Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht haben Sie es auch in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen: ALDI Nord hat bekanntgegeben, dass es seine Produktpalette im Biobereich erheblich ausbauen wird. Das zeigt noch einmal deutlich, dass die Biobranche eine Wachstumsbranche ist. Der Markt zeigt dies unzweifelhaft. Es gibt deutlich überdurchschnittliche Wachstumsraten und zuletzt einen Jahresumsatz von ca. 7,91 Milliarden € in Deutschland.
Wir möchten, dass das Marktpotenzial im gesamten Lebensmittelmarkt mehr von deutschen Bioprodukten – bio und regional ausgerichtet an einer res
sourcenschonenden Produktionsweise sowie der Nachhaltigkeit verpflichtet – beschickt wird. Damit in Zukunft noch mehr deutsche Landwirte vom dynamischen Marktwachstum profitieren können, bedarf es unter anderem eines verlässlichen und eindeutigen europäischen Rechtsrahmens.
Meine Damen und Herren, die EU-Ökoverordnung 834/2007 – so heißt sie – definiert gegenwärtig die Standards, nach denen in der Europäischen Union erzeugte und in die EU importierte Biolebensmittel produziert, verarbeitet und vermarktet werden müssen. Die Verordnung schützt die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschungen und verhindert gleichzeitig einen unfairen Wettbewerb. Sie ist auch die Basis für das Biosiegel.
Mit der Revision der EU-Ökoverordnung soll aber der bisher bewährte Ansatz einer Prozesskontrolle von Bioprodukten aufgegeben und durch eine Produktkontrolle ersetzt werden.
Meine Damen und Herren, die Prozesskontrolle ist aber nach unserer Ansicht das Herzstück des ökologischen Landbaus. Künftig sollen für Biolebensmittel nicht mehr die regulären Schwellenwerte für Rückstände und Kontaminationen gelten. Dies ist eine Abkehr von der Bewertung der ökologischen Produktionsweise inklusive ihrer positiven Wirkung auf Nutztiere, Ressourcen, Umwelt und Artenvielfalt.
Im Ergebnis führt dies zu zwei unterschiedlichen Standards der Lebensmittelsicherheit. Konventionelle Waren dürfen weitaus höher belastet sein als ökologisch produzierte Lebensmittel.
Darüber hinaus sollen Ökolandwirte dazu verpflichtet werden, die Kontaminierung durch unzulässige Stoffe zu vermeiden. Das bedeutet, dass sie auch für Kontaminationen mit Pflanzenschutzmitteln haften, deren Einsatz sie nicht beeinflussen können. Das stellt das Verursacherprinzip auf den Kopf. Es werden die bestraft, die Pestizide und Co nicht einsetzen.
Meine Damen und Herren, beim ökologischen Landbau kommt es nicht darauf an, welche Rückstände am Ende nachgewiesen, sondern auf welche Art und Weise die Tiere gehalten und die Feldfrüchte angebaut werden. In der Konsequenz wäre die Bioproduktion in bestimmten Gebieten nicht mehr möglich, die Produktion würde rar und teuer und schafft damit keine Anreize für Landwirte, auf den Bioanbau umzusteigen – und das bei den eingangs erwähnten Wachstumszahlen.
Wir brauchen auch in Zukunft eine Kontrolle der Prozesse. Wir lehnen Schwellenwerte ab. Landwirtschaftliche Betriebe brauchen mehr Sicherheit und Entwicklungsmöglichkeiten.
Und es bedarf entsprechender Regeln für mehr Sicherheit bei Importen von Bioprodukten aus NichtEU-Ländern.
Wir möchten unseren Landwirtschaftsminister mit einem klaren Votum für die heute beginnende Agrarministerkonferenz ausstatten mit dem Ziel, dass es ein deutliches Votum der Agrarministerkonferenz nach Brüssel gibt, die Totalrevision der EUÖkoverordnung abzulehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir waren als Ausschuss im Februar – Herr Busen, ich weiß gar nicht, ob Sie mit dabei waren – auf der BIOFACH in Nürnberg. Ich glaube, es war für alle, die an dieser Ausschussfahrt teilgenommen haben, unglaublich überraschend, welch boomender Markt das ist – das sagen auch alle Kolleginnen und Kollegen, die mitgefahren sind – und welches Potenzial dahintersteckt. Es ist ein Markt, der der Landwirtschaft und dem Handel enorme Chancen bietet, die man nicht aufs Spiel setzen sollte, indem man am Ende durch Skandale das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder verliert.
Ich freue mich, dass wir heute einen gemeinsamen Antrag in der Breite des Landtags hinbekommen haben. Das zeigt, wir meinen parteiübergreifend, dass der Weg ein anderer sein muss als der, den die EU mit der Ökoverordnung gehen will.
Meine Damen und Herren, Lebensmittelskandale haben uns in den letzten Jahren, seitdem ich 2010 in den Landtag gewählt worden bin, im konventionellen, aber auch im Biobereich immer wieder beschäftigt. Die Ursachen sind wohl in beiden Bereichen sehr ähnlich. Wir haben mittlerweile unglaublich verästelte lange Handelswege. Die direkten Beziehungen zwischen Erzeuger und Konsumenten sind heute einfach nicht mehr da. Es gibt in den einzelnen Zwischenstufen sehr viele Möglichkeiten, irgendwelche Umdeklarationen vorzunehmen oder fehlerhafte Produkte einzuarbeiten, Dinge mit einzuarbeiten, die eigentlich nicht in die Waren gehören.
Das andere ganz spezielle Problem im Biobereich ist: Es ist höchst lukrativ, konventionelle Ware zu Bioware umzuwidmen und im Handel einen erheblichen Mehrwert zu erzielen. Das heißt, es gibt für Betrüger einen massiven Anreiz, aktiv zu werden, weil sie riesengroße Gewinne machen können.
Deswegen brauchen wir unbedingt ein effektives Kontrollsystem für die Produktion und den Lebensmittelhandel.
Ich will auch noch ganz praktisch sagen: Wir wissen, dass die Kontrollen in den Ländern unterschiedliche Qualität haben. Kollege Hubertus Fehring ist jetzt nicht da, aber von seinem Hof würde ich zum Beispiel Futtergetreide ohne Bedenken kaufen. Da bin ich mir sicher, dass ich gute Ware bekäme. Wenn die Ware aus der Ukraine kommt, …
Ja, so weit gehe ich. – Aber wenn die Ware aus der Ukraine oder aus Rumänien kommt, ist das Misstrauen um einiges höher. Das macht deutlich, dass wir im Kontrollsystem nacharbeiten müssen. Die Kontrollen müssen da besser werden.
Das zeigt unser großes Problem: Es ist vor allem Importware, die in den vergangenen Jahren immer wieder für Schwierigkeiten gesorgt hat. Wir müssen also bei Importware gerade aus Nicht-EU-Ländern für bessere Kontrollen sorgen. Genau an der Stelle bin ich nicht gegen den Weg von Rückstandskontrollen. Sie können eine gute zusätzliche Möglichkeit sein, Betrügereien aufzudecken.
Ich habe eben versucht, das anzudeuten: Innerhalb der EU kommt es darauf an – das haben wir auch als Beschlusspunkt –, dass die Kontrollen endlich einheitlich umgesetzt und in den Ländern der Europäischen Union nach einem einheitlichen Standard abgearbeitet werden, damit wirklich Vertrauen in die Produkte aus allen Ländern der EU vorhanden ist.
Da wir aber davon überzeugt sind, dass die EUÖkoverordnung insgesamt mit ihrem Kontrollsystem ein bewährtes und ein in den vergangenen Jahren gewachsenes Instrument ist, sind wir auf keinen Fall für eine Totalrevision. Wir wollen, dass die EUÖkoverordnung fort- und weiterentwickelt wird, die Schwachstellen ausgemerzt werden und auf die neuen Herausforderungen – ich habe sie angesprochen: die immer komplizierteren und langen Handelswege der Warenströme, auch bei Bioware – reagiert wird, damit wir diese Probleme in den Griff kriegen.
Wir wollen auch weiterhin eine Ökokontrolle, die den gesamten Betrieb, den gesamten Produktionsablauf in den Blick nimmt und guckt: Wie wird mit Tieren umgegangen? Wie wird auf dem Acker verfahren? Wir wollen keine Kontrolle, die lediglich das Endprodukt in den Blick nimmt.
Ich freue mich – das habe ich am Anfang gesagt –, dass wir eine so breite Mehrheit haben. Fast alle Fraktionen sind dem Antrag beigetreten. Dafür bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich.
Ich hoffe, dass wir am Ende des politischen Prozesses eine neue Verordnung haben werden, die das Gute aus der alten Verordnung mitnimmt, aber gleichzeitig auf neue Herausforderungen die richtige, passende Antwort gibt. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war noch bei den Mineralwasserleuten und habe Sie dort zusammen mit Herrn Minister mit vertreten; deshalb bin ich ein bisschen zu spät.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wir sind hier im Ple- num! – Zuruf von der SPD: Haben Sie noch einen getrunken?)
23.500 fast zu 100 % bäuerliche Familienbetriebe, davon circa 1.850 in Nordrhein-Westfalen, bewirtschaften in Deutschland circa 1.050.000 ha Acker- und Grünlandflächen nach den Richtlinien der EUÖkoverordnung.
Lag der Umsatz der Biobranche im Jahr 2006 noch bei 4,5 Milliarden €, so können wir für 2014 schon 7,6 Milliarden € feststellen. Eine Steigerung von 70 % in acht Jahren ist beachtlich und zeigt, dass es zunehmend Bürgerinnen und Bürger gibt, die bereit sind, mehr Geld für Nahrungsmittel auszugeben, die unter Einhaltung bestimmter, durch den Gesetzgeber definierter Vorgaben erzeugt werden.
Da der in Deutschland boomende Biomarkt nicht allein durch hier produzierende Landwirte gesättigt werden kann und außerdem nicht alle gewünschten Früchte bzw. Nahrungsmittel in Deutschland oder Europa wachsen, hat sich inzwischen eine internationale Erzeugung mit entsprechendem Handel entwickelt.
Die guten Absatzchancen für Bioprodukte in Europa und hier im Besonderen im Leitmarkt Deutschland haben in der Biobranche leider auch Marktteilnehmer mit krimineller Energie hervorgebracht. Unser bewährtes Mehrfachkontrollsystem hat diese Betrügereien zwar regelmäßig aufgedeckt, aber häufig waren die falsch deklarierten Lebens- bzw. Futtermittel längst verzehrt bzw. verfüttert.
Diese strafbaren Handlungen, diesen Betrug am Verbraucher gilt es zu verhindern. Die Verbraucher erwarten zu Recht, dass ihr Staat, der Gesetzgeber, seine Kontrollpflichten wirksam erfüllt.
Im gemeinsamen europäischen Binnenmarkt fällt diese Aufgabe inzwischen der EU-Kommission zu. Diese hat vor einem Jahr einen Vorschlag für die sogenannte Ökobioverordnung vorgestellt, der die Aufhebung und vollständige Ersetzung der in diesem Bereich gültigen EU-Verordnung anstrebt.
Grenzwerte für Rückstände im Ökolandbau ersetzen. Dieser Vorschlag wird aber aus deutscher Sicht dem Ökolandbau nicht gerecht und wird von einer Mehrzahl der Mitgliedsstaaten ebenfalls abgelehnt. Alle Landesvereinigungen für den Ökolandbau in Deutschland sowie der Deutsche Bauernverband lehnen die Totalrevision ab. Ich verweise hier auf die Nürnberger Erklärung; einigen von Ihnen wird das bekannt sein.
Brüssel sollte stattdessen die bisherigen Regelungen weiterentwickeln und vor allem die Biolebensmittel aus Drittstaaten schärfer im Auge haben. Bei Schiffsladungen bzw. großen Tonnagen sind Laboruntersuchungen sicherlich angezeigt und auch heute schon die Regel. Ferner brauchen wir einen EU-einheitlichen Vollzug und einen entsprechenden Kontrollmechanismus.