Protocol of the Session on September 13, 2012

(Beifall von der FDP und der CDU)

Von seinem Schreibtisch aus wird dann über Industrieansiedlungen und die Ausweisung landwirtschaftlicher Flächen entschieden. Dann haben wir genau das, was wir schon im Wahlkampf beklagt haben, und es wird sich noch verschärfen: In Ihrem Kabinett hat der rote Wirtschaftsminister gar nichts und der grüne Umweltminister alles zu sagen. Das ist falsch für die Industriearbeitsplätze, für die Sie sich doch eigentlich einsetzen wollen, Frau Kraft.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir sichere Arbeitsplätze im Industrieland Nordrhein-Westfalen verteidigen wollen, dann wird es darauf ankommen, die Rahmenbedingungen insbesondere für die kleinen und mittleren Betriebe in Nordrhein-Westfalen zu stärken. In der mittelfristigen Finanzplanung dieses Landes findet sich die bemerkenswerte Formulierung, dass Sie entschlossenes konjunktur- und wachstumspolitisches Handeln vorantreiben wollen.

Für mich ist es ein Rätsel, was damit gemeint sein soll: Sind das die angekündigten Steuererhöhungen? Ist das die als Investition im Haushalt verbuchte Milliarde für die WestLB? Oder wollen Sie alles aus den europäischen Förderprogrammen, was die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen verbessern soll, streichen? Ich weiß nicht, was genau Sie unter „Wachstumspolitik“ verstehen. Jedenfalls ist das, was Sie vorhaben, keine Politik, die Wachstum und Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen fördert, Frau Kraft.

(Beifall von der FDP)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung in diesem Zusammenhang den Unternehmer Michael Otto zitiert, der eine beeindruckende wirtschaftliche Lebensleistung vorzuweisen hat. Vor seinem kulturellen und karitativen Engagement haben wir Respekt. Aber, Frau Kraft, wenn Sie einen mehrfachen Milliardär als Gewährsmann für Ihre Wirtschaftspolitik zitieren, dann verstehe ich, warum Sie von der Situation des Mittelstands in Nordrhein-Westfalen keine Ahnung haben. Die haben nämlich andere Sorgen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Man kann doch nicht allen Ernstes davon ausgehen, dass dieser bunte Reigen von Steuererhöhungen, von der Vermögensteuer bis zum Einkommensteuer-Spitzensteuersatz, den Sie vom Bund fordern, und auch all das, was Sie in NordrheinWestfalen bereits umgesetzt haben, ohne Auswirkungen auf die Konjunktur bleibt.

Welche Naivität spricht beispielsweise aus Bemerkungen des sozialdemokratischen baden

württembergischen Wirtschaftsministers, der gesagt hat, er wolle mit der Vermögensteuer an die Villen, Yachten und Juwelen der Reichen heran? Über diese Naivität stöhnt sogar die Deutsche SteuerGewerkschaft, weil eine solche Vermögensteuer überhaupt nicht administrierbar ist.

Der Finanzminister dieses Landes wird von der „dpa“ zitiert, er wolle – Achtung! – an das Geld ran, das in Unternehmen versteckt ist. Herr Finanzminister, wissen Sie, wie dieses Geld, das in Unternehmen versteckt ist, heißt? Es heißt Eigenkapital.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wer den Mittelstand schwächt, den wir brauchen und der die Stabilität unseres Landes ausmacht, der schwächt unser Land insgesamt. Lieber Norbert Walter-Borjans, Ihre Motive als Robin Hood vom Rhein mögen edel sein, die Auswirkungen am Arbeitsmarkt aber wären verheerend. Deshalb legen Sie diese Pläne zu den Akten!

(Beifall von der FDP)

Ein wirtschaftlich dynamisches Nordrhein-Westfalen braucht natürlich Investitionen in die Infrastruktur. Die Frau Ministerpräsidentin hat eine ganze Reihe von richtigen und wichtigen Vorhaben mit Blick auf die Infrastrukturpolitik vorgestellt, die unsere Unterstützung finden; ich denke an den Eisernen Rhein und anderes mehr. Das allein wird allerdings nicht ausreichen. Wir werden bis zum Jahr 2020 eine Steigerung des Güterverkehrs in Nordrhein

Westfalen von etwa 60 % haben. Wer heute schon auf der A 3 im Stau steht, der vermag sich gar nicht vorzustellen, dass es noch mal eine drastische Steigerung auch des Transitverkehrs durch Nordrhein-Westfalen auf unseren Bundesautobahnen und Bundesstraßen geben wird.

In dem Zusammenhang – Sie haben es in Ihrer Regierungserklärung nicht im Detail ausgeführt, aber im Koalitionsvertrag ist es dafür umso klarer – eine Doktrin „Erhalt statt Neubau“ auszusprechen, Frau Kraft, ist angesichts dieser Steigerung des Verkehrs auf der Straße die Ankündigung des Verkehrsinfarkts der Zukunft.

(Beifall von der FDP)

Nordrhein-Westfalen braucht auch weiter Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Ich habe die Befürchtung, dass wir in Nordrhein-Westfalen wieder in eine Situation kommen, wie wir sie bei der Übernahme der Regierungsverantwortung 2005 hatten. Auch damals gab es kein Baurecht mehr, weil die vorherige rot-grüne Landesregierung von 1995 bis 2005 im Grunde keine neuen Bauvorhaben mehr planen wollte.

Im Ergebnis konnten selbst die vom Bund für Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Mittel nicht mehr verbaut werden. Da sind dann – im Bild gesprochen – Lkw-Ladungen mit 100-€-Scheinen nach Niedersachsen, Bayern und in die neuen Bundesländer gefahren. Herr Groschek ist derjenige, der schon mit der Start-Ziel-Flagge bereitsteht, wenn sich diese Lkws wieder in Bewegung setzen würden. Das aber darf nicht passieren. Verkehrsinfrastruktur muss auch weiterhin in NordrheinWestfalen gebaut und entwickelt werden. Das sind

die Lebensadern unseres Landes. Wer die blockiert, der führt unser Land in den Infarkt.

(Beifall von der FDP)

Frau Kraft, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes hätte ich mir gewünscht, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung ein klares Bekenntnis zum Bürokratieabbau aussprechen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie klare Prioritäten bei der Investition in Infrastruktur beschreiben. Nach den Ankündigungen von Herrn Duin im Sommer hätte ich es für erforderlich gehalten, dass Sie hier und jetzt der Initiative des Freistaats Sachsen für eine marktwirtschaftliche Reform des Erneuerbare-Energien

Gesetzes beitreten.

Aber nichts von alledem ist passiert. Vor allen Dingen, sehr verehrte Frau Ministerpräsidentin, zeigt dies, dass der Geist Ihrer Politik im Haushalt wie auch im wirtschaftspolitischen Bereich „Verteilen vor Erwirtschaften“ ist. Wir aber alle wissen: Alles, was Sie an Wohlstand verteilen wollen, muss zuerst erwirtschaftet werden. Dafür benötigen die Menschen Rahmenbedingungen, die Sie ihnen verweigern. Das wird unser Land teuer zu stehen kommen.

(Beifall von der FDP und Ilka von Boeselager [CDU])

Ich will noch zu einem dritten Thema sprechen: Wie stärken wir die Einzelnen in der offenen Gesellschaft? – Ein kultureller Horizont, praktische Lebenstüchtigkeit im Alltag und eine beruflich verwertbare Qualifikation sind die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und Armut. Deshalb brauchen wir eine Politik, die in der Bildung Prioritäten setzt.

Ich will am Anfang der Bildungsbiographie beginnen, bei der Betreuung kleiner Kinder. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gestern gesagt – ich zitiere Sie wörtlich –, in der U3-Betreuung sei Nordrhein-Westfalen „noch nicht führend“.

(Heiterkeit von der FDP)

Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Lageanalyse für den Tabellenletzten: „noch nicht führend“!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich will das hier nicht so lapidar abhandeln. Das ist eine Kraftanstrengung für Bund, Länder und Kommunen. Ich will auch gar nicht parteipolitisch diskutieren, wer welche Versäumnisse hat oder nicht.

(Zurufe von der SPD)

Wenn Sie es wollen, kann ich noch einmal die Zahlen ausbreiten, mit denen wir im Jahr 2005 angefangen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Übrigens können Sie so unzufrieden mit der Politik damals gar nicht gewesen seien, denn der Beamte, der zwischen 2005 und 2010 dafür federführend zu

ständig war, ist von Ihrer Regierung sogar noch zum Staatssekretär befördert worden. Da sitzt er.

(Der Redner zeigt auf Staatssekretär Profes- sor Klaus Schäfer [MFKJKS]. – Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Ich schätze Staatssekretär Schäfer übrigens auch und bedauere sehr, dass Nordrhein-Westfalen, lieber Herr Schäfer, Fachlichkeit in der Jugendhilfe verliert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie waren eine Instanz in der Jugendhilfe in Deutschland. Kommentare zum Kinder- und Jugendgesetz des Bundes sind von Ihnen mitverfasst worden. Nordrhein-Westfalen war konzeptionell immer führend in diesem Politikfeld. Das wird jetzt durch einen Parteiindianer der SPD ersetzt. Das ist der Stellenwert dieses Politikfeldes. Bedauerlich! Ganz Schade!

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Herr Römer, nichts gegen Parteiindianer, aber es gibt ein paar Stellen, an denen es sinnvoll ist, dass wir kluge Fachbeamte haben.

(Norbert Römer [SPD]: Kennen Sie Herrn Niebel? – Zuruf von der SPD: Da niebelt es aber!)

Schauen wir uns an, was im Bereich der Kinderbetreuung passiert ist. Kollege Laumann hat eben völlig zu Recht gesagt, dass wir damals bei der Verabschiedung des Kinderbildungsgesetzes mit wüsten Beschimpfungen konfrontiert worden sind.

Mir ist mein Frühstücksbrötchen aus der Hand gefallen, als ich vor einigen Tagen den „Kölner StadtAnzeiger“ gelesen habe und eine Kollegin der Grünen allen Ernstes vorschlägt: Übergangsweise können wir die Gruppen vergrößern. – Dieselbe Kollegin, die uns mit ihren Auftritten zum Thema „Qualitätsabbau“ traktiert hat!

(Lebhafter Beifall von der FDP – Beifall von der CDU)

Was für eine Unglaubwürdigkeit! Kommunen können keinen vorzeitigen Maßnahmebeginn einleiten. Das verweigert diese Regierung. Die Kommunen schweben also im luftleeren Raum und wissen: Wenn wir mit dem weiteren Ausbau von Gruppenräumen beginnen, können wir nicht sicher sein, dass wir Landes- und Bundesgelder bekommen. – Diese Kommunen lassen Sie ohne Zusagen aus Düsseldorf in der Luft hängen.

Sie beschließen Beitragsfreiheit für Kindertageseinrichtungen in Höhe von 150 Millionen €. Mindestens diese 150 Millionen € fehlen jetzt, wenn es um Qualität und Platzausbau bei der U3-Betreuung geht.

(Beifall von der FDP und der CDU)