der näher zusammenrücken können, damit alle an dem hoffentlich wachsenden Wohlstand teilhaben können, meine Damen und Herren.
Ich habe zu Anfang auf unsere Erfahrungen im Umgang mit den Oppositionsfraktionen auch zu Zeiten unserer Minderheitsregierung hingewiesen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch angesichts aktueller Erfahrungen mit der Beteiligung von Menschen an Wahlen nicht nur auf der Landesebene, sondern auch auf der kommunalen Ebene darauf hinweisen, dass wir gemeinsam allen Grund haben, die Frage des Verhältnisses zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politik auf unsere Tagesordnung zu setzen und auf unserer Tagesordnung zu halten.
Denn bei aller notwendigen Auseinandersetzung in der Sache: Wir alle tragen in unterschiedlichen Rollen Verantwortung für Nordrhein-Westfalen. Uns kann und darf es nicht egal sein, wie die Bevölkerung ihre Abgeordneten und ihr Parlament sieht. Betroffene zu Beteiligten zu machen, diesem Auftrag stellen wir uns auch in dieser neuen Legislaturperiode gerne.
Aber wir wissen: Gute Politik entsteht immer nur im Dialog mit den Menschen. Und Zustimmung und Akzeptanz sind das Ergebnis, wenn Menschen auf diesem Weg mitgenommen werden.
Ja, wir haben – ich gebe das gerne zu – ganz unterschiedliche Formen der politischen Kommunikation, des Zugehens auf und der Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern. Wo der eine den Kontakt im realen Leben sucht, mag der andere dies in der virtuellen Welt tun. Ich will das überhaupt nicht bewerten, halte aber für die SPD-Fraktion fest: Wir werden uns hier im Hause an die unterschiedlichen Arbeitsweisen gewöhnen müssen. Gelegentlich werden wir sie vom jeweils anderen auch übernehmen. Das ist keine Drohung, sondern eine Erfahrung, die wir selbstverständlich alle gemeinsam machen.
Genauso wie es gelegentlich aus dem Plenum zwitschert oder ein Blog um eine Stellungnahme bereichert wird, wird es auch am Rande von Plenarsitzungen weiterhin reale Kontakte mit Verbänden, mit Bürgerinnen und Bürgern und zwischen den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern der verschiedenen Fraktionen geben – ich hoffe, bald aller Fraktionen. Ich füge hinzu: Deshalb sollte keine Fraktion den Anspruch erheben, eine andere oder die anderen erziehen zu wollen. Das Letzte, was die Menschen in Nordrhein-Westfalen wollen, ist, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen und uns bis ins Plenum des Landtags mit Geschäftsordnungsmanövern gegenseitig blockieren.
Deshalb ist es gut, dass wir unsere gemeinsame Geschäftsordnung bis Ende des Jahres überarbeiten wollen. Ich biete allen an, Anforderungen an die gemeinsame Arbeit im Plenum dort zu erörtern und zu konstruktiven Ergebnissen zu kommen. Hier im Plenum muss das erörtert werden. Das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein.
Die Zeit der Minderheitsregierung – ich knüpfe da noch einmal an – hat diesen Landtag, meine Damen und Herren – das sage ich vor allen Dingen an die Adresse der neuen Fraktion, Sie konnten die Erfahrung nicht machen, das ist kein Vorwurf, Sie können das ja nur nachlesen –, zu einem Ort gemacht, an dem nicht nur Rede und Gegenrede gesucht wurde, sondern an dem auch die Suche nach gemeinsamen Lösungen für wichtige Themen der Landespolitik stattgefunden hat.
Es war nicht immer einfach, es hat sich aber meistens gelohnt. Ich will noch einmal daran erinnern: Schulkonsens, Kommunalfinanzierung. Kollege
(Zurufe von der FDP – Christian Lindner [FDP]: Davon habe ich im Antrag nichts ge- funden! – Weitere Zurufe)
Bei einer klaren Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition wurde der Druck für beide Seiten ein gutes Stück geringer. – Herr Kollege Lindner, das war ja für Sie das Entree, in den Landtag wieder zurückzukommen.
Ich bin gespannt, wie Sie sich gleich im Wettstreit mit Herrn Laumann über die Rolle des Oppositionsführers darstellen werden. Kollege Laumann hat wahrscheinlich schon viel Bammel, dass Sie ihn da wieder abhängen. Wir warten das einmal in Ruhe ab.
Bei einer klaren Rollenverteilung, wie sie jetzt zwischen Regierung und Opposition gegeben ist, ist der Druck – das gebe ich gerne zu – für beide Seiten ein gutes Stück geringer. Selbstbewusste Fraktion, 99 Abgeordnete, selbstbewusste Fraktion beim Koalitionspartner, 29 Abgeordnete, machen das deutlich.
Aber ein Stück von dieser Haltung, die wir damals an Erfahrung gewonnen haben – das möchte ich gerne sagen –, sollten wir uns bewahren, denn sie hat vor allem dem Diskussionsklima unter den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern gutgetan. Und es hat uns als Parlamentariern gut angestanden, immer wieder, auch fernab von Öffentlichkeit, die Möglichkeiten gemeinsamer Lösungen auszuloten.
Meine Damen und Herren, ich lade Sie jedenfalls ganz herzlich ein, jenseits des Schlachtenlärms solcher Debatten zur Regierungserklärung auch in Zu
kunft dort, wo uns gemeinsame Ziele tragen – ich nenne Inklusion, Integration, demografische Entwicklung –, nach gemeinsamen Wegen zu suchen. Die SPD-Fraktion ist dazu bereit.
Mehr noch: Wir schlagen vor, dass eine gemeinsame parteiübergreifende Kommission die Verfassung dahin gehend unter die Lupe nimmt, wo Beteiligungsmöglichkeiten ausgebaut werden können und wo die Demokratie in unserem Lande gestärkt werden kann. Dabei muss es uns genauso, meine Damen und Herren, um die Stärkung des Parlaments und der Parlamentarierinnen und Parlamentarier gehen wie um den Ausbau der direkten Demokratie. Wir haben jedenfalls mit der Senkung der Hürden für Volksbegehren und der Einführung des Wahlalters 16 erste konkrete Vorschläge vorgelegt, und wir wollen im Rahmen der Kommissionsarbeit gemeinsam weitere Überlegungen treffen, wie Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie und die Mitwirkung an den demokratischen Entscheidungsprozessen begeistert werden können. Das könnte doch eine schöne, eine tolle Gemeinschaftsleistung sein. Dazu lade ich ganz herzlich ein. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende, Herr Lindner.
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Die Ministerpräsidentin hat ihre Regierungserklärung am gestrigen Tage mit der Feststellung eröffnet, dass sie am 13. Mai bei der Landtagswahl eine klare parlamentarische Mehrheit für ihre Koalition errungen hat.
Zeitgleich veröffentlicht jetzt die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ eine Umfrage unter den Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens.
Fast 80 % der Menschen in Nordrhein-Westfalen sagen: erst Schuldenabbau, dann neue staatliche Leistungen. – Das ist das genaue Gegenteil Ihrer Politik.
Frau Kraft, Sie haben am 13. Mai auch aufgrund Ihrer Person und der Sympathie für Ihre Person eine Mehrheit errungen, aber Vertrauen in Ihre Politik besteht im Land nicht. Würden Sie die Sorgen der Menschen ernst nehmen, würden Sie die Politik auf Pump beenden.
In Ihrer Regierungserklärung, Frau Ministerpräsidentin, haben Sie gestern eine Reihe von Zielen und Maßnahmen beschrieben,
von denen wir durchaus auch einige teilen können. Bei der Kommunalfinanzierung gibt es Berührungspunkte. Es gibt Gemeinsamkeiten im Bereich der Kulturpolitik und der Integration.
Wir haben auch schon – das heißt meine Fraktion mit den Koalitionsfraktionen – gemeinsame Initiativen in den Landtag eingebracht, beispielsweise im Bereich der Kommunalfinanzierung. Wir werden im Laufe der Legislaturperiode, sofern es in der Sache begründet ist und Gelegenheit besteht, Initiativen der Regierung zustimmen. Genauso erwarten wir aber auch, dass Sie die Größe haben, aus der Mitte des Landtags vorgetragene Initiativen zu unterstützen. Am Freitag haben wir die Gelegenheit, aus dem Landtag ein klares Signal gegen die Praxisgebühr zu senden.
Heute aber geht es nicht um diese Einzelfragen. Heute ist die konzeptionelle Anlage Ihrer Politik insgesamt zu bewerten. Und das will ich anhand von drei Fragen tun, auf die ich mir von Ihnen am gestrigen Tag Antworten erhofft hätte.
Wie bewahren wir soziale Sicherheit und Wohlstand in Zeiten des Wandels? Wie stärken wir den Einzelnen für das Miteinander in einer offenen Gesellschaft? Und – und damit will ich beginnen – wie verteidigen wir die Handlungsfähigkeit des Staates in Zeiten der europäischen Staatsschuldenkrise?
Sie, Frau Kraft, haben am gestrigen Tag zu Recht die Bedeutung Europas für Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Wir sind ein Exportland im Herzen Europas. Wir profitieren also wirtschaftlich von Europa. Aber natürlich ziehen wir auch einen kulturellen Gewinn aus der Einigung unseres Kontinents. Deshalb muss Europa verteidigt werden. Das ist Staatsräson für alle Parteien in Deutschland.
Unser Kontinent steckt aber in einer schweren Krise. Seit Jahren – vielleicht seit Jahrzehnten – ist der öffentliche Sektor schneller gewachsen als die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Viele Staaten in Europa sind so in die Abhängigkeit der Finanzmärkte geraten, und diese Abhängigkeit hat durch Spekulationen zu einer Krise geführt. Aber Ursache war die Überdehnung der Wohlfahrtsstaaten über das wirtschaftlich Tragfähige hinaus.
Deshalb besteht heute die erste Aufgabe in Europa, Deutschland und Nordrhein-Westfalen darin, den Staat aus den Ketten der Schulden zu befreien.
Ihr Finanzminister hat noch vor einigen wenigen Monaten gesagt, die Schuldenbremse sei die Selbstentmündigung der Politik. Noch einmal: Überall in Europa werden Schuldenbremsen getreten, aber in Nordrhein-Westfalen hat noch vor Kurzem der Finanzminister Ihrer Regierung gesagt, das sei die Selbstentmündigung der Politik.
Frau Kraft, am gestrigen Tag haben Sie eine Initiative für die Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung angekündigt. Wir sind ge
sprächsbereit, und wir unterstützen eine solche Initiative – aber nur unter einer Bedingung: dass es nicht nur ein rhetorischer Trick ist, sondern dass ein echter Konsolidierungspfad, dass eine Konsolidierungsabsicht besteht. Die können wir bei Ihnen aber bislang nicht erkennen.