Protocol of the Session on March 18, 2015

17 Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes

des Landes Nordrhein-Westfalen (Melde- auflagen als polizeiliche Standardmaß- nahmen)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 16/5038

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses Drucksache 16/8073

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion dem Kollegen Heinrichs das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute einmal mehr darüber, wie sich die Sicherheit bei bedeutenden Fußballspielen, wie zum Beispiel beim kürzlich ausgetragenen Revierderby BVB gegen Schalke 04 in Dortmund, verbessern lässt. Das gilt auch für andere Großveranstaltungen.

Die CDU-Landtagsfraktion möchte erreichen, dass für die Meldeauflagen eine spezielle Ermächtigungsgrundlage in das Polizeigesetz aufgenommen wird. Darauf zielt Ihr Gesetzentwurf ab, über den wir heute in zweiter Lesung zu entscheiden haben.

Bislang stützt die Polizei den Erlass von Meldeauflagen auf die polizeirechtliche Generalklausel des § 8 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen. Das gilt in allen Bundesländern außer in Rheinland-Pfalz. Insbesondere die Ausführungen des Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange und des Bielefelder Professors Dr. Christoph Gusy im Rahmen der Anhörung haben eindeutig bestätigt, dass die polizeirechtliche Generalklausel weiterhin als Ermächtigungsgrundlage für Meldeauflagen ausreicht. Aus ihrer Sicht gibt es hinsichtlich der Meldeauflagen keine durch die heutige Gesetzeslage ausgelösten rechtlichen Schwierigkeiten, die nicht lösbar wären.

Probleme und Arbeit bereiten den Behörden vielmehr die von den Gerichten aufgestellten hohen Anforderungen, die bei einer verfassungsrechtlich so einschneidenden Maßnahme erfüllt sein müssen. Diese muss die Polizei daher in jedem Einzelfall prüfen. Die Einzelfallprüfung muss jeweils zu dem Ergebnis bzw. der Prognose geführt haben, dass ohne Meldeauflagen die konkrete Gefahr der Begehung einer Straftat durch die betreffende Person besteht.

Sehr geehrte Damen und Herren, diese hohe Hürde würde dann uneingeschränkt gelten, wenn die Meldeauflagen, speziell die Ermächtigungsgrundlage, diese strengen Anforderungen nicht aufgreifen würde. Das wäre dann verfassungswidrig.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vor dem Hintergrund stellt sich die Situation für die SPD-Landtagsfraktion wie folgt dar:

Erstens. Die Arbeit der Polizei würde durch die spezielle polizeiliche Ermächtigungsgrundlage für die Meldeauflagen nicht erleichtert. Auch würde sich ihr insoweit bestehender Handlungsspielraum nicht vergrößern.

Zweitens. Die Rechtssicherheit würde sich nicht erhöhen, sondern das Gegenteil wäre der Fall. Denn bei der Aufnahme einer speziellen Regelung in das Polizeigesetz bestünde die Gefahr, dass diese juristisch angefochten und von Gerichten dann möglicherweise als verfassungswidrig eingestuft würde.

Drittens. Die polizeirechtliche Generalklausel stellte bisher und stellt auch weiterhin eine ausreichende rechtliche Basis für das Erlassen notwendiger Meldeauflagen dar.

Noch etwas war in der zurückliegenden Anhörung sehr bemerkenswert: Gutachterin Frau Prof. Dr. Sabrina Schönrock von der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, räumte ein, dass die spezielle Ermächtigungsgrundlage in Rheinland-Pfalz nicht dazu geführt hat, dass sich dort die Zahl der verfügten Meldeauflagen erhöht hat. Das sagt doch eigentlich alles.

Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, es ist also nicht erkennbar, dass sich die Situation im Umfeld der Fußballstadien verbessern würde, wenn der Landtag das Polizeigesetz so, wie von Ihnen gefordert, ändern bzw. ergänzen würde. Wir sollten uns in diesem Hohen Hause auch in Zusammenarbeit mit den Vereinen weiter um geeignete Schritte und Instrumente bemühen, um das Ziel zu erreichen. Da sind wir – davon bin ich überzeugt – auf einem sehr guten Weg. Die SPDLandtagsfraktion wird also gegen den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion stimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Heinrichs. – Für die Fraktion der CDU spricht nun der Kollege Golland.

(Zuruf)

Sie haben es erkannt. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommt Qualität in die Debatte, sagt unser grüner Vertreter. Das freut mich natürlich. Da haben Sie völlig recht.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Eine Meldeauflage ist nach gängiger Definition des Bundesverwaltungsgerichts ein Gebot der Polizei oder Ordnungsbehörde an den Betroffenen, sich einmal oder mehrmals täglich entweder zu einem

bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums unter Vorlage eines gültigen Personaldokuments bei einer Polizeibehörde einzufinden. Dabei wird dem Adressaten in der Regel aufgegeben, sich bei einer Dienststelle in der Nähe seines Wohnorts zu melden.

Zu den typischen Anwendungsfällen gehört die Abwehr von Gefahren, die im Umfeld großer Sportveranstaltungen etwa von Hooligans ausgehen. Denn wer sich beispielsweise an einem Samstag um 15:30 Uhr bei seiner örtlichen Polizeiwache einfinden muss, kann logischerweise nicht zeitgleich bei einem Fußballspiel randalieren.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Aber abends um 18 Uhr dann!)

Im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz existiert für die Verhängung von Meldeauflagen bislang keine spezielle Ermächtigungsgrundlage. Stattdessen werden Meldeauflagen in Nordrhein-Westfalen auf die polizeirechtliche Generalklausel des § 8 Polizeigesetz NRW gestützt.

Aus rechtlicher Sicht – das ist auch in der Anhörung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf deutlich geworden – stößt diese Praxis zunehmend auf Kritik. Ich verweise dazu auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Sabrina Schönrock von der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, die in Ihrer Stellungnahme 16/2030 sehr deutlich gemacht hat, dass es an der Zeit ist, das Instrument der Meldeauflage endlich gesondert im Polizeigesetz zu regeln.

Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum es beispielsweise für die Platzverweisung oder die Vorladung spezielle Ermächtigungsgrundlagen im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz gibt, für die Meldeauflage aber nicht, obwohl die Meldeauflage für die Betroffenen einen ungleich intensiveren Grundrechtseingriff bedeutet als eine Platzverweisung oder eine Vorladung.

Auch seitens der Polizei ist in der Vergangenheit mehrfach beklagt worden, dass es für die konsequente Verhängung von Meldeauflagen in Nordrhein-Westfalen an klaren gesetzlichen Vorgaben fehle.

So forderte beispielsweise der stellvertretende NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, am 29. Januar 2014 in einem Interview mit „WDR 2“, das Instrument der Meldeauflage müsse endlich – ich zitiere – „auf rechtlich gesicherte Füße gestellt werden.“

Meine Damen und Herren, wenn Wissenschaft und Praxis in diesem Bereich Handlungsbedarf sehen, dann muss die Politik reagieren. Aus diesem Grund hat die CDU-Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht, der die Einführung einer speziellen Rechtsgrundlage für die Verhängung von Meldeauflagen im Polizeigesetz des Landes Nordrhein

Westfalen vorsieht. Wir haben uns dabei an einer Vorschrift aus Rheinland-Pfalz orientiert. Dort ist das Instrument der Meldeauflage im Jahr 2011 bundesweit erstmals als Standardmaßnahme in einem Polizeigesetz normiert worden, übrigens auf Initiative der SPD.

Auch der nordrhein-westfälische Innenminister, Ralf Jäger, hat sich noch vor einem Jahr für eine solche Rechtsgrundlage aufgeschlossen gezeigt. Ich darf dazu Herrn Minister Jäger aus der Plenardebatte vom 29. Januar 2014 zitieren. Damals sagte er:

„Zu den Meldeauflagen würde ich als zuständiger Minister für Polizei gerne sagen: Man kann sich eine andere Rechtsgrundlage vorstellen, mit der die Polizei effektiver und schneller Meldeauflagen verfügen kann.“

(Minister Ralf Jäger: Das ist etwas ganz an- deres!)

Nachlesbar im entsprechenden Protokoll.

Meine Damen und Herren, genau diesem Ziel trägt der vorliegende Gesetzentwurf der CDU-Fraktion Rechnung. Er schließt eine Lücke im nordrheinwestfälischen Polizeigesetz und schafft dadurch Rechtssicherheit für die Polizei und für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Lassen Sie uns deshalb dem Beispiel des Landes Rheinland-Pfalz folgen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Golland, ich hatte noch ein bisschen auf eine Steilvorlage für meine Rede gehofft, aber die haben Sie mir leider nicht geliefert. Ich will einen Punkt aufgreifen. Sie sprachen gerade von der Polizei und haben einen Gewerkschaftsvertreter zitiert. Ich will noch einmal sagen, dass die Gewerkschaften nicht die Polizei sind, sondern es ist ein Teil. Es sind diejenigen, die die Interessen von Polizeibeamtinnen und -beamten vertreten.

Wir hatten in der Anhörung – das ist von meinem Kollegen gerade schon ausgeführt worden – zum Beispiel den Polizeipräsidenten aus Dortmund, der sehr anschaulich aus der Praxis berichtet hat, was es konkret bedeutet, Meldeauflagen, aber zum Beispiel auch Bereichsbetretungsverbote anzuwenden, was in Dortmund sehr häufig getan wird.

Die Meldeauflagen – das ist hier schon hinreichend dargestellt worden – werden auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel angewandt. Das ist nach

wie vor rechtlich so möglich und ist von den Gerichten bisher auch nicht beanstandet worden.

Herr Lange genauso wie Herr Gusy hatten es sehr explizit in der Anhörung gesagt, dass es keine Notwendigkeit für eine spezialgesetzliche Regelung gibt, die durchaus ein Grundrechtseingriff ist. Denn es heißt, dass man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einer bestimmten Polizeidienststelle melden muss. Die Voraussetzungen dafür sind mittlerweile durch die Rechtsprechung so herausgearbeitet und die Anforderungen bei der Polizei hinlänglich bekannt, dass es im Prinzip keine spezialgesetzliche Normierung mehr geben muss, weil die Voraussetzungen klar sind. Insofern sehen wir als Grüne keine Notwendigkeit, das Polizeigesetz entsprechend zu ändern.

Herr Golland, ich will noch an eines erinnern: Wir diskutieren hier immer über das Thema „Fußball“. Aber natürlich wird ein solches Gesetz nicht nur im Bereich Fußball angewandt, sondern eine Meldeauflage könnte auch für Bürgerinnen und Bürger außerhalb des Fußballs gelten. Aber Ihre Begründung spielt nur auf den Bereich Fußball an. Das finde ich ehrlich gesagt hochproblematisch.

(Gregor Golland [CDU]: Sagen Sie ein Bei- spiel!)

Sie wollen hier im Prinzip eine Lex Fußball schaffen, aber Sie wissen ganz genau, dass es überhaupt nicht notwendig ist, einmal abgesehen davon, dass wir es rechtlich nicht brauchen.

Ich finde es nach wie vor problematisch, was Sie hier wollen. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf auch ablehnen. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Meldeauflagen. Das will ich auch noch einmal sagen. Solange sie verhältnismäßig angewandt werden, kann man das tun.

Aber Meldeauflagen sind kein Allheilmittel, sondern können nur ein Baustein sein gegen diejenigen, die den Fußball missbrauchen. Zum Glück ist es nur eine kleine Gruppe von gewalttätigen Personen, die das tut. Aus grüner Sicht muss auch weiterhin der Dialog mit Vereinen, mit Fans und mit Polizei im Vordergrund stehen. Daran werden wir auch in Zukunft arbeiten. – Vielen Dank.