Protocol of the Session on September 10, 2014

Heute ist diese Spitzenstellung unter den deutschen Ländern längst verloren gegangen. Der aktuellste Beweis dafür sind die Haushaltspläne – soweit man das, was Sie uns heute hier vorgelegt haben, überhaupt „Plan“ nennen kann.

(Beifall von der CDU)

Das Schlimme sind aber nicht nur die 140 Milliarden € Schulden. Schlimm ist auch, dass Sie immer weitere Schulden aufnehmen. Das Allerschlimmste ist aber – und das ist bei den Erklärungen des heutigen Morgens noch einmal sichtbar geworden –: Sie haben auch gar keine Idee, wie man da heraus

kommt. Das ist eine Ideenlosigkeit, eine Hilflosigkeit,

(Beifall von der CDU und der FDP)

die man in politischen Prozessen selten erlebt hat.

Als bei uns in Aachen das Klinikum gebaut wurde – Neue-Heimat-Projekt, explodierende Kosten; die Älteren erinnern sich –, hat Johannes Rau einmal gesagt: Wenn die Kosten dauernd so aus dem Ruder laufen und explodieren, bleibt mir fast nur eine „fidele Resignation“. – Ich glaube, dieser Gedanke Ihres früheren Chefs hat Sie zu sehr geprägt, Herr Finanzminister.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind alle gerne Rheinländer. Den Landeshaushalt wünsche ich mir aber nicht mit fideler Resignation, so wie Sie ihn heute vorgetragen haben, sondern mit ein paar Ideen, was wir denn da anders machen können.

(Beifall von der CDU, Dietmar Brockes [FDP] und Dr. Joachim Stamp [FDP])

Jetzt sage ich Ihnen, was der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist. Man kann nicht den Landeshaushalt kaputtsparen. Da sind wir noch einer Meinung. Die Kernfrage ist aber doch: Schafft man Strukturveränderungen, indem man sich auf die wesentlichen Dinge beschränkt?

(Zurufe von der SPD und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Ja, ich sage es Ihnen gleich.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Die Ministerpräsidentin hat gerade darum gebeten, dass ich ihr das erkläre. Das tue ich jetzt auch. Ich erkläre Ihnen das ja. Das kommt ja alles.

(Beifall von der CDU)

Wir machen ja, so gut wir können, schon in ganz vielen Bereichen Ihren Job. Deshalb machen wir ihn jetzt auch hier.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Unser Ansatz ist: Dieses Land muss – Herr Finanzminister, Sie haben es heute Morgen schon im Radio gehört – nicht alles aus der Regierungszentrale steuern.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Nein, nein, nein. Sie haben die Vorstellung: Wir wissen, was für das Land gut ist.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Abwälzen auf die Kommunen! Das haben Sie fünf Jahre erfolg- reich gemacht!)

So machen Sie das seit 30 Jahren: Wir wissen, was gut ist. Also brauchen wir viele Beamte, die wir ein

stellen, die das dann genau regulieren. Die erlassen dann viele Vorschriften. Dazu brauchen Sie wieder Mittelbehörden, die dann überprüfen, ob die Vorschriften auch eingehalten werden. So entsteht ein einziger Beamtenapparat, den Sie dann bezahlen müssen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Die Kommunen sollen es bezahlen!)

Das war das alte sozialdemokratische Denken. Aber die Grünen …

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Herr Jäger, Sie sind ja kein Grüner.

(Minister Ralf Jäger: Gott sei Dank! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Ein Jäger!)

Gott sei Dank, sagt er, ist er kein Grüner. – Die Grünen waren in dieser Frage aber schon einmal weiter.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Unter der Fraktionsvorsitzenden Frau Löhrmann haben sie 2006 eine Finanzkommission eingesetzt, die genau das, was ich gerade beschrieben habe, auf den Punkt gebracht hat. Sie stellt nämlich fest: Wir wollen keine Bestandsaufnahme machen, sondern wir nennen die Gründe für überbordende Verschuldung. – Sie sagen dann wörtlich: Das ist das Ergebnis einer Haushaltsgestaltung, die für jede neue Aufgabe in erster Linie eine Mehrung von Stellen vorsah. Jede neue Planstelle umfasst eine Sollaktivenzeit von ca. 35 Jahren und eine anschließende Versorgungsphase von 22 Jahren.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Diese These ist richtig.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Jetzt nenne ich Ihnen ein paar Beispiele, wo Sie in Ihrer Regierungspolitik diesen Satz missachten.

(Zuruf von der SPD: Wo sind Ihre Vorschlä- ge?)

Sie müssen schon versuchen, dem gedanklich zu folgen.

(Lachen von der SPD)

Sonst haben Sie ein Problem, das zu verfolgen.

(Marc Herter [SPD]: Die Argumentation ver- sandet gerade etwas!)

Wenn Sie Freiräume für die Menschen im Lande schaffen, indem Sie nicht alles regulieren, können Sie nämlich einen Zustand verändern, der unser Hauptproblem ist. Nordrhein-Westfalen liegt trotz seiner Stärke, trotz 16 von 50 DAX-Konzernen, trotzen dieser großen Wirtschaftskraft, die Sie eben auch beschrieben haben, immer unter dem Durchschnittswachstum der deutschen Länder, weil die Produktivität nicht da ist, weil Sie unseren Unter

nehmen immer noch zusätzliche Lasten in den Rucksack packen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben vor ein paar Wochen gesagt, Sie könnten auch wieder als Unternehmensberaterin arbeiten. Nun werden sich Unternehmen um solche Beraterinnen reißen; da bin ich sicher. Aber Ihre Kollegen einer Unternehmensberatung, McKinsey, hat mal für NordrheinWestfalen ausgerechnet: Wenn wir es nur schaffen würden, das Wirtschaftswachstum Bayerns zu haben, hätten wir 3,2 Milliarden € mehr Steuereinnahmen, und wir würden heute über andere Themen sprechen. Deshalb ist die Frage: Wieso haben wir das nicht? Wieso sind wir bei unserer Stärke nicht in der Lage, wenigstens den Durchschnitt der deutschen Länder zu erreichen?

(Ministerin Barbara Steffens: Ja, weil wir ganz anders sind!)

Wir liegen immer 3 % unter dem Bundesdurchschnitt. Das sagt McKinsey, das sagt das Institut der deutschen Wirtschaft. Ich zitiere einmal Ihr eigenes statistisches Landesamt – IT.NRW –:

Wenn die Wirtschaft in Deutschland wächst, dann in Nordrhein-Westfalen nur halb so schnell, wenn sie schrumpft, dann in Nordrhein-Westfalen doppelt so schnell.

Das ist die Iststandanalyse Nordrhein-Westfalens. Sie haben gefragt: Was wollen Sie denn da machen?

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Die Frage ist jetzt: Was können wir tun, um mindestens so gut zu sein wie die 15 anderen Länder? Was können wir selbst, aus eigener Kraft tun, um dieses Wirtschaftswachstum zu schaffen?