Protocol of the Session on October 1, 2014

Es ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich auch die Politik stellen muss, die Rahmenbedingungen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben so zu gestalten, dass wir möglichst lange in der gewohnten Umgebung leben können. Deshalb ist auch die Quartiersentwicklung,

die Schaffung von Infrastruktur wichtig und nötig, betreutes Wohnen, ambulante und stationäre Dienste zu verzahnen. Dies muss natürlich im Quartier ermöglicht werden und nicht irgendwo außerhalb auf der grünen Wiese, wo die Grundstücke möglicherweise preiswerter sind.

Es wird auch immer Fälle geben, bei denen zuhause eine Pflege in der gebotenen Qualität und Sorgfalt nicht mehr möglich ist. Gesellschaftliche Entwicklungen wie eine zunehmende Anzahl von Singlehaushalten oder entfernt wohnende Angehörige führen im Übrigen dazu, dass eine Pflege innerhalb der Familie häufig nicht mehr sichergestellt werden kann.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den nächsten 20 Jahren um 20 bis 25 % steigen.

Dem muss in einem Gesetz Rechnung getragen werden. Wenn die steigende Zahl der Pflegebedürftigen gut versorgt werden soll, müsste die Angehörigenpflege um ca. 50 % und die hauptamtliche ambulante Pflege um ca. 106 % zunehmen. Diese Zahlen sprechen für sich; sie zu erreichen ist illusorisch.

Meine Damen und Herren, unsere Sorge hat sich während und nach den insgesamt drei Anhörungen und Expertengesprächen und vielen Sitzungen, die wir durchgeführt haben, massiv verstärkt. Es hat sich gezeigt, dass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ nicht ins Gegenteil verkehrt werden darf. Der Grundsatz darf nicht, wie auch mein Vorredner schon gesagt hat, „ambulant statt stationär“ heißen.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Bedarfe in Nordrhein-Westfalen in den verschiedenen Regionen deutlich unterschiedlich sind. Während nach allen Erkenntnissen in einigen Regionen der Bedarf nach stationären Plätzen gedeckt ist, gibt es Kommunen, in denen es einen erheblichen Bedarf an zusätzlichen stationären Plätzen gibt. Diesem Aspekt muss die Politik Rechnung tragen, denn es darf nicht sein, dass die Wirtschaftlichkeit bestehender Einrichtungen durch die Genehmigung weiterer Einrichtungen gefährdet wird.

Die CDU hat schließlich ihre Vorstellungen zu Papier gebracht und in Form eines Entschließungsantrags in den parlamentarischen Beratungsprozess einbringen wollen. Wir haben es am Ende nicht getan, denn während zahlreicher interfraktioneller Gespräche wurde sehr deutlich, dass sich insbesondere die SPD unseren Forderungen nicht verschließen wollte und sich, wie ich vermute, letztlich auch gegenüber den Grünen durchgesetzt hat.

Dabei spielte nach unserer Einschätzung unser Vorschlag, den Kommunen eine Steuerungsmöglichkeit an die Hand zu geben, wonach sie entsprechend der jeweiligen Bedarfssituation zusätzliche stationäre Plätze genehmigen können, eine entscheidende Rolle. Ich denke, dass wir hier im Interesse der Bedarfssteuerung durch die Kommunen –

ich halte das für das technische Kernstück dieses Gesetzes – auf dem richtigen Weg sind und eine gute Regelung gefunden haben.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass nun alle Fraktionen diese Änderungswünsche mittragen. Die praktische Vernunft hat gesiegt, und der von Karl-Josef Laumann schon 2007 eingeschlagene und nun weiterentwickelte Weg kann fortgeführt werden. Dabei ist uns klar, dass das ständig ein Thema ist. Es muss ständig weiterentwickelt werden.

Zum Ende meiner Rede möchte ich mich, wie mein Vorredner, ausdrücklich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, bei den Fraktionsmitgliedern sowie bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ministeriums für die konstruktive Zusammenarbeit und die Mitwirkung an dem vorliegenden Gesetzestext bedanken. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. Seien Sie so nett, noch einen Moment vorne zu bleiben, denn Frau Kollegin Beer hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet und erhält jetzt für 90 Sekunden das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben sich am Schluss Ihres Redebeitrags bei allen bedankt. Das war ein Hoffnungszeichen.

Ich habe mich sehr über die Tonlage Ihres Beitrags gewundert. Da Sie sich auf Ihren früheren Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann beziehen, sage ich Ihnen: Das hätte er heute hier sicherlich in einer anderen Art und Weise dargeboten. Ich habe als Parlamentarische Geschäftsführerin selten einen Prozess erlebt, in dem so umfänglich partizipativ miteinander beraten worden ist. Das, was Sie in dieser Tonlage darzubieten versucht haben, ist des Prozesses und der Kooperation der Fraktionen – auch in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Fachebenen des Hauses – eigentlich nicht würdig. Ich finde es schade, dass ein solcher Punkt am Ende dieses Prozesses steht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Beer, es tut mir leid, dass Sie diesen Eindruck gewonnen haben. Das war nicht meine Absicht, sondern ich habe ausdrücklich gesagt – ich habe das auch mehrfach im Beratungsprozess zum Ausdruck gebracht, vor allen Dingen in der letzten Ausschusssitzung –, dass die Zusammenarbeit aller Fraktionen ausgesprochen konstruktiv gewesen ist.

Aber Sie werden mir bitte nachsehen, dass wir als CDU-Fraktion auch eine politische Wertung der Vorgänge vornehmen, dass wir auf den ursprüng

lich vorgelegten Gesetzentwurf und auf ganz bestimmte Ansätze Bezug nehmen, die von den Fraktionen, auch von den Grünen, in unterschiedlicher Weise vertreten werden, und dass wir hier unsere Sorge zum Ausdruck bringen, dass das, was in dem Gesetzentwurf ursprünglich geplant war, nicht unbedingt unserer Verantwortung entspricht. Aber mit dieser politischen Bewertung soll in keiner Weise infrage gestellt werden – es soll auch nicht in irgendeiner Form kritisiert werden –, dass wir in dieser Sache sehr gut kooperiert haben.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. So weit Kurzintervention und Entgegnung darauf. – Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Ünal das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Besonders die Rede von Herrn Preuß verleitet uns zum Polemisieren, aber wegen der Harmonie möchte ich das nicht machen. Ich möchte einfach darstellen, wie das GEPA NRW zustande gekommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir stehen vor der großen Aufgabe, die demografischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gemeinsam zu meistern und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die Zahl der älteren Menschen und die Zahl der pflegebedürftigen Menschen – das wissen wir schon längst – werden zunehmen. Unter den älteren Menschen wird die Zahl derjenigen, die keine Familienangehörigen haben oder die im Alter allein leben, weiter zunehmen.

Wie soll die Pflege organisiert werden? Wie können die Menschen im Alter in ihren Wohnungen und in ihren Quartieren bleiben, wenn sie pflegebedürftig sind? Die weit überwiegende Zahl der Menschen will bis ins hohe Alter in ihrer vertrauten Wohnumgebung bleiben, sogar wenn sie pflegebedürftig sind. Traditionelle Wohnheime sind für viele Menschen also keine Alternative.

Aufgabe ist es daher, Wohnen im Alter und die gesellschaftliche Teilhabe im eigenen Wohnquartier selbstbestimmt zu ermöglichen und zudem die gesundheitliche und pflegerische Versorgung im Bedarfsfall im unmittelbaren Wohnumfeld zu gewährleisten.

Hierzu brauchen wir zukunftsorientierte Angebote, die das Zusammenleben aller Generationen und von Menschen unterschiedlicher Herkunft in den Stadtteilen und Wohnquartieren fördern. Pflege- und Unterstützungsformen sowie die Konzepte zur Quartierentwicklung insgesamt müssen auch die Bedarfe der Menschen mit Migrationshintergrund einbeziehen.

Eine Vielfalt von Angeboten ist gefragt: Wohnen mit Versorgungssicherheit in der eigenen Wohnung, Mehrgenerationenwohnen, Pflege- und Wohngruppen oder Haus- und Wohngemeinschaften, die auch rund um die Uhr eine Pflege und Unterstützung anbieten.

Dabei ist die teilstationäre und stationäre Versorgung dringend notwendig. Wenn hier behauptet wird, dass mit dem GEPA die stationären Einrichtungen ausgeschlossen werden sollten, dann stimmt das nicht. Dies war nie das Ziel des GEPA; vielmehr ist ein Mix von unterschiedlichen Angeboten notwendig.

Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass viele Vorschriften des Wohn- und Teilhabegesetzes – wie es die schwarz-gelbe Landesregierung damals verabschiedet hatte – eben solche alternativen Wohnformen erschwert und sogar verhindert haben. Eine Novellierung und Neuausrichtung der bestehenden Pflegegesetze in NRW war dringend notwendig.

Darum hat das Ministerium diesen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Dass zum GEPA heute ein breiter Konsens über die Fraktionen hinweg besteht, ist ein starkes Signal für die Pflege. Ja, heute ist ein guter Tag für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen in NRW.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem GEPA – die Vorrednerinnen haben es bereits erwähnt, aber ich möchte auch noch kurz einige Punkte nennen – unterstützen wir die Entwicklung von Wohn- und Pflegeangeboten, um einen möglichst langen dauerhaften Verbleib im eigenen Quartier zu ermöglichen.

Wir reformieren auch den Mindeststandard bei den Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit dem Wohn- und Teilhabegesetz. Wir befördern die Entwicklung bedarfsorientierter ambulanter und teilstationärer Unterstützungsangebote. Wir schaffen Entlastung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen. Wir unterstützen bestehende Heime bei ihren bedarfsgerechten Modernisierungsmaßnahmen und ihre Öffnung in das Quartier. Wir stärken die Beratung und die Prävention in der Altenarbeit.

Mit dem GEPA wird ein Paradigmenwechsel von den traditionellen Großeinrichtungen im alten Stil hin zu umfassenden Wohn- und Versorgungsformen in den Wohnquartieren eingeleitet. Die klaren Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention

hinsichtlich des Anspruchs auf Selbstbestimmung sind im GEPA und in den Durchführungsverordnungen besonders berücksichtigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Blick in die vergangenen 30 Jahre zeigt, dass zunächst ausschließlich durch Eigeninitiative der betroffenen

Menschen und danach durch trägergebundene Projekte ein vielfältiges Spektrum an Wohnformen und beim Pflegebedarf in NRW entwickelt wurde und entstanden ist.

Die traditionelle Altenhilfe hingegen hat in den vergangenen Jahrzehnten immer noch sehr stark auf die stationäre Form der Alten- und Pflegeheime als Angebot für pflegebedürftige Menschen gesetzt, wenn die Versorgung in der eigenen Wohnung nicht mehr sichergestellt werden konnte.

Heute versuchen sehr viele Träger, in ihren Heimen auch den Wohncharakter zu betonen und gemeinschaftliches Wohnen in überschaubaren Wohngruppen anzubieten. Dennoch gibt es noch viele Einrichtungsträger, die der Umsetzung der neuen baulichen Anforderungen, mit denen auch Barrierefreiheit geschaffen werden soll, noch nicht nachgekommen sind. Das ist auch eine Realität in NRW.

Damit dieser notwendige Wandel bestehender Einrichtungen gewährleistet ist, werden im neuen GEPA und in den Durchführungsverordnungen viele Verbesserungen im Rahmen der Finanzierung zur Modernisierung, bei der Schaffung der Einzelzimmer oder der Verkleinerung der Heime auf 80 Plätze vorgenommen. Die 4%ige Finanzierung stand auch schon im Originalgesetzestext und ist so gesehen nicht erst durch den Änderungsantrag eingeführt worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist natürlich eine wesentliche Verbesserung.

Wir müssen leider auch feststellen, dass große Trägerverbände und Investoren den steigenden Bedarf in der Pflege – der unbestritten ist – durch den weiteren Zubau mit großen Heimen decken wollen. In welche Richtung sich jedoch die Infrastruktur in der Pflege weiterentwickelt, darf nicht im Ermessen einzelner Investoren oder Heimträger liegen.

Dies muss vor Ort unter Einbeziehung der Betroffenen entwickelt werden. Deshalb ist es umso wichtiger, den Kommunen stärkere Steuerungsmöglichkeiten bei der kommunalen Pflegeplanung in die Hand zu geben. Mit einer in die Zukunft gerichteten Planung wäre es nicht vereinbar, wenn die Kommunen die Schaffung weiterer Großeinrichtungen hinnehmen und finanzieren müssten, obwohl der zusätzliche Bedarf längst durch umfassende ambulante Wohn- und Pflegeformen im Quartier gedeckt werden könnte.

In den Beratungen und im Hearing wurde anhand sehr vieler Beispiele gezeigt, dass wir durch diese Quartierentwicklung dem Pflegebedarf in ambulanter Form gerecht werden können.

Ich komme zum Schluss. Wir haben mit diesem Gesetz tatsächlich einen Paradigmenwechsel geschafft. Für diesen Paradigmenwechsel in NRW, der bundesweit einzigartig ist, möchte ich ausdrücklich meinen Dank an unsere Ministerin Barbara Stef

fens, unsere Staatssekretärin Frau HoffmannBadache und den Abteilungsleiter Herrn Leßmann aussprechen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bedanken möchte ich mich natürlich auch bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, die seit anderthalb Jahren sehr intensiv an diesem Thema gearbeitet haben, sowie bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und unserem Vorsitzenden Herrn Garbrecht.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letzter Satz: Dieses Gesetz wird am 1. Januar 2015 umgesetzt. Ich rufe auch die Einrichtungsträger dazu auf, im Interesse der pflegebedürftigen Personen bei der Umsetzung konstruktiv mitzuarbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.