Meine Damen und Herren, jeder weiß: Der demografische Wandel wird die Struktur unserer Gesellschaft nachhaltig verändern. Wir müssen uns besser auf eine Gesellschaft einstellen, in der die Menschen immer älter werden. Dass immer mehr älter werden, ist ja eigentlich ein Grund zur Freude. Mit einer höheren Lebenserwartung verbinden die Menschen die Erwartung an uns als Politik, dass wir ein selbstbestimmtes Leben möglich machen, dass wir dafür die richtigen Weichen stellen und dass wir nicht sozusagen die Verlängerung der Pflegephase ins Visier nehmen. Dies wollen wir durch präventive Maßnahmen und durch eine gezielte Quartiersentwicklung erreichen.
Meine Damen und Herren, deshalb werden wir aber auch dafür sorgen, dass gesünder gearbeitet wird. Das Programm „Arbeit gestalten NRW“ ist der richtige Ansatz dafür. Es gilt, eine Allianz für gesunde Arbeit zu schmieden – gemeinsam mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Sozialversicherungen.
Es gilt, die Arbeitsbedingungen in den Betrieben so zu verändern, dass sie gesünder sind, für das jeweilige Alter passen und dass die individuellen Stärken der Beschäftigten je nach Lebensaltersphase berücksichtigt werden können. Auch das ist Aufgabe von Landespolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes entscheidet sich aber auch noch bei zwei weiteren großen Aufgaben, die wir in einer gemeinsamen Kraftanstrengung lösen müssen.
Unsere Städte, Gemeinden und Kreise müssen finanziell wieder auf eigenen Füßen stehen können, weil das für das Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger von zentraler Bedeutung ist. Ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen ist nur mit zukunftsfähigen Kommunen denkbar. Niemand wird bestreiten, dass einzelne Kommunen in den vergangenen Jahren Fehler gemacht haben. Aber das erklärt nicht die strukturelle Krise, in die sie geraten sind. Die ergibt sich vor allem daraus, dass der Bund ihnen immer mehr Aufgaben zugewiesen hat, ohne dafür zu zahlen.
Schauen wir auf die Zahlen bei der Eingliederungshilfe. Wir wissen alle, dass diese Belastungen auf die kommunale Ebene übertragen worden sind mit der Argumentation, es handele sich um Einzelfallhilfen. Schauen wir auf die Eingliederungshilfe für Behinderte: Seit 2005 ist die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen von 2,8 Milliarden € auf 3,8 Milliarden € gestiegen. Das ist ein Zuwachs um fast 35 % innerhalb von nur sieben Jahren. Wir gehen als Land an die Grenze des finanziell Verkraftbaren, um gegenzusteuern. Aber die Kommunen brauchen auch die Unterstützung des Bundes. Hier müssen die Dinge wieder zurechtgerückt werden. Auch das bleibt Politik dieser Landesregierung.
Der Stärkungspakt Stadtfinanzen ist angelaufen. Wir helfen überschuldeten und von Überschuldung bedrohten Städten und Gemeinden. Dafür bringen wir bis 2020 insgesamt 5,85 Milliarden € auf. Bis heute konnten bereits 15 Pläne von Städten zur Haushaltssanierung genehmigt werden.
Ich freue mich, dass die von uns im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Reform der Gemeindeordnung Früchte trägt. Ende 2011 hatten wir in Nordrhein-Westfalen noch 142 Städte und Gemeinden, die keinen genehmigungsfähigen Haushalt hatten und damit unter Nothaushaltsrecht standen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir bis zum Jahresende 2012 die Zahl der Nothaushaltskommunen um mehr als die Hälfte verringert haben werden. Dennoch: Den Durchbruch können wir auch hier nur
Meine Damen und Herren, das eine ist, die Kommunen finanziell zu stärken. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch bei den anderen Aufgaben weiterhin verlässlicher Partner auf Augenhöhe sein. Die Landesregierung ist dazu bereit. Wir wissen, dass die Kommunen vor einer Fülle großer Herausforderungen stehen.
So werden in den meisten Städten und Kreisen künftig weniger Menschen wohnen. Nur noch sechs Städte und sechs Kreise in Nordrhein-Westfalen werden wachsen. Maßgeschneiderte Antworten auf die jeweilige demografische Entwicklung sind darum nötig. Überall werden wir künftig mehr Ältere in unseren Gemeinden haben. Darauf müssen wir uns einstellen.
Mit der Novelle des Landespflegegesetzes und des Wohn- und Teilhabegesetzes schaffen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für altersgerechte
Wohnformen. Damit die Menschen im Alter ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend leben können, werden wir mit einem „Masterplan altengerechtes Quartier NRW“ Angebote für die Kommunen und mit den Kommunen erarbeiten.
Ebenso muss sich die medizinische Versorgung am tatsächlichen Bedarf orientieren. Wir brauchen eine für alle gleichermaßen zugängliche und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung – wohnortnah, vorsorgend und gut vernetzt. Weiße Flecken in strukturschwachen Stadtteilen oder in ländlichen Gebieten sind für diese Landesregierung nicht hinnehmbar.
Wir wissen, in vielen Kommunen in unserem Land mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Auch hier müssen wir als Land im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen. Wir werden deshalb das Landeswohnungsbauvermögen als Finanzierungsgrundlage der sozialen Wohnraumförderung erhalten. Wir werden unsere Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik neu ausrichten und dabei die entsprechenden Programme stärker verzahnen und konzentrieren. Der Stadtteil, das Quartier steht dabei im Mittelpunkt. Hier erleben die Menschen vor der Haustüre, ob die politischen Versprechen im Alltag eingelöst werden. Unter Einbeziehung aller Akteure werden wir die Quartiersentwicklung als Gemeinschaftsinitiative für gutes und bezahlbares Wohnen fördern.
Auch hier gilt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir schauen nicht nur auf die großen Städte und die dicht besiedelten Landesteile, sondern wir wollen auch die Erfordernisse des ländlichen Raums in den Blick nehmen und ihnen gerecht werden.
Na ja, die Problemlagen sind unterschiedlich, Herr Schemmer, wie Sie vielleicht wissen. Und auf unterschiedliche Probleme muss man in unterschiedlicher Weise reagieren.
Meine Damen und Herren, die richtigen Weichen stellen, Schienen in Richtung Zukunft weiterlegen, um zukunftsfähig zu bleiben – das müssen wir auch, um den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken und unsere Demokratie zu vitalisieren.
Innerer Zusammenhalt braucht Sicherheit. Sie ist eine absolute Grundvoraussetzung für unser Zusammenleben. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Polizei. Erfahrene Beamtinnen und Beamte, die in den Ruhestand gehen, müssen deshalb durch gut ausgebildete junge Kräfte ersetzt werden. Daher bleibt es dabei, dass wir auch in einer schwierigen Haushaltssituation jährlich 1.400 Polizeianwärter für den gehobenen Dienst einstellen, weil Sicherheit ein zentraler Punkt in Nordrhein-Westfalen ist.
Der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen, Polizeibeamte sowie andere Einsatz- und Hilfskräfte in NRW werden wir entschlossen entgegentreten. Sorge bereitet uns, dass die Täter immer hemmungsloser und brutaler handeln. Hier müssen wir gegensteuern: durch eine bessere Ausbildung der Polizei, aber vor allem dadurch, dass wir eine gesellschaftliche Debatte führen und mehr Respekt einfordern, auch für die Polizei.
Wer die Zeitung aufschlägt, liest: mehr Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte, extrem brutale Attacken auf Wehrlose in Bussen und Bahnen, an Bahnsteigen, Hassstürme und Mobbing im Netz – Entwicklungen, die uns als Gesellschaft alarmieren müssen. Sie sind Anschläge auf unser friedliches Zusammenleben. Die Landesregierung plant deshalb, künftig jährlich in einer Woche des Respekts für gegenseitige Achtung zu werben. Der Respekt muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Dort muss er verankert sein. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen wollen wir gemeinsam für respektvolles Umgehen und gegenseitige Wertschätzung werben. Es wäre schön, wenn gegenseitige Wertschätzung hier vorgelebt würde. Dann wären wir ein Stückchen weiter.
und Rettungskräfte informieren. In den Schulen soll über Mobbing im Netz, über Gewalt auf dem Schulhof diskutiert werden. Wir müssen früh beginnen, um auch hier die Weichen richtig zu stellen. Ziel ist es, ein Klima der Offenheit, der Akzeptanz und der Wertschätzung zu schaffen. Ja, dies gilt auch im Umgang mit Menschen unterschiedlicher sexueller Identität. Deshalb werden wir im Rahmen der Kampagne „anders und gleich – Nur Respekt Wirkt“ jeder Form von Homo- und Transphobie ganz entschieden entgegentreten.
Respekt ist ein weites Feld. Dazu gehört für uns auch, den Schutz der Opfer von Straftaten zu verbessern. Mitfühlende Worte allein reichen nicht aus. Wir werden dem Parlament daher das Gesetz zur Regelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung und ein Strafvollzugsgesetz vorlegen. In diesen Gesetzen werden wir die Perspektive der Opfer in bisher bundesweit einmaliger Form in die Gestaltung des Vollzugs einbeziehen und den Opfern eine deutlich gestärkte Rechtsposition gegenüber den Tätern und gegenüber der Justiz einräumen. Auch das ist eine klare Politik für ein gerechtes NordrheinWestfalen.
Präventiv wirken müssen wir auch bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Es ist schlimm, was sich da mit der NSU gezeigt hat und was sich in einigen unserer Regionen an braunem Sumpf entwickelt. Dagegen gehen wir bislang und auch weiterhin ordnungsrechtlich mit aller Konsequenz vor, wie es unser Innenminister in den letzten Wochen und Monaten getan hat.
Aber wir müssen auch bei diesem Thema gerade bei den Jungen anfangen, wenn wir vorbeugen wollen. Deshalb werden wir gerade mit Blick auf die jungen Menschen ein integriertes Handlungskonzept entwickeln. Da sind viele gefordert: die Kinder- und Jugendarbeit, die politische Bildung, die Schule, die Kultur und der Sport. Auch das geht am besten gemeinsam.
Wir müssen und werden einen neuen Anlauf nehmen, unsere Demokratie zu vitalisieren. Die Bürgerinnen und Bürger sollen und müssen zusätzliche Beteiligungsrechte bekommen. Durch eine Reform der Landesverfassung wollen wir unter anderem das Quorum für Volksbegehren auf ein angemessenes Maß senken.
Wir wollen das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre senken und damit ein Signal an die junge Generation geben, dass ihre Stimme bei zentralen politischen Entscheidungen zählt. Das ist ganz be
sonders wichtig, wenn man sieht, wie die Zahl der jungen Menschen in den nächsten Jahren abnimmt. Auch das ist eine konsequente Politik.
Die Landesregierung plant daher eine parteiübergreifende Kommission zur Reform der Landesverfassung, in der wir die Themen „Wahlalter“ und „Volksbegehren“ gemeinsam beraten wollen. Dazu werde ich die Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen, aber auch weitere Experten von außen, die hilfreich sein können, einladen.
Wir müssen mehr Bürgerinnen und Bürger in das politische Handeln einbeziehen. Unser Leitmotiv lautet deshalb weiterhin: aus Betroffenen Beteiligte machen. Wir brauchen auch im digitalen Zeitalter eine neue Politik der Beteiligung. Das heißt: mehr aktive Beteiligung, mehr Transparenz von Politik und Verwaltung, mehr Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Verbänden. Dafür werden wir eine eigene nordrhein-westfälische Open-GovernmentStrategie entwickeln. Digitale Teilhabe muss in Richtung unseres Landes, aber auch in Richtung unserer Wirtschaft gelten.