dass wir natürlich auf diese Punkte eingehen werden.
Mit dem heute eingebrachten Antrag möchten wir erneut ein wichtiges Thema im Bereich Handwerk ansprechen, das früher viel zu kurz gekommen ist: Gründungen im Handwerk. Das schließt auch die Übernahme bestehender Betriebe ein. Die Landesregierung und die Europäische Union unterstützen Existenzgründungen im Handwerk seit Jahren sehr erfolgreich mit der uns allen bekannten Meister
gründungsprämie. Seit ihrer Einführung haben mehr als 15.000 Existenzgründerinnen und Existenzgründer dieses Instrument genutzt. Die Nachfrage ist nach wie vor hoch. Wir möchten die Meistergründungsprämie deshalb natürlich fortführen.
Ein zinsgünstiges Kreditangebot neben der Meistergründungsprämie wäre eine Möglichkeit. Kapitalknappheit darf kein Engpass für die Gründung sein und darf die Handwerksbetriebe nicht vor Ziele stellen, die sie nicht erfüllen können. Industrie 4.0 macht eben auch vor Handwerksbetrieben nicht halt. Die maschinelle Ausstattung eines Handwerkers, zum Beispiel im Tischlereibereich, kann schnell sechsstellige Eurosummen erreichen. Vor allem im Interesse kapitalintensiver Bereiche des Handwerks wollen wir geprüft wissen, ob zinsgünstige Kreditangebote eine Hilfe sein können.
Wir wollen in Kooperation mit der Selbstverwaltung eine noch bessere Unterstützung der Handwerksunternehmen bei Betriebsübergaben prüfen. Wir wollen alle Potenziale für Gründungen und Nachfolge mobilisieren, und wir wollen, dass dies nicht nur geprüft wird, sondern die Prüfungen ergeben, dass wir dies in einem zweiten Schritt der Handwerksinitiative dann auch umsetzen.
Bereits im letzten Jahr hat dieses Parlament gute Beschlüsse zum Handwerk auf den Weg gebracht. Ich denke natürlich an die Initiative zum Schutz des Meisterbriefes. Es steht uns allen gut an, für eine der bedeutendsten Unternehmergruppen, nämlich die der Handwerker, alles zu unternehmen, damit das Handwerk auch weiterhin goldenen Boden hat.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit Blick auf die Tagesordnung und mit Blick auf die Unterzeichner dieses Antrags stellen wir fest, dass gleich die Kollegin der Grünen, Daniela Schneckenburger, letztmalig für den Bereich Wirtschaft eine Rede halten wird. Ich möchte das zum Anlass nehmen, für diesen Bereich – morgen spricht sie noch einmal zum Thema Bau – Dank zu sagen für die langjährige Zusammenarbeit, für die gute Kommunikation, für die gute Kooperation, auch für die sachliche Art ihrer Streitbarkeit. Ich wünsche ihr viel Erfolg im neuen Aufgabenbereich. Ich denke, man sieht sich wieder. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Die angesprochene Frau Kollegin Schneckenburger erhält sogleich das Wort. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt dieses
Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ – möge es stimmen –, das leider vielleicht auch darüber hinwegtäuscht, dass es an verschiedenen Stellen durchaus Probleme in den Handwerksbetrieben gibt. Das war ein Grund, weshalb wir uns mit diesem Antrag noch einmal einer schwierigen Gelenkstelle im Handwerk, nämlich der Frage der Übergabe eines Betriebes an die nächste Hand, gewidmet haben.
und zwar deswegen, weil die Bedeutung des Handwerks in der energetischen Sanierung, in der Gebäudesanierung sicherlich überhaupt nicht unterschätzt werden darf. Es gibt in NordrheinWestfalen noch ungefähr 80 % der ca. 8,5 Millionen Wohnungen in unserem Land, die energetische Altbauten sind. Das ist ein erhebliches Problem und auch eine Verbindung zwischen dem Bauen und dem Wirtschaftsbereich, weil es nicht nur für diejenigen, die Eigner dieser Gebäude sind, ein Problem ist, sondern auch für die Mieter und Mieterinnen.
Ich glaube, wir sollten ein hohes gemeinsames Interesse haben, dass die Sanierungsquote in Nordrhein-Westfalen vorankommt und damit für das Handwerk Aufträge entstehen, Wertschöpfung entsteht, Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen gesichert werden und am Ende das Land auch klimapolitisch den notwendigen Beitrag leisten kann, den es leisten muss.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Sanierungsquote, die unter 1 % liegt. Wir müssen feststellen, dass zwei Drittel der Fassaden und ein Drittel der Dächer ungedämmt sind. Sie sehen, das Malerhandwerk, die Dachdecker, aber auch das Installateurhandwerk haben im Bereich der Heizungen, die nicht mehr auf dem Stand der Technik sind, enorm viel zu tun.
Die Leistungsbilanz ist vom Kollegen Schmeltzer schon vorgetragen worden. In der Tat, das Handwerk ist ein starker Wirtschaftspartner in NordrheinWestfalen. Viele Arbeitsplätze liegen im Bereich dieser kleinen und mittleren Unternehmen. Es ist auch ein starker Partner in der energetischen Sanierung, in der Gebäudesanierung und insofern ein Zukunfts- und Aufgabenfeld, in dem wir Qualifizierung und Ausbildung brauchen.
Nun ist es inzwischen ein Problem, dass Handwerksbetriebe nicht mehr von der einen in die andere Hand übergehen, von dem Handwerksmeister in die Hand der Tochter, des Sohnes, die selber Meisterin oder Meister sind. Da gibt es stärkere Brüche, als es in der Vergangenheit der Fall war. Wir glauben deswegen, dass es gerade beim Betriebsübergang Sinn macht, als Land genau hinzuschauen
und die Frage zu stellen: Wie können wir behilflich sein zum Beispiel bei Betriebsübergaben an Belegschaften, die bereit sind, weiter in den Betrieb zu investieren, um damit auch ihren eigenen Arbeitsplatz zu sichern?
Wir haben das bereits im Bereich der Genossenschaftsförderung in den Blick genommen. Wir müssen es aber auch an anderer Stelle, wo es um Unternehmensnachfolge durch andere geht, gemeinsam mit dem Handwerk, das in den vergangenen Jahren natürlich schon viel Beratungsarbeit geleistet hat, in den Blick nehmen.
Dann kommen wir zu dem Thema „Meistergründungsprämie“. Auch das ist für neue Meister eine wichtige Frage. Wir bekomme ich die Finanzierung gestemmt, um überhaupt als Meister einen Betrieb übernehmen und künftig ausbilden zu können?
Vielleicht können wir noch mehr leisten mit einem zinsgünstigen Darlehen, das von den Meistern und Meisterinnen, glaube ich, dann angenommen wird, wenn es ein attraktives Angebot ist, das danebengestellt wird, um bei einem Vergleich herausfinden zu können, was auch für die Zukunft die richtigen Förderwege sind. Es geht also nicht darum, etwas wegzunehmen, sondern darum, ergänzend etwas danebenzustellen – durchaus verbunden mit der Fragestellung, ob damit nicht ein anderer Weg eingeschlagen werden kann.
Ich komme zum Schluss. Ich wollte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen – der Kollege Schmeltzer hat es angesprochen –, von meiner Seite aus insgesamt danken.
Ich danke den Kollegen und Kolleginnen von der SPD für eine gute, sachliche Zusammenarbeit bei vielen gemeinsamen Anträgen. Ich glaube, diese Zusammenarbeit war immer getragen von dem Interesse, für das Land Nordrhein-Westfalen, für die Wirtschaft, für die Unternehmen, für die Menschen in Nordrhein-Westfalen das Beste zu erreichen.
Und ich möchte den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition danken für einige Diskussionen, in denen wir – jedenfalls von meiner Seite aus – leidenschaftlich gestritten haben, geguckt haben, dass die Unterschiede auch wirklich deutlich werden. Ich finde, es steht einem Parlament gut zu Gesicht, dass es das tut. Das gehört dazu. Es ging aber immer fair zu. Dafür will ich Ihnen auch an dieser Stelle ausdrücklich Danke sagen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die CDUFraktion erteile ich Herrn Kollegen Spiecker das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne! Liebe Frau Kollegin Schneckenburger, lieber Herr Kollege Schmeltzer, ich stimme Ihnen vollkommen zu: NordrheinWestfalen braucht mehr mutige Gründer im Handwerk, die für Belebung des Wettbewerbs, für Innovation und für neue Arbeitsplätze sorgen.
Ich stimme Ihnen auch zu, dass NordrheinWestfalen eine Landesregierung braucht, die Gründer im Handwerk besser unterstützt, als es bisher der Fall ist. Das gilt sowohl für Neugründungen als auch für Betriebsübernahmen.
Ihr Antrag beschreibt zutreffend eine ganze Reihe aktueller Probleme. Allerdings habe ich den Eindruck, dass Ihnen ein wenig der Mut und die Ideen fehlen, wie die Probleme gelöst werden können.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen das Beispiel „Unternehmensnachfolge“ ans Herz legen. Sie beschreiben zutreffend, dass in den kommenden fünf Jahren 30.000 Handwerksbetriebe in Nordrhein-Westfalen einen Unternehmensnachfolger suchen. Sie fordern, Beratungs- und Unterstützungsangebote zu bündeln, weil sie unübersichtlich sind. Da gebe ich Ihnen recht, vollkommen! Eigentlich bedauerlich, dass die von Ihnen getragene Landesregierung nicht selbst auf die Idee gekommen ist, hier für mehr Übersichtlichkeit zu sorgen!
Probleme bei der Unternehmensnachfolge haben aber nur am Rande mit der Unübersichtlichkeit des Beratungsangebotes zu tun. Lassen Sie mich noch einmal an die Debatte von gestern zur Erbschaftsteuer anknüpfen. Wenn wir es dem potenziellen Betriebsnachfolger durch die Erbschaftsteuer wirtschaftlich unmöglich machen, den Betrieb fortzuführen, brauchen wir über unübersichtliche Beratungsangebote gar nicht zu sprechen.
Ich würde mich daher freuen, wenn wir gemeinsam auf unsere Berliner Kollegen Einfluss nehmen, damit bei der Neuregelung der Erbschaftsteuer Mittelstand und Handwerk nicht unter die Räder kommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein zweites Problem für Gründer benennen: Bürokratie. Ich meine damit zum einen die Bürokratie, der sich ein Gründer in der Gründungsphase oder Übergangsphase ausgesetzt sieht. Noch viel schlimmer ist aber die Bürokratie, der sich das Handwerk im laufenden Geschäftsbetrieb ausgesetzt sieht, die dafür sorgt, dass Selbstständigkeit immer unattraktiver auf junge Menschen wirkt.
Nehmen Sie nur die Vorschläge des Umweltministers zum Thema „Lebensmittelüberwachung“: Wenn sich Ihr Umweltminister durchsetzt, wird die Anzahl der Gründungen oder Betriebsübernahmen im Lebensmittelhandwerk weiter abnehmen. Ich möchte
dazusagen: Metzger und Bäcker, das sind Knochenjobs mit unattraktiven Arbeitszeiten. Und Sie wollen da noch weitere Belastungen draufsetzen?