Protocol of the Session on July 4, 2014

Vielen Dank, Herr Minister. – Es spricht für die FDP-Fraktion noch einmal – mit 2:23 Minuten hat er auch noch richtig viel Zeit – Herr Kollege Ellerbrock.

Herr Minister, Ihre Anfangssätze teile ich, den Bill-Gates-Satz teile ich, die Schlussformel war auch schön, aber dazwischen war die Frage angesprochen, worum geht es. Ihre Bemerkung, dass ein ministerieller Bericht, gerade auch vorgetragen von den hochqualifizierten Beamtinnen und Beamten, immer eine Bereicherung für den Ausschuss ist. Das teile ich ausdrücklich.

Liebe Leute, worum geht es im Endeffekt? Wir wollen die Entfristung haben; wir wollen den Zustand, den wir seit zehn Jahren haben, offenlassen. Es

geht nicht um die Zersiedelung. Kollege Rüße, die Umnutzung ist gerade im Außenbereich sowieso schon an eine Vielzahl von einzuhaltenden Kriterien geknüpft. Mit allem Verlaub, jetzt noch Gutachten zu dem Warum, dem Weshalb und dem Wieso zu erstellen: Wenn etwas offensichtlich sinnvoll ist, soll man es auch machen.

Der nächste Punkt ist: Selbst wenn im Einzelfall über das Ziel hinausgeschossen werden sollte, die Rotationsgeschwindigkeit der Erde wird sich nicht ändern. Der ländliche Raum soll eine Chance behalten. Aber darüber können wir im Ausschuss reden. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/6131 – Neudruck – an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend – sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall, und damit ist der Gesetzentwurf, wie empfohlen, einstimmig überwiesen.

Ich rufe auf:

5 Einrichtung einer Enquete-Kommission zu

Finanzierungsoptionen des Öffentlichen Personenverkehrs in Nordrhein-Westfalen im Kontext des gesellschaftlichen und technischen Wandels (FINÖPV)

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5959 – zweiter Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Piratenfraktion Herrn Kollegen Bayer das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn ein Zitat:

„Entschuldigen Sie die Verspätung. Beschwerden bitte an: Marode Infrastruktur, Bundesverkehrsministerium Berlin.“

Diese Worte stehen auf einem Bus und auf einer Straßenbahn in Essen.

Vor einem Monat hatten wir eine Anhörung zu dem Antrag, den wir im Dezember im Landtag eingebracht haben. Alle Sachverständigen waren sich darin einig, dass die Bundesregierung die kritische La

ge der Finanzierung des Erhalts der ÖPNVInfrastruktur in NRW und die finanzielle Lage unserer Kommunen anscheinend nicht nur völlig falsch einschätzt, sondern sie sogar fahrlässig ignoriert. Die Lösung eines absolut dringenden Problems, das nicht abstrakt ist, sondern tagtäglich Millionen Pendler in NRW direkt betrifft, wird auf die nächste Legislaturperiode vertagt.

Doch wenn wir es bei der Kritik an der Bundesregierung belassen, machen wir es uns hier zu einfach. Wir erreichen auch nichts, wenn wir allgemeine Forderungen nach mehr Geld stellen oder die katastrophale Lage einfach nur benennen.

In den letzten Monaten haben außerparlamentarische Kommissionen viele Vorschläge zur Verkehrsfinanzierung gemacht. Lassen Sie uns nun auf Basis dessen einen Schritt weitergehen.

Welche Vorschläge lassen sich hier im Landtag in Handlungsempfehlungen überführen? Wo können und müssen wir im Landtag NRW aktiv werden und zum Beispiel die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen: für Nahverkehrsabgaben, Fonds, meinetwegen auch ÖPP-Modellprojekte, Umstrukturierungen und auch Finanzierungsoptionen, an die wir noch gar nicht denken?

Lassen Sie uns auch bedenken, dass sich die Mobilität in NRW wandelt. Wir wollen Klimaschutzziele erreichen und eine langfristige Finanzierbarkeit sicherstellen. Vor allem wollen wir den Pendlern den Weg zur Arbeit erleichtern.

Wir haben auch neue technische Möglichkeiten: durch Smartphones, Telematik und – vielleicht gar nicht so weit entfernt – auch autonomes Fahren. Es gibt bereits jetzt neue Anbieter und neue Mobilitätskonzepte auf dem Mobilitätsmarkt, die noch vor wenigen Jahren niemand erwartet hätte.

So wie der Kommunikationsmarkt Mitte der 90er in den Startlöchern stand, so steht der Mobilitätssektor heute vor neuen Chancen und Perspektiven. Lassen Sie uns dazu jetzt das Startsignal geben, in und mit der Enquete.

Es gibt bereits heute neue Mobilitätskonzepte. Diese Entwicklungen betreffen direkt und durch die Integration in multimodale Konzepte den ÖPNV. Der ÖPNV ist zugleich das Element, um das sich im Rahmen der Daseinsfürsorge die Politik kümmern muss. Wir stellen daher den ÖPNV und den ÖPV insgesamt in den Mittelpunkt einer Enquetekommission.

Gleichzeitig lassen sich die Finanzierungsmodelle der Vergangenheit nicht einfach fortführen. Selbst wenn wir hier sehr unterschiedlicher Meinung sind und über die vergangene und über die zukünftige Verkehrspolitik sehr unterschiedlich urteilen: Dass der Instandhaltungsrückstau im Bereich des ÖPV nicht einfach verschwindet, das dürfte uns allen klar sein.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Wir brauchen also Finanzierungsideen für den ÖPV in NRW, und wir brauchen Analysen möglicher Szenarien und Zukunftsmodelle.

Wir brauchen einen Transfer der bestehenden Erkenntnisse in die Politik.

Wir brauchen eine politische Bewertung und müssen daraus konkrete politische Handlungsempfehlungen ableiten. Dabei müssen wir den gesellschaftlichen und technischen Wandel berücksichtigen. Wir werden erkennen, ob wir nur ein Umsetzungsproblem haben und dort anpacken müssen oder ob wir nicht doch auch neue Erkenntnisse gewinnen können.

Ich versichere Ihnen, dass wir sehr offen und transparent alle Möglichkeiten für den ÖPV beleuchten und uns unbequemen Antworten nicht verschließen werden. Wir werden die Zeit nutzen, gemeinsam konzentriert am Thema zu arbeiten und Ergebnisse zu erzielen, die für die Pendler und alle anderen Verkehrsteilnehmer in NRW langfristig echten Nutzen bringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Löcker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hätten wir es mit einem Erkenntnisproblem zu tun, wie es um den ÖPNV in Nordrhein-Westfalen steht, so müssten wir heute allesamt die Einrichtung eine Enquetekommission – kurz: FINÖPV – fordern und auch schnellstmöglich beschließen.

Aber: „Haben wir es in der Sache nicht vor allem mit Umsetzungsproblemen zu tun?“, frage ich. Ich darf daran erinnern, dass in den vergangenen Jahren gleich mehrere Kommissionen damit beschäftigt waren, auch die Zukunft des ÖPNV in all seinen Facetten auszuleuchten. Man könnte also sagen: Wir wissen Bescheid – vielleicht auch „umfänglich“ Bescheid, meine Damen und Herren.

Nun kann man wie die Piraten der Meinung sein, dass das noch nicht umfänglich genug, nicht ausreichend sei und dass in den nächsten zwei Jahren – so die Zeitplanung dieser Kommission – tatsächlich zusätzliche, neue und spannende Erkenntnisse über den wahren Zustand des ÖPNV in NordrheinWestfalen hinzukämen. Ich will das nicht ausschließen, meine Damen und Herren. Das kann durchaus sein. Aber: Lohnt der zu planende Arbeitsaufwand? Diese Frage muss man sich wirklich stellen. Und steht er im Verhältnis zu den zu erwarteten neuen Erkenntnisgewinnen? Ich denke, diese Frage ist auch erlaubt. Wir meinen: Nein.

Meine Damen und Herren von den Piraten, es ist Ihr gutes Recht, diese Kommission einzufordern, wir wollen uns auch grundsätzlich nicht dagegenstellen – wissen jedoch schon heute, worum es in den zwei Jahren insbesondere aus Ihrer Sicht gehen soll, nämlich darum, Ihrem Ziel, dem ticketlosen Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen, endlich etwas näher zu kommen.

Ich gebe es gerne zu: Mich hat in den letzten 25 Jahren meiner Beschäftigung in diesem Bereich auch die eine oder andere Frage umgetrieben. Vor allen Dingen hat mich immer gestört: Wieso ist die Deutsche Bahn eigentlich immer Gewinnerin bei der Finanzaufteilung im ÖPNV?

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Das war immer eine spannende Frage. Wer sich etwas näher damit beschäftigt, meine Damen und Herren, findet ziemlich schnell und klar heraus, warum das eigentlich so ist. Es gibt da einen Aufteilungsmechanismus. Wenn man aus dem nördlichen ins mittlere Ruhrgebiet fährt, fährt man eben durch viele Tarifgebiete und Tarifwaben. Was auf solch einer Fahrt kontrolliert wird, ist mir klar inzwischen klargeworden: Es geht sozusagen darum, herauszufinden, wie viele Kilometer man im eigenen Bedienungsgebiet fährt, wo man die Karte gekauft hat, und wie viele Kilometer man eigentlich in anderen Städten unterwegs ist; denn die betroffenen Städte haben Anspruch auf entsprechende Einnahmen.

Insofern kann man sich in der Enquetekommission sicher mal damit beschäftigen, die ganz besondere Form der Finanzierungsrechnung im ÖPNV etwas deutlicher zu beleuchten. Es gibt ja die sogenannte Übersteigerausgleichsrechnung, meine Damen und Herren. Diesen Begriff sollte man sich merken, steht er doch für den Verteilungsmechanismus der Städte in Nordrhein-Westfalen, wenn es darum geht, Nutzerquoten festzulegen und den Finanzausgleich nicht nur zwischen den Unternehmen, sondern auch mit der Deutschen Bahn zu organisieren. Da lohnt es sich, denke ich, auf jeden Fall, hinzugucken.

Wenn man durchs Ruhrgebiet und damit durch unterschiedliche Tarifgebiete fährt, dann braucht man in den Unternehmen eben auch große Controllingabteilungen, die überhaupt in der Lage sind, mit dieser Rechnung etwas anzufangen und am Ende dafür zu sorgen, plausible Haushalte für die eigenen Unternehmen aufzustellen. Letztlich ist es so, dass man nicht benachteiligt werden will, weil man nicht schon ein Jahr im Voraus weiß, wie viele Millionen man im nächsten Jahr zur Deutschen Bahn oder wohin auch immer schieben muss, weil da zufällig Menschen unterwegs gewesen sind.

Ich sage das so pointiert, weil klar ist, dass das eine der wesentlichen Fragen sein muss. Will man sich dem Ziel nähern, einen ticketlosen ÖPNV zu ermög

lichen, dann muss man über diese Frage ziemlich eindeutig sprechen.

Denn es ist so: Hat eine Stadt hohe Auspendlerquoten – die Menschen fahren also überwiegend zur Arbeit woanders hin – und niedrige Einpendlerquoten – nur wenige Menschen aus anderen Gegenden fahren in diese Stadt –, hat das auch direkte Auswirkungen auf die Transportleistungen der Unternehmen. Man muss viel aufwenden, damit man die Menschen ins mittlere Ruhrgebiet bekommt – so sollte man das sagen –; fährt man aber in den Kreis Recklinghausen, wo ich wohne, dann erlebt man, dass die Fahrzeuge ziemlich leer und nur in den Spitzen gefüllt sind. Das kostet natürlich Geld.

Von daher ist es gut, wenn man in einer Stadt wohnt mit einer Universität, mit Verwaltungssitzen und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dorthin transportiert. Dann kann man sich am Ende des Jahres über wunderbare Ausgleichszahlungen – auch von der Deutschen Bahn – freuen. Die Gebiete – zum Beispiel im nördlichen Ruhrgebiet –, die wenig Busleistung haben und in denen eine Stadt mit 63.000 Einwohnern gar keinen Bahnanschluss hat, zahlen fröhlich an die Städte im mittleren Ruhrgebiet. Das ist sicher einer der Konstruktionsfehler im ÖPNV.

Ich denke aber, es ist nicht in Ordnung, den Blick insbesondere darauf zu werfen und deutlich zu machen, dass es dadurch strukturelle Nachteile gibt. Deshalb ist zuallererst wichtig, dem vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion beizutreten, um dafür zu sorgen, dass die Regionalisierungsmittel entsprechend aufgestockt werden.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Das ist sozusagen die Eingangstür dafür, dass wir das in den nächsten Jahren überhaupt hinkriegen. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Letzter Satz: Ohne Moos ist eben nichts los, auch im ÖPNV nicht. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)