Protocol of the Session on March 19, 2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es scheint, dass Nordrhein-Westfalen in der Betrachtung zukünftiger Flächenbedarfe wohl doch nicht so falsch liegt. Ich denke, dass es heute hier auch nicht um ein politisches Lippenbekenntnis geht, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit einer begrenzten Ressource.

Liebe Kollegen von CDU und FDP, Ihr ganzer Antrag basiert auf einer einzigen Stellungnahme, nämlich der der Clearingstelle Mittelstand, die mehrfach zitiert wird,

(Dietmar Brockes [FDP]: Wer ist denn da al- les drin?)

und ein bisschen McKinsey, aber noch nicht einmal das aktuelle Gutachten von 2014, sondern von 2013.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Stellungnahme der Clearingstelle ist zweifelsohne wichtig und bedarf einer fachlichen Würdigung sowie einer intensiven Auseinandersetzung. Sie ist aber auch nicht die Bibel.

Aufgabe der Politik ist es, unterschiedliche Nutzungsansprüche an den Raum einem belastbaren Abwägungsprozess zu unterziehen, der den Ansprüchen von Nachhaltigkeit als Leitmotiv und Rechtssicherheit gerecht wird.

Belange der Wirtschaft sind integrale Bestandteile der fachlichen Auseinandersetzung und bedürfen – da bin ich nicht auf Ihrer Seite – keines eigenen Kapitels, um die Wertigkeit der Wirtschaft zu betonen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Aha!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?

Ich habe noch zwei Sätze; dann bin ich fertig und stehe ich gerne zur Verfügung. – Achim Vanselow vom Deutschen Gewerkschaftsbund – der DGB wirkt in der Clearingstelle mit; das sollte Ihnen bekannt sein – wird am 23. Februar 2015 in der „Rheinischen Post“ zu dem Entwurf wie folgt zitiert:

„Die Fundamentalkritik, die da jetzt von einigen Seiten kommt, trägt wenig dazu bei, die Landesplanung zukunftsfest zu machen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Eine Schlussfrage lassen wir heute ausnahmsweise einmal zu, weil bald Weihnachten ist.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Ellerbrock, bitte.

Herr Kollege Goldmann, stimmen Sie denn meiner Einschätzung zu – bei Ihren Ausführungen unterstelle ich ein konstruktives Denken –,

(Herbert Franz Goldmann [GRÜNE]: Danke sehr!)

dass es selbstverständlich ist, dass unsere Aussagen im Landesentwicklungsplan sachlich gerechtfertigt sind, dass wir aber auch dafür verantwortlich sind, dass diese Aussagen vom Empfänger richtig verstanden werden, und es deswegen zwingend notwendig ist, die wirtschaftlichen Belange in besonderem Maße aufzuarbeiten und zu betonen?

Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Das erklärt letztendlich den relativ langen Zeitraum – es ist angesprochen worden –, in dem die rund 1.400 Stellungnahmen eingegangen sind, deren Auswertung dann zu einer belastbaren Darstellung führen muss. Genau das ist der Anspruch. Es ist wichtig, die einzelnen eingegangenen Einwendungen fachgerecht zu bewerten und dann in einem ja wahrscheinlich zu erwartenden weiteren Entwurf und Auslegungsverfahren für alle Beteiligten rechtssicher zu präsentieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Goldmann. – Beim nächsten Mal, Herr Ellerbrock, machen wir eine Kurzintervention daraus. Dann kann man das im Anschluss besser darlegen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aber es ist ja ein großzügiger Präsident kurz vor Weihnach- ten!)

Ansonsten müssen wir immer Geschenke machen. Das nächste Fest ist übrigens nicht Weihnachten, sondern Ostern. Zu Ostern haben wir das heute von hier oben erlaubt. Am Schluss einer Rede noch eine Frage anzuschließen, ist eher ungewöhnlich. Deswegen weise ich darauf hin.

Nun kommt als nächster Redner für die Piratenfraktion Herr Bayer. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frohe Ostern, liebe Kolleginnen und Kolle

gen! Verehrte Bewohnerinnen und Bewohner Nordrhein-Westfalens!

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Liebe Schiffbrüchige!)

Der Landesentwicklungsplan ist für Sie. Stellen Sie sich mal eine Landkarte vor, in der ausschließlich Industrie- und Gewerbeflächen aufgemalt sind, und Sie müssten sich daran im Land orientieren, ohne Straßen, Berge, Flüsse, Täler, Kirchen, Kulturdenkmäler oder Baggerseen. Damit wäre eine Orientierung schwer, eine Planung noch viel mehr.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was ist das für eine Märchenstunde hier?)

Aber genau das scheinen CDU und FDP vom Landesentwicklungsplan zu wollen, obwohl mit jedem Einwurf klarer wird: Schwarz und Gelb wollen eigentlich gar keinen Landesentwicklungsplan. Deshalb hat sich der jetzige Entwurf wohl auch bis 2013 verzögert. Das vorgebrachte Märchen ist, dass ein Landesentwicklungsplan, der irgendwelche planerischen Aspekte oder Vorgaben des Staates enthält, der Wirtschaft im Land schade. Aber das Gegenteil ist der Fall!

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP])

Die Ziele des Landes ordentlich festgeschrieben führen zu verlässlichen Herausforderungen und damit zu Kreativität und Innovationen in der Wirtschaft. Ohne Ziele und Herausforderungen verlässlich dargelegt zu haben, wird eine gute Wirtschaft in NRW schwach und anfällig wie ein Organismus in steriler Umgebung. Herr Wüst hat Zahlen genannt, wohin das führt, sie nur falsch interpretiert.

Einen Landesentwicklungsplan, der aus vermeintlicher Wirtschaftsfreundlichkeit überall da, wo es ernst wird, nichts sagt, im Ungefähren bleibt, keine Vorgaben macht und beliebig bleibt, können wir uns gleich schenken. Gerade im Landesentwicklungsplan müssen die Ziele des Landes zum Klimaschutz, zur Energie- und Flächenpolitik, zur Entwicklung im Raum, zur Verkehrs- und Umweltpolitik sichtbar werden. Wo auch sonst? Es ist daher überaus wichtig, den Klimaschutzplan im LEP zu verankern, weil solche Pläne andererseits überhaupt keinen Sinn machen.

Wir Piraten schimpfen auf die Landesregierung, dass sie an der Stelle nicht mehr tut. Der Landesentwicklungsplan ist kein reines Instrument der Standortpolitik, sondern ein Instrument, um die sozialen, gesellschaftlichen, klimapolitischen und alle weiteren Ziele des Landes mit Raumbezug darzustellen. Dazu gehören auch wirtschafts- und verkehrspolitische Ziele.

Die Antragsteller wollen das Ziel „flächensparende Siedlungsentwicklung“ streichen, ein längst und über Parteigrenzen hinweg anerkannter Grundsatz, flächenschonend zu wirtschaften, den fortdauernden Verbrauch von Boden zunächst zu bremsen

und perspektivisch zu beenden. Was ist falsch daran in einem Land, in dem in wenigen Jahrzehnten möglicherweise über 2 Millionen Menschen weniger leben werden als heute? Wo gibt es denn Konzepte der Wirtschaft, freiwillig flächensparend zu agieren? Ohne Regeln werden frische Flächen besetzt, müssen andere Flächen auf Kosten der Steuerzahler aufwendig saniert werden.

Interessant ist die mit dem Antrag transportierte Auffassung, man könne den LEP wörtlich und ernst nehmen. Dabei zeigt doch das praktische Handeln der Landesregierung bisher, dass man es so ernst dann leider doch wieder nicht meint. Zielabweichungen sind inzwischen schon fast eine Fingerübung geworden. Da werden die schlimmsten Umweltverbrechen und Planungsfehler im Nachhinein gegen den Widerstand der Bevölkerung, gegen die eigene Position durchgedrückt, als ob das nichts wäre.

Was mich ärgert, ist: Mit dem LEP-Entwurf liegt uns ein Papier vor, das an keiner Stelle wirklich radikal ist, das nichts weiter als ein schlechter bis mittelmäßiger Kompromiss zwischen den als erforderlich erachteten Zielen und der lautstarken Macht üblicher Interessengruppen ist.

Es gibt allerdings einen Punkt, an dem wir den Antragstellern teilweise beipflichten: Frau Kraft oder – in Vertretung – Frau Ministerin Schwall-Düren, beenden Sie den fruchtlosen Streit in Ihrer Koalition. Aber beenden Sie ihn nicht so, wie die Antragsteller das wollen, indem Sie den Landesentwicklungsplan faktisch suspendieren, sondern indem Sie ihn als einen Plan ernst nehmen, der diesen Namen verdient. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Bayer. – Nun spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren in Vertretung der Ministerpräsidentin Frau Kraft. Bitte schön, Frau Dr. Schwall-Düren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Gerne ergreife ich die Gelegenheit, zum Aufstellungsverfahren des Landesentwicklungsplans zu berichten.

Die Staatskanzlei hat ein außerordentlich transparentes und bürgerfreundliches Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Behörden durchgeführt. Dabei sind ca. 10.000 Anregungen eingegangen. Die Landesplanungsbehörde ist zurzeit sehr intensiv damit befasst, sich mit den eingegangenen Stellungnahmen auseinanderzusetzen, die unterschiedlichen Interessen zu gewichten und einen das Land voranbringenden Konfliktausgleich zu erreichen. Denn darum geht es. Man kann auch

schon an den Stellungnahmen hier im Hause sehen, dass es von den Piraten auf der einen Seite bis zur CDU auf der anderen Seite ganz unterschiedliche Interessen gibt.

Meine Damen und Herren, im Rahmen dieses Verfahrens war auch eine Stellungnahme der Clearingstelle Mittelstand einzuholen, die, wie Sie wissen, seit Kurzem vorliegt. Die Clearingstelle Mittelstand hat auf der Grundlage des LEP-Entwurfs vom 25. Juni 2013 die Stellungnahme unter Beteiligung der nach dem Mittelstandsförderungsgesetz an Clearingverfahren beteiligten Institutionen erarbeitet. Dazu zählen zum Beispiel die IHK NordrheinWestfalen, der Städtetag, der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, der Landkreistag, die Landesvereinigung der Unternehmensverbände.

Abgesehen vom Verband Freier Berufe, der auch der Clearingstelle angehört, hatten diese Institutionen im Zuge des Beteiligungsverfahrens zum LEP bereits Einzelstellungnahmen abgegeben, mit denen sich die Landesplanungsbehörde ohnehin auseinandersetzt. Durch die Bündelung bekommt die Stellungnahme selbstverständlich noch einmal ein besonderes Gewicht.

Meine Damen und Herren, zu nahezu jedem Thema gibt es Stellungnahmen, die abhängig von der individuellen Interessenlage und Betroffenheit strengere oder weniger strikte raumordnerische Festlegungen erfordern. Das liegt auch in der Natur der Sache. Dabei kann niemanden überraschen, dass die Kommunen, die Industrie, die Land- und Forstwirtschaft, der Naturschutz oder der Landessportbund, um nur einige zu nennen, unterschiedliche Vorstellungen zur künftigen Raumnutzung haben und dies in ihren Stellungnahmen ausdrücken.

Die Landesregierung verfolgt mit dem LEP das Ziel, auf veränderte Rahmenbedingungen wie den demografischen Wandel, die Energiewende und – ja – auch den Klimawandel zu reagieren. Nach dem gesetzlichen Auftrag von § 1 Raumordnungsgesetz ist der Landesentwicklungsplan aber nicht der Plan allein für die Wirtschaft. Es besteht der gesetzliche Auftrag, unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen, auftretende Konflikte auszugleichen und Vorsorge für einzelne Nutzungen zu treffen.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, ist die Landesplanungsbehörde dafür offen, auch Änderungen am LEP-Entwurf vorzunehmen und den Landesentwicklungsplan zu verbessern. Wozu