Auf der Grundlage einer Simulationsrechnung zu den Verteilungswirkungen einer europäischen Arbeitslosenversicherung kommt das IAB zu dem Schluss, dass es zu nennenswerten Umverteilungswirkungen innerhalb Europas kommen würde, Deutschland zum größten Nettozahler würde und komplizierte Probleme bei der Verzahnung mit den bestehenden Sicherungssystemen der Mitgliedsländer entstehen würden.
Diese Problemlagen müssen wir in unsere Betrachtungen einbeziehen. Ich komme jedoch nicht zu dem Schluss wie Herr Kerkhoff, der gesagt hat, dass er deshalb in diese Richtung nicht weiterdenken möchte. Ich erlebe diese Untersuchung des IAB als Denkanstoß und nicht als Ausschlussfaktor, uns weiterhin mit der europäischen Arbeitslosenversicherung zu beschäftigen.
Es gilt aus unserer Sicht genau hinzuschauen. Wir befinden uns erst am Anfang dieser Debatte. Wir tragen es gern in den Ausschuss, auch auf Bundes- und Europaebene. Ich freue mich auf die Diskussion. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von den Piraten! Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint.
Ich glaube, dass Sie etwas Gutes erzielen wollen, aber der Weg, den Sie beschreiten wollen, ist mir sehr fremd.
Das fängt schon mit ganz grundsätzlichen Fragestellungen an. Wie wollen Sie zum Beispiel strukturelle und konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit auseinanderdividieren? Für das eine ist es zuständig, für das andere nicht.
Den Begriff „Subsidiarität“ müssen wir leben und ihn nicht nur in Sonntagsreden nach draußen tragen und im täglichen Handeln sagen, da gebe es noch Möglichkeiten, neue Förderquellen zu erschließen. Dass der Stellenwert Europas, der in diesem Hause insgesamt sehr hoch ist, draußen in der Öffentlichkeit nicht unbedingt so positiv gesehen wird, wie wir es hier sehen, liegt auch darin begründet, dass man draußen – manchmal durchaus zu Recht – das Gefühl hat, es geht eigentlich um eine große Umverteilung. Es werden Transfermittel von A nach B geschoben, und derjenige, der am lautesten ruft, be
Meine Damen und Herren, wir müssen doch die Staaten, gerade die südeuropäischen Staaten, die jetzt in dem schmerzhaften Reformprozess begriffen sind und schon die ersten Erfolge haben, stützen und dürfen nicht sofort sagen: Wir können wieder eine Ausweichmöglichkeit, eine neue Finanzierungsquelle für euch erschließen. Das kann doch nicht richtig sein; das kann uns allen doch nur auf die Füße fallen.
Kollege Kerkhoff sagte letzte Woche im Europaausschuss, dass der italienische Gesandte auf die Frage nach der europäischen Arbeitslosenversicherung – nach meiner Wahrnehmung – sehr freundlich, aber mit relativ dürren Worten gesagt hat, einer müsse es wohl bezahlen. Die Größenordnung, um die es geht, hat Kollege Kerkhoff doch genannt. Das Arbeitsmarkt- und Berufsforschungsinstitut der
Nürnberger Bundesanstalt hat für den Zeitraum der letzten fünf Jahre ausgerechnet, dass es um einen Transfer von rund 20 Milliarden € geht.
Wir müssen doch überlegen, was wir damit bewirken. Es geht darum, dass wir die Staaten des Südens in ihren Reformbemühungen auf jede Art und Weise unterstützen, und nicht darum, jetzt wieder halbherzig zurückzurudern.
Der andere Punkt ist: Wollen wir wirklich zusätzliche Kompetenzen der EU aufbauen, auch im sozialen Bereich? Oder wollen wir nicht sagen, die EU soll und muss sich auf die Kernbereiche beschränken, und sie hat keine Zuständigkeit in dem sozialen Bereich? Dann sollten wir das jetzt auch nicht weiter tun. Wir müssen erst einmal Europa in der Größenordnung, die wir jetzt haben, konsolidieren und nicht Neues aufbauen.
In einer Umfrage von 2011 in den 27 EU-Staaten haben sich 64 % der repräsentativ Befragten dafür ausgesprochen, dass der soziale Bereich nach wie vor im nationalen Bereich gelöst werden soll. Wir als FDP sind gern bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, aber aufgrund der hier dargestellten skizzierten Rahmenbedingungen kann ich mir momentan nicht vorstellen, dass wir als FDP Ihren Vorstellungen zustimmen würden.
Wenn Sie neue Fakten bringen, können wir gern unsere Meinung ändern. Aber ich habe die Ahnung, dass wir hier eine relativ klare Aufstellung haben. Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint. Ich gestehe Ihnen zu: Sie haben es wirklich gut gemeint, doch so klappt es nicht. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise der letzten Jahre haben aus meiner Sicht gezeigt, dass die Einrichtung von automatischen Mechanismen zur Konjunkturstabilisierung sinnvoll ist.
Wir haben damit in Deutschland sehr gute Erfahrungen in der Krise gemacht. Ich erinnere zum Beispiel an die Regelungen zum Kurzarbeitergeld.
In der Wissenschaft werden hierzu verschiedene Modelle diskutiert. Das Modell einer europäischen Arbeitslosenversicherung, das auf den Berliner Ökonomen Sebastian Dullien zurückgeht, ist das bekannteste, spätestens seit sich Sozialkommissar László Andor auf öffentlichen Veranstaltungen vehement für die Einrichtung einer solchen Arbeitslosenversicherung ausgesprochen hat. Andor geht davon aus, dass die europäische Arbeitslosenversicherung das nächste große Projekt nach Einführung der Bankenunion ist.
Meine Damen und Herren, ich bin da etwas vorsichtiger. Wir beschäftigen uns schon länger mit dem Modell, und es lohnt sich, vertieft darüber nachzudenken. Ich halte die europäische Arbeitslosenversicherung grundsätzlich für geeignet zur automatischen Konjunkturstabilisierung.
Ich stimme auch den Antragstellern in ihrer Auffassung zu, dass die Solidarität der europäischen Bürgerinnen und Bürger hierdurch gestärkt würde. In der Wirtschaftskrise wurde Europa überwiegend mit Bankenrettung, Sparzwang und Sozialabbau verbunden. Eine europäische Arbeitslosenversicherung könnte aus meiner Sicht dazu beitragen, verloren gegangenes Vertrauen in die Europäische Union durch einen unmittelbaren und positiven Bezug wiederherzustellen. Die Menschen würden erfahren, dass ihnen die EU bei persönlicher Arbeitslosigkeit unmittelbar hilft.
Meine Damen und Herren, auch in der Sozialpolitik muss sich die Denkweise verbreiten, dass europäische Lösungen möglich und in der Globalisierung auch erforderlich sind. Der wirtschaftliche Einfluss einzelner Länder geht in der Liberalisierung des weltweiten Handels immer weiter zurück. Deshalb muss ein starkes Europa sozialpolitische Standards setzen.
begleiten. Eine Entscheidung zur Einführung einer solchen Versicherung sollte damit aber nicht vorweggenommen werden. Von einer kurzfristigen Einführung ist realistisch nicht auszugehen, zumal vermutlich eine Änderung der europäischen Verträge erforderlich wäre. Vorher sind noch zahlreiche offene Fragen zu klären und Vorarbeiten zu leisten. Beispielsweise gibt es bis heute keine europaweit einheitliche Definition von Arbeitslosigkeit. Viele Details sind auch in den theoretischen Modellen noch offen.
Ein zentraler Punkt für die Akzeptanz der Bevölkerung – das ist von Ihnen schon angesprochen worden – ist zudem die Frage, ob einzelne Mitgliedstaaten auf Dauer Nettozahler wären oder ob mittelfristig alle Länder profitieren können. Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hier ist nur eine zitiert worden, die allerdings lediglich die Zahlen der letzten Jahre im Auge hat. Andere Studien können zum Beispiel nachweisen, dass im Jahr 2000 die Bundesrepublik Deutschland Profiteur einer entsprechenden europäischen Arbeitslosenversicherung gewesen wäre.
Einig ist sich die Wissenschaft in Bezug auf die konjunkturstabilisierende Wirkung einer solchen Versicherung. Das wird auch praktisch belegt durch die US-amerikanische Arbeitslosenversicherung, die in Teilen als Vorbild für das europäische Modell dient.
Meine Damen und Herren, auf einem informellen Ratstreffen der europäischen Arbeits- und Sozialminister Mitte Juli in Mailand hat die italienische Ratspräsidentschaft gegenüber der Europäischen Kommission angeregt, ein Grünbuch zu automatischen Stabilisatoren vorzulegen. Hierdurch ließe sich die Diskussion über den Nutzen, über Vor- und Nachteile sicherlich versachlichen. Eine solche Diskussion sollten wir auch in den Ausschüssen des Landtags intensiv führen. Ich glaube, das würde uns insgesamt weiterbringen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf eines hinweisen, damit es hier nicht zu Missverständnissen kommt: Die perspektivischen Überlegungen und Diskussionen über den Gedanken einer europäischen Arbeitslosenversicherung, ob sie nun irgendwann umgesetzt wird oder nicht, haben nichts mit der Ausgestaltung der deutschen Arbeitslosenförderung zu tun. Hier sind aus Sicht der Landesregierung kurzfristige Reformen, beispielsweise mit Blick auf eine bessere Praktikabilität, und Eingliederungshilfen dringend erforderlich.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Bevor es zum schönen Wochenende kommt, hat sich Herr Kern noch mal zu Wort gemeldet. 31 Sekunden – bitte schön, Herr Kern.
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Ministerin, für die offenen Worte.
An Herrn Kerkhoff: Derjenige, den Sie aus dem Ausschuss zitiert haben, war nicht ich, sondern der Kollege Paul. Insgesamt lag die besondere Situation vor,
dass er nicht der außerordentliche Botschafter Italiens war und kein offizielles Mandat hatte. Daher, denke ich, konnte er nicht so sprechen wie vielleicht ein Botschafter, eine Exzellenz.
Frau Maaßen, wenn es nur an dem Wort „problemlos“ scheitert, dann liegt vielleicht eine Fehlinterpretation vor. Im Ausschuss können wir uns gerne darüber unterhalten, ob wir daraus ein „widerspruchsfrei möglich“ machen. An Wortklauberei wollen wir den Antrag nicht scheitern lassen.
Herr Ellerbrock, konjunkturell, strukturell: Wie gesagt, das ist an der Kurzfristigkeit der Maßnahme sehr gut abzulesen. Die strukturelle Arbeitslosigkeit ist von Dauer. Daran muss jeder einzelne Mitgliedstaat arbeiten.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie lang sind 31 Se- kunden? – Gegenruf von Torsten Sommer [PIRATEN]: Nicht so kleinlich!)
Für die konjunkturellen Schwächen wäre die EU, die Eurozone zuständig. Ich glaube, das kann man sehr gut differenzieren.