Wenn wir über den Entzug von Reisepässen reden, finde ich, muss man hier aber auch klar sagen: Es gibt hier hohe Hürden. Es gibt zu Recht hohe Hürden, weil das natürlich Grundrechte einschränkt, weil es verhindert, dass Menschen ausreisen können. Insofern sind diese hohen Hürden richtig.
Ich möchte auch noch einmal mahnend sagen: Wir dürfen uns von Salafisten, von Islamisten nicht einschüchtern lassen, in unserer Gesellschaft nicht verunsichern lassen. Es kann nicht sein, dass jetzt schon wieder auf Bundesebene vonseiten der CDU Gesetzesverschärfungen diskutiert werden und dass voreilig die Grundrechte und Werte unserer Gesellschaft anscheinend über Bord geworfen werden. Denn genau das wollen Islamisten und Salafisten doch. Sie wollen, dass wir uns verunsichern lassen. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir dürfen nicht darauf hereinfallen.
Wir sind als Gesellschaft gefragt, unsere freiheitlichen Werte mit Leben zu füllen. Gerade diejenigen, die ansprechbar sind, die potenziell einfache Antworten auf komplexe Fragen suchen, müssen wir stärken und davor schützen, auf diese Propaganda von Salafisten hereinzufallen. Wir müssen sie für unsere demokratische Gesellschaft gewinnen.
Deshalb muss die Debatte auch über sicherheitspolitische Fragen hinausgehen. Wir müssen über Gesellschaftspolitik reden. Wir müssen jungen Menschen in dieser Gesellschaft eine Perspektive geben, damit sie nicht auf solche Ideologien hereinfallen und damit sie gesellschaftliche Teilhabe erfahren.
Ich meine: Es geht hier sehr viel um gesellschaftliche Werte. Es geht um die Fragen, ob wirklich alle gesellschaftliche Teilhabe erfahren, ob es eine Anerkennung gibt, oder ob wir nicht zum Teil Menschen in dieser Gesellschaft ausgrenzen. Ich glaube, das gehört zu der Frage dazu. Ich finde, das sollten wir auch diskutieren.
Ich sehe auch, dass es immer wieder zu Ausgrenzungsversuchen und Diskriminierungserfahrungen gerade bei jungen Musliminnen und Muslimen in dieser Gesellschaft kommt. Ich meine, dass wir darüber diskutieren müssen.
Das ist keine Entschuldigung für salafistische Einstellungen. Es geht nicht darum, das zu relativieren oder zu entschuldigen, aber man muss doch über die Ursachen sprechen, wenn man das Problem angehen will.
Ihr Vorgehen in der CDU – hier wird darüber geredet, man müsse deutsche Gesetze auf ihre Islamfestigkeit überprüfen – halte ich für hochgradig problematisch.
Dazu gehören Musliminnen und Muslime. Es kann nicht sein, dass diese Menschen ausgegrenzt werden, denn dann haben wir die Probleme, vor denen wir jetzt stehen. Insofern sind Prävention und gesellschaftspolitische Diskussion so notwendig. Da fangen wir an.
Wir haben mit „Wegweiser“ das bundesweit einmalige Präventionsprojekt geschaffen. Im Übrigen werden die Hotline und das Bundesprojekt „HATIF“ gerade abgeschaltet. Das muss man an dieser Stelle auch sagen. Auf nordrhein-westfälischer Seite sind wir offenbar sehr erfolgreich mit dem Präventionsprojekt, das wir gestartet haben.
Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, gemeinsam mit den muslimischen Gemeinden daran zu arbeiten, dass junge Menschen eben nicht auf die salafistische Ideologie hereinfallen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewaltbereiter Salafismus bzw. – ganz allgemein – gewaltbereiter Islamismus sind selbstverständlich wichtige Themen, über die wir hier reden müssen und über die debattiert werden muss. Ich denke, darüber sind wir uns alle einig. Die Gefahr, die von Extremisten egal welcher Couleur ausgeht, ist real.
Auch bin ich selbstverständlich der Ansicht, dass, wenn rechtlich möglich, gegen Aktionen vorgegangen werden muss, von denen sich Menschen bedroht oder genötigt fühlen – völlig egal, ob sich diese Bedrohung oder Nötigung tatsächlich als solche im strafrechtlichen Sinne herausstellt.
Natürlich bin ich vor allem der Meinung, dass die Bevölkerung ein Recht darauf hat, vor solchen Menschen und insbesondere den dahinter stehenden Ansichten oder Absichten gewarnt zu werden. Das ist im Fall der Scharia-Polizei auch vielfach durch entsprechende Medienberichte geschehen.
Mir stellt sich allerdings die Frage: Müssen wir diesen einen konkreten Vorfall tatsächlich auf diese Ebene heben? Sind es dieser konkrete Vorfall – damit meine ich keinesfalls die Debatte als solche; das habe ich gerade betont – und die daran beteiligten Extremisten tatsächlich wert, die Aufmerksamkeit dieses Parlaments im Rahmen einer Aktuellen Stunde und damit noch mehr Öffentlichkeit zu bekommen?
Wenn es eine gefährliche Lage gewesen wäre, die man mit allem Nachdruck nachbereiten müsste, oder wenn die Landesregierung mal wieder planlos und inkompetent reagiert hätte – das hat sie in dem Fall tatsächlich mal nicht getan –,
Mit der heutigen Aktuellen Stunde haben Sie es geschafft, den Extremisten quasi noch das i-Tüpfelchen dessen zu geben, was Sie mit dieser Aktion erreichen konnten. Noch mehr geht eigentlich nicht.
Obwohl: Ein bisschen mehr geht schon. Selbst die Kanzlerin hat sich zu dem Thema geäußert. Die Frau ist ein Phänomen.
gerechnet, wenn sie etwas sagt, tut sie das zu Themen, zu denen sie besser die Klappe gehalten hätte.
Aber lassen wir diesen kostenlosen Werbeblock, den Sie den Extremisten heute geschenkt haben, einfach einmal beiseite. Das Problem ergibt sich eigentlich immer, wenn wir über Extremisten reden. Dasselbe Problem haben wir auch bei den Rechten. Das lässt sich nur schwer vermeiden, auch wenn man darauf achten sollte, das mit Maß zu machen.
Aber hierbei kommt noch ein entscheidender Aspekt hinzu: Die Rechten können Sie eigentlich alle in einen Topf werfen, pauschal kritisieren und richtig kräftig draufhauen – verbal natürlich –: Sie treffen immer den Richtigen, egal, wen Sie treffen und wen Sie kritisieren.
Wir reden aber über Glaubensgemeinschaften, bei denen das etwas anders aussieht. Frau Kraft – sie ist nicht mehr da – meinte in ihrer Haushaltsrede am Mittwoch, es sei gut, dass sich die islamischen Verbände von den Extremisten abgrenzen. Damit hat sie Recht.
Aber ich behaupte: Es ist schlecht, dass sie das überhaupt tun müssen. Denn dass sie das tun müssen, kann eigentlich nur daran liegen, dass es Menschen gibt, die nicht unterscheiden können oder – noch schlimmer – die nicht unterscheiden wollen, dass Salafismus oder – ganz allgemein – Islamismus oder sonstige extreme Richtungen nicht das Geringste mit dem Islam zu tun haben, den 99 % aller hier lebenden Muslime praktizieren.
Ich behaupte: Einem vernünftig denkenden Menschen ist das klar. Meinem Vernehmen nach ist das auch in diesem Hause jedem klar. Gerade die Tatsache, dass es sogar in diesem Hause jedem klar ist, zeigt doch, dass das Maß an Vernunft, um das zu verstehen, noch nicht einmal besonders hoch sein muss.
Trotzdem gibt es noch immer genug Menschen, die nicht noch einmal dieses Mindestmaß an Vernunft aufbringen. Deshalb ist es gerade bei diesem Thema äußerst wichtig, eine Debatte mit Augenmaß zu führen.