Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Laschet, Sie hatten vorhin in Ihrer Rede bemerkt, dass das, was die Bezirksregierung Arnsberg nun als Standards für die karitativen Organisationen wie Deutsches Rotes Kreuz und Malteser, aber auch für private Betreiber von Asylunterkünften vereinbart hat, doch völlig normal sei. Das sei eine Selbstverständlichkeit.
Herr Laschet, ich gestehe Ihnen zu: Man kann nicht so tief in einem Thema drin sein, dass man alle Facetten durchleuchtet. Ich meine das wirklich ernst. Die Frage von Sicherheitsstandards und Sicherheitsüberprüfungen von Sicherheitsangestellten ist in der Tat kompliziert.
Das, was da vereinbart ist, ist das genaue Gegenteil einer Selbstverständlichkeit, Herr Laschet. Ja, die Gewerbeordnung schreibt vor, dass eine Zuverlässigkeitsprüfung stattfinden muss. Ja, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
Herr Laschet, ich beschreibe das Bild nur. Ich will es nicht noch einmal zeigen. Aber der Täter, der dem Menschen, der bäuchlings auf dem Boden liegt, den Fuß auf den Kopf stellt, hat ein lupenreines polizeiliches Führungszeugnis, obwohl er wegen verschiedener Straftaten zuvor in Erscheinung getreten ist. Das ist die Lücke.
Denn ein polizeiliches Führungszeugnis erfasst nur die Dinge von mehr als 100 Tagessätzen, zu denen ein Täter rechtskräftig verurteilt worden ist. Verdachtspunkte, Anhaltspunkte – so gravierend sie sein mögen – bleiben bei diesem polizeilichen Führungszeugnis unbeachtet. Deshalb können sich solche Menschen unter dieses Personal von Sicherheitsunternehmen mischen.
Was tun wir jetzt? – Wir tun nichts Selbstverständliches, Herr Laschet, ganz im Gegenteil. Wir tun etwas, von dem ich glaube, dass meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern das mit großem Interesse verfolgen. Wir werden jetzt jedem einzelnen derjenigen,
die durch Sicherheitsunternehmen in Flüchtlingseinrichtungen beschäftigt werden, abverlangen, dass er sich freiwillig dazu bereit erklärt,
Was bedeutet das? – Das bedeutet ganz konkret – ich habe hier den Erlass, und ich möchte Ihnen aus diesem Erlass zitieren –: Eine Unbedenklichkeit kann insbesondere nicht bescheinigt werden, wenn die betroffene Person aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten als nicht geeignet anzusehen ist.
Herr Laschet, einen solchen Standard gibt es nirgendwo in Deutschland. Der ist nicht selbstverständlich, im Gegenteil. Ich hoffe – ich habe gestern mit dem Bundesinnenminister vereinbart, dass wir uns in der übernächsten Woche zusammensetzen – und ich glaube, dass viele oder möglicherweise sogar alle anderen Bundesländer diesen Standard zukünftig übernehmen, weil wir ausschließen müssen, dass sich in solchen sensiblen Einrichtungen Kriminelle unter dieses Personal mischen. Das müssen wir ausschließen.
Zweitens. Herr Laschet, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie in Burbach waren. Ich begrüße das noch einmal ausdrücklich, und ich würde mich freuen, wenn mehr Abgeordnete häufiger das Recht in Anspruch nähmen, eine solche Einrichtung zu besuchen. Ich glaube nämlich, dass ein solcher Perspektivwechsel in der Politik immer erfreulich ist.
Herr Laschet, Sie haben gesagt, Sie hätten sich darüber gefreut, dort gewesen und von Herrn Bollermann begleitet worden zu sein, und dass Sie aus meinem Büro angerufen worden seien. – Herr Laschet, wir haben aus der Presse erfahren, dass Sie Burbach besuchen möchten.
Wir haben Herrn Bollermann gebeten, zu Ihnen zu fahren und Sie dort zu treffen, und wir haben uns durch dieses Telefonat vergewissert, ob das, was in der Presse steht, nämlich dass Sie diese Einrichtung besuchen und auch Begleitung durch fachkundiges Personal haben wollen, tatsächlich stimmt. Herr Laschet, nur eine Bitte: Man kann uns so etwas auch direkt mitteilen. Man muss es nicht über die Presse tun.
(Armin Laschet [CDU]: Das wurde doch an- gekündigt! Bei Ihnen geht doch alles drunter und drüber! – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Laschet, nach dem, was ich höre, hat auch das Präsidium im Plenum von Ihrer Anwesenheit nur aus der Presse erfahren. Kommunikation wäre da besser.
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Wenn Sie sich weniger um die Formalien und mehr um die Sicherheit der Leute kümmern würden!)
Herr Laschet, der dritte Punkt ist, dass Sie aus der „Süddeutschen Zeitung“ zitiert haben, wonach der Bürgermeister von Burbach, Herr Ewers, bereits im August auf Probleme mit dieser Sicherheitsfirma hingewiesen habe. – Ich will das jetzt nicht mehr lange erläutern, und ich will auch nicht begründen, warum das nicht zutrifft.
Herr Laschet, nehmen Sie zur Kenntnis, dass mein Haus und Bürgermeister Ewers zurzeit eine Pressemitteilung abstimmen, weil er in diesem Zusammenhang von Ihnen nicht als Kronzeuge diffamiert werden will und diese Behauptung zurückweist.
Ich habe vorhin die Zahlen genannt: 40.000 Menschen nehmen wir in diesem Jahr auf. Das entspricht der Einwohnerzahl von Kaarst oder Ahaus.
40.000 nehmen wir in einer Situation auf, die dadurch gekennzeichnet ist – meine Damen und Herren, da bitte ich um Aufmerksamkeit –, dass wir die Aufnahmekapazitäten in unseren Landeseinrichtungen seit 2011 verdreifacht haben. Trotzdem reicht es nicht.
Ich habe vorhin deutlich gemacht, wo die Ursachen liegen. Das hat mit den unglaublichen Flüchtlingsströmen aus Syrien und dem Irak zu tun. Herr Laschet, wir haben die Einrichtungskapazitäten verdreifacht. Trotzdem reicht es nicht. Trotzdem bringen wir die Flüchtlinge nicht, wie in Bayern oder in Hamburg, in Zelten unter.
Jedes Bundesland betrachtet es als eine Herausforderung, so viele Menschen aufzunehmen und unterzubringen. Das tun wir hier auch. Herr Laschet, wir erwarten an diesem Wochenende ganz konkret weitere 800 bis 1.000 Menschen. Wir versuchen händeringend und arbeiten daran, sie ordentlich unterzubringen. Das ist eine echte Herausforderung, und dabei bitte ich um politische Unterstützung.
Herr Laschet, zu der will ich jetzt kommen. Frau Düker hat die Bürgermeister einzelner Städte zitiert, die sich gegen die Einrichtung von Landesaufnahmestellen für Flüchtlinge aussprechen. Das tun sie. Als CDU-Landesvorsitzender haben Sie möglicherweise keinen unmittelbaren Einfluss darauf; das kann ich verstehen. Ich kann auch gelegentlich Bürgermeister verstehen, die, um ihre Wiederwahl ringend, andere Positionen einnehmen. Aber, Herr Laschet, da, wo Sie einen unmittelbaren Einfluss auf Ihre eigene Fraktion haben, bitte ich Sie in der Tat um Redlichkeit und Wahrheit in Ihren Worten.
Herr Laschet, ich sage es einmal ganz konkret: Die Stadt Essen möchte eine größere Erstaufnahmeeinrichtung für das Land errichten. Es gibt einen Oberbürgermeisterkandidaten, Ihren Fraktionskollegen Kufen, der sagt: Das geht nicht; das ist ein Filetgrundstück, da muss ein Hotel drauf. – Er sagt noch viel mehr: Außerdem ist das Gesetz über sichere Herkunftsländer beschlossen worden. Die Flüchtlingszahlen werden deutlich heruntergehen; wir brauchen solche Einrichtungen nicht.
Herr Laschet, ich bitte Sie, der schon den Fehler gemacht hat, Unna-Massen zu schließen, auf Ihren Fraktionskollegen Kufen dahin gehend einzuwirken, dass er die Errichtung einer Landesaufnahmestelle
in Essen nicht länger blockiert. Jetzt stehen Sie in der persönlichen Verantwortung, dass dies auch geschieht.
In meinem Geschäftsbereich arbeiten 65.000 Menschen engagiert und gut. Sie machen gute Arbeit. Aber jeden Tag machen diese Menschen auch Fehler.
Um es deutlich zu sagen: Für die Fehler meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehme ich keine Verantwortung, diese Verantwortung habe ich. Mir ist wichtig, dass wir in meinem Geschäftsbereich eine Fehlerkultur haben, die da lautet: Nichts wird unter den Teppich gekehrt. Fehler darf man machen, aber sie müssen klar benannt werden. Aus Fehlern sind Lehren zu ziehen, Fehler sind abzustellen,
und es ist alles dafür zu tun, dass solche Fehler möglichst nie wieder passieren, Herr Laschet. Das ist meine Philosophie von Verantwortung. Noch einmal: Ich übernehme die Verantwortung nicht, ich habe sie – immer und für alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Letzter Punkt. Herr Paul, was meinen Disput mit Frau Jägers, Ordnungsdezernentin in Dortmund, angeht: Sich mit der Thematik „Flüchtlingsaufnahme und Flüchtlingsunterbringung“ täglich zu befassen – das mache ich im Rahmen meiner Tätigkeit zum Teil, und das tun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von mir den ganzen Tag. Frau Jägers als Ordnungsdezernentin in Dortmund macht das ebenfalls jeden Tag. Sie ist als Ordnungsdezernentin dafür verantwortlich, dass die Flüchtlinge dort nicht obdachlos werden.
Herr Paul, ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin froh, dass wir in diesem Land trotz der internationalen Lage eine solch hohe Akzeptanz bei den Menschen dafür haben, hier Flüchtlinge aufzunehmen, auch wenn das eine unglaubliche Herausforderung ist. Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Jahr 2014 nicht mehr eine Diskussion wie in den 90er-Jahren haben, mit Begriffen wie: „Das Boot ist voll“, „Flüchtlingsschwemme“, „Asylanten“, „Asylmissbrauch“. Das müssen wir bewahren. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Akzeptanz bleibt.
Dann erwarte ich aber auch von den politisch Verantwortlichen eine Rhetorik, die dem gerecht wird. Ein Zitat wie „Das System kollabiert“ ist dieser Situation nicht angemessen.
Jeder, der Verantwortung trägt, muss besonnen arbeiten und muss sich in der Öffentlichkeit auch besonnen verhalten.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sie haben die Verantwortung im Land! Das ist unglaublich! Das Land hat die Verantwortung für die Un- terbringung! – Weitere Zurufe)
Herr Stamp noch einmal. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Jeder, der politische Verantwortung hat, muss vermeiden, dass in diesem Land eine Bootist-voll-Stimmung entsteht. Und das, Herr Stamp, erwarte ich auch von einer Frau Jägers. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.