Wir haben die uns zur Verfügung stehende Zeit inzwischen auch deutlich überschritten, sodass wir leider keine Möglichkeit mehr haben, die beiden noch offenen Mündlichen Anfragen 62 und 63 heute zu behandeln. Deshalb möchte ich zunächst Frau Abgeordnete Schmitz fragen, ob sie damit einverstanden ist, dass ihre
- Auch nein. Damit finden wir auch die Mündliche Anfrage 63 auf der Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung wieder.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 16/8101
Ich eröffne die Aussprache und darf als erster Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Blask das Wort erteilen. – Bitte, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bedeutung der Freien Berufe für die Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. So sind in den Freien Berufen aktuell über 4,6 Millionen Erwerbstätige in Deutschland als Selbstständige, Beschäftigte oder Auszubildende beschäftigt. Allein auf Nordrhein-Westfalen entfallen über 900.000 Erwerbstätige, die zum Beispiel als Ärzte, als Altenpfleger, als Dozent, als Journalist oder als Künstler tätig sind.
Mit ihren Tätigkeiten tragen diese Menschen in den Freien Berufen zur Entwicklung und Sicherung unseres Gemeinwesens bei und versorgen die Bevölkerung mit notwendigen Dienstleistungen von hoher Qualität. Die Freien Berufe stellen entsprechend einen wichtigen Faktor für die Wirtschaft in NordrheinWestfalen, aber auch für das Leben aller Bürgerinnen und Bürger dar. Dies sollte in Zukunft auch so bleiben.
Doch die Europäische Kommission hat im Rahmen des vierten Europäischen Semesters analysiert, dass in Deutschland in den vergangenen Monaten die politischen Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs in den Freien Berufen und das Produktionswachstum in den freiberuflichen Dienstleistungen zu gering gewesen sei und entsprechend Spielraum bestehe, um die Entwicklungen der Beschäftigung in den Freien Berufen zu verbessern.
So seien insbesondere Architekten, Ingenieure und Anwälte zu stark reguliert und der Preiskampf durch die entsprechenden Gebührenordnung einge
schränkt. Im Hinblick auf die Zutrittsschranken zu den verschiedenen Berufen seien zudem die Pflichtmitgliedschaften in den Berufsverbänden bzw. Kammern zu überdenken oder die Zulassungsvoraussetzungen zu lockern.
Der hier vorliegende Antrag greift daher die zentralen Elemente der EU-Strategie zur Liberalisierung der Freien Berufe auf, um durch einen stärkeren Wettbewerb das Wachstum in den Freien Berufen zu stärken. Deshalb freuen wir uns sehr, dass es wie bei unserem Beschluss zum Meisterbrief gelungen ist, dass es einen weitgehend gemeinsamen Antrag gibt, damit wir gemeinsam die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen stärken können.
Hierbei bleibt allerdings zu beachten, dass die anerkannt hohe Qualität der Freien Berufe in Deutschland und des Verbraucherschutzes im Europäischen Binnenmarkt erhalten bleiben bzw. nicht geschwächt werden dürfen. Entsprechend muss ein Weg bei diesem Spagat zwischen der Förderung des Leistungs- und Qualitätswettbewerbs auf der einen und dem Erhalt von Qualitätsstandards zu
Der vorliegende Antrag berücksichtigt genau dies und fordert die Landesregierung auf, sich hierfür gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Kommission einzusetzen. Zudem fordern wir die Bundesregierung und die Europäische Kommission auf, das Fremdkapitalverbot und das System der Kosten- und Honorarordnung der Freien Berufe nicht infrage zu stellen. – Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Bergmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Europäische Binnenmarkt ist eine Erfolgsgeschichte schlechthin. Er gehört zu den weltweit größten Wirtschaftsräumen und ist für die nordrhein-westfälische Wirtschaft der größte Absatzmarkt. Ein funktionierender EU-Binnenmarkt liegt damit natürlich auch im Interesse unseres Landes Nordrhein-Westfalen.
Aber während wir im produzierenden Gewerbe massiv vom Binnenmarkt profitieren, gibt es im Dienstleistungssektor noch deutlichen Nachholbedarf. Die EU ist daher bemüht, rechtliche und bürokratische Hindernisse für die Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen abzubauen. Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt grundsätzlich dieses Ziel. Allerdings muss nordrhein-westfälische Politik darauf achten, dass auf dem Weg zum Ziel das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird und es zu – sagen wir einmal – Kollateralschäden kommt.
Erfolgreiche Wirtschaftspolitik zeichnet sich aus unserer Sicht dadurch aus, die Schwächeren an die Starken heranzuführen und nicht umgekehrt. Ziel europäischer Politik sollte es daher sein, Deutschlands Stärken quasi als Best-Practice-Beispiele auf andere Länder zu übertragen. Ein Absenken erfolgreicher deutscher Standards wäre hingegen kontraproduktiv für die gesamte EU. Deshalb darf es uns nicht gleichgültig sein, wenn die EU über die länderspezifischen Empfehlungen zum Europäischen Semester versucht, unsere Standards zu senken, anstatt erfolgreiche und bewährte Strukturen auf andere Länder zu übertragen.
Im Herbst 2013 haben wir hier bereits über einen solchen Versuch debattiert. Der Landtag sprach sich damals mit großer Mehrheit gegen Versuche aus, die Meisterpflicht im Handwerk weiter zu reduzieren. Aber nicht nur im Handwerk, auch in den Freien Berufen droht eine Absenkung von deutschen Standards durch das Europäische Semester und die Transparenzinitiative. Bereits im Juli letzten Jahres debattieren wir daher auf Initiative der CDU
über mögliche Auswirkungen der Transparenzinitiative und des Europäischen Semesters auf die Freien Berufe.
Die CDU-Fraktion freut sich, dass ausgehend von unserem damaligen Antrag eine große fraktionsübergreifende Initiative zur Unterstützung der Freien Berufe entstanden ist, deren Ergebnisse wir mit dem vorliegenden Antrag heute debattieren. Da dies so ist, zieht die CDU-Landtagsfraktion ihren Antrag Durchsache 16/6134 zurück und stimmt dem vorliegenden gemeinsamen Antrag zu. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schneckenburger.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Bergmann hat es eben schon angesprochen. Es ist in der Tat das zweite Mal, dass sich dieser Landtag anschickt, einen sehr breitgetragenen Antrag zu beschließen.
Der eine ist der Antrag aus dem letzten Jahr, in dem es um ein Bekenntnis zum Meisterbrief, vor allen Dingen zum Handwerk und zur Qualitätssicherung im Handwerk in Nordrhein-Westfalen ging – mit dem deutlichen Hinweis an die europäische Ebene, erreichte Standards in Deutschland nicht zu gefährden. Da hat auch die FDP eingeschlagen. Sehr schön!
Ich kann feststellen, dass es im Landtag NordrheinWestfalen offensichtlich in zwei ganz zentralen Feldern, nämlich bei der Handwerkspolitik und bei der Mittelstandspolitik, große Einigkeit gibt, dass die Opposition hier mit der Linie der Landesregierung und der Koalition einverstanden ist. Das ist sehr schön! Es gibt kleine, marginale Punkte, die von Oppositionsseite wirtschaftspolitisch ins Zentrum gestellt werden, wie geringfügige Differenzen bei der Einschätzung des Tariftreue- und Vergabegesetzes in Nordrhein-Westfalen. Aber in den großen Linien stimmen Sie mit uns überein. Und das ist ausgesprochen gut und schön.
Ich will Sie aber auf einen Punkt aufmerksam machen, bei dem ich nicht weiß, ob wir in der Konsequenz einer Auffassung sind. Es wäre allerdings ausgesprochen notwendig, dass wir da einer Auffassung sind.
Wir sind uns einig, dass es notwendig ist, Reglementierungen wie Gesetze und Verordnungen regelmäßig zu überprüfen. Es ist Aufgabe des Ge
setzgebers, zu gucken, ob sie noch zeitgemäß sind oder an veränderte politische Wirklichkeiten angepasst werden müssen.
Wir sind uns hoffentlich auch einig darin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, dass es Sinn macht, die Folgen von Deregulierung genau in den Blick zu nehmen. Ich freue mich, dass die FDP da jetzt eine gewisse Kurskorrektur vorgenommen hat, zumindest in der Handwerkspolitik und in der Mittelstandspolitik. Das war ja nicht immer so.
Vielleicht lassen Sie uns noch mal gemeinsam darauf gucken, was eigentlich im Moment passiert. Im Windschatten des Freihandelsabkommens TTIP wird verhandelt über das nicht minder gefährliche Abkommen TiSA, ein internationales Dienstleistungsabkommen. Darin soll es um Regelungen der internationalen Leiharbeit gehen, darum, dass Leiharbeiter weltweit, zum Beispiel von China nach Europa, entsendet werden können.
Ich glaube, es macht Sinn, auch an der Stelle noch mal draufzusehen: Was bedeutet TiSA eigentlich für unsere Handwerksunternehmen? Was bedeutet es für diejenigen, die einen qualitativ hochwertigen Abschluss gemacht haben, einen Meisterabschluss? Was bedeutet es für die Dienstleistungsberufe, für die Freien Berufe in Deutschland, in NordrheinWestfalen? Wie können die sich künftig auf dem Markt behaupten? Es wäre sehr sinnvoll, dass wir mal gemeinsam darauf sehen, was TiSA, Ceta und TTIP tatsächlich für die Dienstleistungsfreiheit bedeuten.
Können Sie ausschließen, dass zum Beispiel die Handwerksordnung im Rahmen dieser Handelsabkommen als klassische Marktzugangsschranke für Amerikaner und Kanadier gewertet wird? Können Sie das ausschließen? Wenn nicht, dann lassen Sie uns doch bitte an dieser Stelle die Debatte führen und zumindest die Risiken, die in dieser Form von Deregulierung und transnationalen Abkommen stecken, miteinander in den Blick nehmen.
Wir freuen uns heute jedenfalls, dass es gelungen ist, diesen gemeinsamen Antrag, dieses gemeinsame Bekenntnis zu einer vernünftigen Regulierung, zu vernünftigen Qualitätsstandards, zu vernünftigen Rahmenbedingungen für viele Berufszweige in Nordrhein-Westfalen zu formulieren.
Wir unterstützen die Freien Berufe in NordrheinWestfalen. Sie sind ein wesentlicher Pfeiler des Wirtschaftsgeschehens. 266.000 Menschen arbeiten in Nordrhein-Westfalen als Freiberufler. Die Tendenz ist eher wachsend; das zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte.
Sie tragen mit Beratungsleistungen, medizinischer Versorgung, kultureller Bildung bei zu einem wertvollen, wichtigen Wirtschaftsgeschehen in Nordrhein-Westfalen. Sie sind wichtige Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe. Sie sorgen dafür, dass Quali
fikation weitergeht in die nächste Generation. Sie sichern damit die Entwicklung und Existenz unseres Gemeinwesens und sind auch ein Garant der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge. Insofern ist es ein richtiges gemeinsames Signal des Landtags. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.