Protocol of the Session on December 3, 2014

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Das Jahr 2014, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Jahr haushaltspolitischer Peinlichkeiten in Nordrhein-Westfalen gewesen. Wir erinnern uns an die absehbare Niederlage dieser Landesregierung in Sachen Beamtenbesoldung vor dem Verfassungsgerichtshof, an den Nachtragshaushalt mit der deutlichen Erhöhung der Neuverschuldung, an die Haushaltssperre – monatelang gab es in der Staatskanzlei nur noch Leitungswasser für Regierungsgäste – oder die Warhol-Verkäufe auf dem Kunstbazar.

Die Landesregierung wäre daher gut beraten gewesen, für die zweite Halbzeit dieser Legislaturperiode einen Neustart zu unternehmen und von der Philosophie unserer Ministerpräsidentin, nämlich der Phi

losophie der vermeintlich guten Schulden, endlich Abstand zu nehmen.

„Kein Kind zurücklassen“, das ist ihr hehrer Anspruch in Sonntagsreden. Ein massiver Schuldenberg zulasten der jungen Generation ist leider die bittere Realität.

(Beifall von der FDP)

Insofern ist auch der Haushalt 2015 wieder nur altes Leitungswasser in porösen Schläuchen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist selbst seinen eigenen Leuten peinlich! Da drehen sich selbst Ihre Kollegen beschämt weg!)

Die Schulden steigen kontinuierlich an, und eine Umsetzung des Neuverschuldungsverbots ist auch bei Fernsichtbedingungen nicht am Horizont zu erkennen. Die Titulierung des Verfassungsgebots der Schuldenbremse als Fetisch durch die Ministerpräsidentin offenbart, dass sich Rot-Grün längst von einer ernsthaften Haushaltssanierung verabschiedet hat. Diese ist aber dringender denn je.

Stattdessen gibt es reihenweise Selbstlob für vermeintlich so geringe Ausgaben des Landes mit Berechnungen, die einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten.

(Martin Börschel [SPD]: Das sind Voodoo- Statistiken!)

Sie mögen rechnerisch richtig sein, aber die Bezugsgrößen dieser Landesregierung sind nicht sinnvoll.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie sind zwar richtig, aber Sie passen Ihnen nicht!)

Dass das einwohnerstärkste und dicht besiedelte Bundesland NRW immer Synergien aus Größenvorteilen erzielen kann, liegt auf der Hand. Für einen ehrlichen Vergleich der Bundesländer, meine sehr geehrten Damen und Herren, reicht es aber nicht aus, schematisch die Ausgaben des Landeshaushalts durch die Einwohnerzahl zu teilen. Denn es sind zwei Dinge zusätzlich wichtig.

Zum einen ist es der Kommunalisierungsgrad. Nordrhein-Westfalen hat nämlich die höchste Aufgabenübertragung aller Bundesländer, zum anderen ist es natürlich auch die strukturelle Vergleichbarkeit, indem alle Ausgaben – und damit meine ich nicht nur die im Kernhaushalt, sondern auch die in Neben- und Extrahaushalten – betrachtet werden. Das eine Bundesland bezahlt Aufgaben direkt aus dem Haushalt, das andere macht es über Sondervermögen. Das eine Bundesland hat mehr Landesbetriebe, die ihre Ausgaben in ihren Wirtschaftsplänen abbilden, das andere begleicht es durch eine Zahlung des Haushalts selbst. Genau das muss vergleichbar gemacht werden.

Dankenswerterweise haben wir das Statistische Bundesamt, Destatis, welches genau das tut. Es

liefert für Land und Kommunen strukturell vergleichbare Ausgabedaten als bereinigte Ausgaben, und wenn man sich diese einmal anschaut, sieht man, dass NRW nicht an der Spitze liegt, nicht Primus ist und auch nicht die niedrigsten Ausgaben hat. Vielmehr steht NRW an Stelle 12 von 13 Flächenländern. Es macht also trotz all der Synergievorteile, die sich aus der Größe des Landes ergeben, mit die höchsten Ausgaben.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss Nordrhein-Westfalen seine hausgemachten Probleme lösen, um mit seinen berechtigten Anliegen auch beim Länderfinanzausgleich Gehör zu finden.

(Beifall von der FDP)

Ich spreche bewusst von berechtigten Anliegen. Denn es muss das gemeinsame Interesse aller Bundesländer sein, ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit die Überförderung bestimmter Regionen zu beenden, die eher der Kompassnadel als sachlichen Notwendigkeiten folgt. Aber wenn wir beim Jahr 2019 sind, dann muss es das Ziel sein, das befristete Sonderopfer „Soli“ plangemäß auslaufen zu lassen und nicht zum „Soli West“ umzuetikettieren, der dann unsere Steuerzahler auf Ewigkeiten weiter belastet.

Herr Finanzminister, Sie sind der Meister der impliziten und expliziten Steuererhöhungen. Sie wollen den „Soli für immer“. Sie blockieren den Abbau der kalten Progression, und Sie erhöhen nun schon zum zweiten Mal die Grunderwerbsteuer.

Sie treffen mit all diesen Maßnahmen übrigens nicht Hedgefonds oder ausländische Finanzinvestoren, sondern in allererster Linie die Mitte unserer Gesellschaft: fleißige Facharbeiter, die für ihren Betrieb Produktivität erarbeitet haben; Arbeitnehmer, die sich eine private Alterssicherung aufbauen wollen, um nicht auf Sozialtransfers angewiesen zu sein; kleine Selbstständige, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen oder junge Familien, die sich eine Zukunftsperspektive aufbauen wollen.

Für all diese haben Sie nur eines übrig: den klebrigen Griff des Staates in die Taschen der Menschen, die etwas geleistet haben.

(Beifall von der FDP)

Ihrem Leitbild des Vollkaskostaates setzen wir deshalb unseren Entwurf eines schlanken Staates gegenüber. Das ist ein Staat, der deutlich weniger Bürokratie und Regulierung aufweist,

(Lachen von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

der den Menschen Eigeninitiative zutraut und sich auf seine Kernaufgaben konzentriert, und zwar für beste Bildungschancen, funktionierende innere Sicherheit und moderne Infrastruktur. Dieser Staat ist zugleich effizient, da er nicht etwa grüne Lebensstile subventioniert, sondern individuelle Leistung ermöglicht. Das unterscheidet uns in der Tat von Ihnen.

Die Neuverschuldung für das Jahr 2015 soll nach Ihren Planungen über 2 Milliarden € betragen – und das alles trotz boomender Konjunktur, trotz geringerer Arbeitslosigkeit und damit niedrigerer sozialer Folgekosten in unserem erwerbsarbeitszentrierten Sozialsystem, trotz massiver Steuermehreinnahmen seit dem rot-grünen Regierungsantritt im Jahr 2010 bei einem zugleich historisch niedrigen Zinsniveau.

SPD und Grüne wirtschaften schlecht in unserem Land. Nordrhein-Westfalen ist eben kein Musterschüler in Sachen Ausgabendisziplin – genau das Gegenteil ist der Fall. Deshalb lohnt sich ein Blick auf das Ausgabenwachstum der Jahre 2010 bis 2015, also seit Ihrer Regierungsübernahme.

Insgesamt ist der Landeshaushalt im Vergleich zu dem des Jahres 2010 um 10,58 Milliarden € gewachsen. Die rot-grüne Landesregierung verursacht somit um rund 20 % höhere Ausgaben als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung. Diese durchschnittlich 20 % Mehrausgaben in fünf Jahren lassen zugleich eine erstaunliche politische Schwerpunktsetzung erkennen, wenn man sie einmal den einzelnen Ressorts zuordnet. Dieses Ausgabenplus teilt sich nämlich wie folgt auf: 10,6 % bei der Justiz, 12,5 % beim Innenministerium, aber 28 % bei Umweltminister Remmel. Er ist der wahre Kostentreiber im Kabinett Kraft!

(Beifall von der FDP)

Rot-Grün hat sich auf haushaltspolitischen Abwegen in die Sackgasse manövriert. Den Wortbruch gegenüber den Landesbeamten haben Ihnen diese ebenso wenig vergessen wie Sie Ihre Niederlage beim Verfassungsgerichtshof.

Sie wollen im Personalbereich dennoch weiter kürzen, sagen aber nicht, wo genau. Einsparungen beim Personal sind an sich richtig, aber nicht dadurch, dass man das Vertrauen und die Leistungsbereitschaft jedes Einzelnen ruiniert, sondern indem man nach gründlicher Aufgabenkritik überflüssige Planstellen abbaut. Diese Aufgabe hätte einmal das Effizienzteam übernehmen können, das sich bis heute aber leider als Ineffizienzteam erwiesen hat.

Solange Sie strukturelle Maßnahmen bei der Haushaltssanierung unterlassen, werden Sie die Schuldenbremse auch im Jahr 2020 noch nicht erreichen. Dort klafft noch immer eine Lücke von – je nach Prognose – 500 Millionen € bis 800 Millionen €, die es zu schließen gilt.

Den Großteil dieser Herausforderungen können Sie schon allein dadurch bewältigen, dass Sie Ihre drei größten Wahlgeschenke auf Pump wieder abschaffen. Das Studiengebührenverbot, die beitragsfreie Kita und das Sozialticket allein machen Mehrkosten von einer knappen Milliarde € aus.

Bis 2020 werden Sie weitere Milliardenlasten schultern müssen. Auch der Finanzminister bestreitet

nicht, dass bis dahin noch Milliardenzahlungen erfolgen müssen, die durch die WestLB-Abwicklung bislang aufgeschoben sind. Wir haben es zu tun mit einem schlechten Erbe: dem Milliardengrab einer Staatsbank, die als Briefkastenfirma in OffshoreDestinationen mit dem Geld des Steuerzahlers ebenso gezockt hat wie berühmt-berüchtigte internationale Player in dieser Branche.

Herr Finanzminister, da Sie ja immer dafür werben, die Einnahmebasis für unser Land zu verbessern, sagen wir Ihnen: Sorgen Sie dann doch konsequent dafür, dass alle Rechtsansprüche, die die Bad Bank EAA realisieren kann, nun auch mit maximalem Einsatz verfolgt werden, damit der Schaden für den Steuerzahler zumindest reduziert wird. Erfolgsmeldungen dazu stehen – anders als in anderen Bundesländern bei ähnlichen Herausforderungen – bislang öffentlich leider noch aus.

Dem WestLB-Fall können Sie noch eine weitere Lehre entnehmen, nämlich dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Das gilt ganz ausdrücklich auch für den BLB, der mit Pleiten, Pech und Pannen längst zum Stammkunden beim Landesrechnungshof geworden ist. Ihre zaghaften Reformüberlegungen dazu beinhalten eine Reihe von Selbstverständlichkeiten, sind aber nicht ansatzweise als dauerhafte Problemlösung geeignet. Wenn Sie zukünftig Bauleistungen in einem transparenten wettbewerblichen Verfahren am Markt ausschreiben, dann nehmen Sie damit den Steuerzahler aus der Haftung. Das wäre der richtige Weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Anfang dieser Woche konnte man kurzzeitig den Eindruck gewinnen, es gäbe einen Erkenntnisfortschritt bei einem Teil dieser Koalition. Die Grünen haben ihre Zweifel geäußert, ob mit der Haushaltspolitik dieser Landesregierung die Schuldenbremse überhaupt noch einzuhalten ist, und haben eine Kürzung bei Förderprogrammen vorgeschlagen.

Bislang galt deren Aufmerksamkeit insbesondere der Ausdehnung von Förderprogrammen, jedenfalls dann, wenn es um PR für grüne Lebensstile ging. Was wird da nicht alles von Umweltminister Remmel in unserem Land gefördert: Angebote zum Thema „Wildnispädagogik und Survival“; Beschreibung: Wie schläft man draußen bequem und trocken, auch ohne Zelt und Schlafsack?

Oder Ihr Programm „Fledermausfreundliches Haus in NRW“. Mit diesem Projekt soll in der breiten Öffentlichkeit mehr Akzeptanz für Fledermäuse und deren Quartiere erreicht werden.

(Zurufe von der SPD)

Oder Ihr Projekt „Wildnisbasis“: Dieser Kurs eröffnet das grundlegende praktische Wissen zum Leben und Überleben in und mit der Natur. Oder Ihre Schulung zum Wolfsbotschafter: Diese Veranstaltung richtet sich an Interessierte, die Wolfsbotschafter werden möchten. Oder wie wäre es mit Wild

nispädagogik? In dieser Fortbildung lernen Sie wirkungsvolle Wege und Methoden kennen, sich selbst wieder mit der Natur zu verbinden.

Das Beste aber ist die grüne Kampagne gegen Rasenmäher „Jetzt ist aber Sense – Ganztägiger Sensenkurs in Theorie und Praxis“: „Schon im eigenen Garten kann jeder etwas tun. Das Mitbringen einer eigenen Sense ist wünschenswert.“ – Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Sense sein“ sollte mit dieser Art von Steuergeldverschwendung, damit die Prioritäten in Nordrhein-Westfalen endlich wieder richtig gesetzt werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Schlimmer noch ist die politische Orientierung, die hinter dieser Ausrichtung steht. Wenn ein Industrieland wie Nordrhein-Westfalen Survival-Trainings anbietet und Menschen zeigt, wie man Solarkocher baut und in der Wildnis überleben soll, dann haben Sie völlig den Fokus für die Kernaufgabe unserer Zeit verloren. Schauen Sie sich an, was in der Energiewirtschaft und in Leitbranchen dieses Landes passiert, die jahrzehntelang prägend waren: Da muss in den nächsten Jahren mit großen Steuerausfällen gerechnet werden. Wenn Sie solche Survival-Schwerpunkte setzen, dann ist Ihnen völlig das Gespür dafür abhandengekommen, dass in diesem Land erst einmal wieder etwas erwirtschaftet werden muss, bevor etwas verteilt werden kann.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb sagen wir: Eine gute und solide Wirtschaftspolitik, Herr Finanzminister, die Betriebe nicht mit Tariftreue- und Vergabegesetzen, mit Frauenquoten oder anderen Dingen gängelt, ermöglicht mehr Wachstum und mehr Produktivität, schafft Arbeitsplätze und beschert Ihnen damit am Ende des Tages auch mehr Steuereinnahmen. Diese werden Ihnen dann die Möglichkeit für eine solidere Haushaltsführung geben. Sie sind natürlich zugleich auch die realökonomische Grundlage jeder Politik – auch der sozialen Maßnahmen an den Stellen, an denen diese ergriffen werden müssen.

Deshalb ist dieser Haushalt der Landesregierung unsolide finanziert. Er bietet keine Perspektive, die Einhaltung der Schuldenbremse im Jahr 2020 zu erreichen. Diese Regierung muss sich ins Stammbuch schreiben lassen, dass wir erst einmal wieder wirtschaftliche Dynamik und Wachstum brauchen, dass in diesem Land etwas erarbeitet werden muss und dass wir die Menschen, die das tun, nicht mit ständig höheren Steuern und Abgaben belasten, womit ihre Eigeninitiative zurückgedrängt wird. Erwirtschaften kommt vor Verteilen! – Vielen Dank.