Protocol of the Session on July 2, 2014

Meine Damen und Herren, verwerflich ist es jedoch, wenn – nach einer Schätzung des Instituts für Ökonomie und Ökumene – allein in der indischen Steinindustrie mindestens 150.000 Kinder daran arbeiten, Grabsteine für unsere Wünsche zu fertigen. Die Arbeitsbedingungen in den indischen Steinbrüchen sind bei brütender Hitze und mit ungefiltertem Steinstaub schier unerträglich. Viele Kinder sterben durch den Staub im jungen Alter durch Lungenerkrankungen. So berichtet zum Beispiel die Kampagne „Aktiv gegen Kinderarbeit“.

Im November dieses Jahres werden die UNKinderrechte 25 Jahre alt. Die UNICEF hat deshalb jüngst einen Bericht zu deren Umsetzung herausgegeben. Die Ergebnisse sind auch nach einem Vierteljahrhundert immer noch in vielen Bereichen erschütternd. Bis heute müssen beispielsweise allein 168 Millionen Mädchen und Jungen weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten.

Wir hier in Nordrhein-Westfalen können mit relativ einfachen Mitteln unseren Teil dazu beitragen, dass viele Kinder weltweit besser geschützt werden – beispielsweise, indem wir die Rohmaterialien für unsere Grabsteine nicht mehr von ihnen anfertigen lassen. Mit dem neuen Gesetz können vor Ort rechtssichere Friedhofssatzungen erlassen werden, die dies sicherstellen. Künftig müssen dann über eine Zertifizierungsstelle Bestätigungen erteilt werden, dass die Herstellung der Steine ohne die schlimmsten Formen der Kinderarbeit erfolgt ist.

Der Stichtag zum 1. Mai 2015 sichert insbesondere auch den kleinen und mittleren Betrieben der Steinmetze die Bestände, die sich noch in den Lagern befinden; denn bis dahin dürfen die vorher importierten Grabsteine verkauft werden. Damit sind die ursprünglich geäußerten Befürchtungen der Steinmetzinnungen ausgeräumt.

Meine Damen und Herren, die meisten unserer Mitmenschen hegen den Wunsch, ihre Angehörigen respektvoll zu bestatten und zu verabschieden. Dass sie dabei nicht nur den christlichen Riten fol

gen, versteht sich selbstredend. Bestattungsgesetze nehmen die üblichen religiösen Riten eines Landes auf. Deshalb ist das neue Gesetz innovativ und wichtig, weil nunmehr gemeinnützigen Religionsgemeinschaften oder religiösen Vereinen ermöglicht werden soll, selbstständig einen Friedhof zu betreiben. Darauf wird der Kollege Neumann für die SPDFraktion gleich noch eingehen.

Aber auch in anderer Hinsicht ist vielfach ein sensibler Umgang mit der Würde und den Wünschen der Verstorbenen notwendig: bei den ordnungsbehördlichen und sogenannten Sozialbestattungen. Wir haben in unserem Entschließungsantrag deutlich gemacht, dass hier noch einiges zu tun ist. Leider gibt es keine einheitlichen Standards für Bestattungen, die von Kommunen finanziert werden müssen, weil sonst niemand dafür aufkommt.

Deshalb wünschen wir uns, dass die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände dafür Sorge tragen, dass bei Sozialbestattungen auch die Wünsche und gegebenenfalls die Religion des Verstorbenen berücksichtigt werden und für eine würdevolle letzte Ehrung gesorgt wird.

Als zusätzlichen dringenden Aspekt möchte ich hervorheben, dass nach der Verabschiedung dieses Gesetzes durch Modelle mit neuen Verfahren erprobt werden kann, wie sich die Qualität der äußeren Leichenschau, die immer wieder diskutiert wird, verbessern lässt. Damit wird sichergestellt, dass in Zukunft eine höhere Genauigkeit bei der Ermittlung der Todesursachen erzielt wird.

Auch möchten wir geprüft wissen, inwieweit die Verfahren der Leichenschau vor Bestattungen und Überführungen ins Ausland beschleunigt werden können, um religiösen Vorschriften, die eine schnelle Bestattung vorsehen, besser gerecht zu werden. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass auch künftig alternative Bestattungsformen möglich sein werden und das Gesetz nicht so eng ausgelegt wird, dass dies künftig nicht mehr machbar sein wird.

Wir haben eine Bestattungskultur, die sich weiterentwickelt. Ich gehe davon aus, dass wir mit der Novellierung des Bestattungsgesetzes einigen Entwicklungen positiv Rechnung getragen haben werden.

Ich bitte die Damen und Herren des Landtages, dem Änderungsantrag, dem Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Scheffler. – Nächster Redner ist Herr Kollege Post für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Mensch stehen Wert und Würde nicht nur im Leben zu. Sie reichen über den Tod hinaus. Daher ist die Bestattungskultur einer Gesellschaft ein Ausdruck von Humanität und auch des Umgangs mit den Lebenden.

Dem folgend ist ebenso die Würde des Bestattungsortes zu wahren. Veränderte Bestattungsmöglichkeiten haben sich in der Gegenwart bei einigen Menschen zu Wünschen erweitert, anders zu bestatten, als sich das in der Kultur des Abendlandes ergeben hat. So wenigstens scheint es die Wahrnehmung des Ministeriums zu sein.

Nun sind Sie, Frau Ministerin, und die Regierungsfraktionen schon 2003 auf den Weg der Subjektivierung des zu Bestattenden unter Hintanstellung der menschlichen Kultur, der abendländischen Bestattungskultur, gegangen. Dabei ist festzustellen, dass an das neuerliche Änderungsgesetz fast technisch herangegangen wurde. Gestatten Sie mir aber, deutlich zu machen, dass wir es hier nicht mit einer technischen Anleitung zu tun haben, sondern mit einem großen, über zigtausend Jahre hergeleiteten Kulturgut, dem Kulturgut Bestattung.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Lassen Sie mich zunächst auf einige jetzt vorgenommene Veränderungen eingehen. Nach dem Gesetz werden der Transport und das Transportmittel für Tote dem jeweiligen Transporteur weiterhin freigestellt. Welche Folgen und Auswüchse dies hat, dafür gibt es in der Medienlandschaft genügend Beispiele. Die Beispiele des Missbrauchs können Sie nachlesen. Hier ist eines verkannt worden, dass als Anlass der Transport eines Menschen, eines toten Menschen, gegeben ist.

Ein fast als dilettantisch anmutendes Beispiel für die Diktion dieses Gesetzes gibt die Nachweispflicht für Urnenbestattungen ab. Zunächst, Frau Ministerin – das muss ich ehrlich sagen –, war ich begeistert, dass nach diesen Jahren verstanden worden ist, dass wir eine Nachweispflicht brauchen. Das unterschreiben wir vollkommen. Dann aber kam heraus, dass dieser Nachweis der Bestattung gegenüber einem Krematorium abgegeben werden soll. Nun sind Krematorien nicht gerade in hoheitlichen Aufgaben beschäftigt, sondern eher eine Hilfsinstitution. Der Nachweis über den Verbleib eines Menschen muss daher sicher gegenüber einer das Personenstandsregister führenden Verwaltungseinheit erfolgen. Übrigens: Nirgendwo steht, was geschehen soll, wenn das nicht erfolgt.

Zur zweiten Leichenschau: Ja, es ist sicherlich richtig bei der Unwägbarkeit, die es gibt und die in verschiedenen Veröffentlichungen dargestellt werden, dass es Stichproben zu einer zweiten Leichenschau geben muss. Wir halten es nicht für sinnvoll, wenn ein gesamtes Gebiet mit einer zweiten Leichenschau überzogen wird, da dann Vorinformationen

gegeben sind. Eine ehrliche Stichprobe gibt mehr Aufschluss über das Verfahren. Beides ist im Gesetz ermöglicht. Wir sehen aber die zweite Möglichkeit als sinnvoller an. Die zweite Art des Modellversuches ist uns also lieber.

Allerdings dürfte diese zweite Leichenschau dann schwerfallen, wenn Sie die Verkürzung der Bestattungsfrist auf 24 Stunden ermöglichen wollen. Da muss noch nachgearbeitet werden. Das ist nicht logisch und nicht schlüssig. Das wird nicht gelingen.

Lassen Sie mich aber auch lobend erwähnen, dass die Länge der Bestattungsfrist angepasst wurde. Das ist in Ordnung und trägt dem Rechnung, dass Familien zum Teil weit disloziert sind, weit auseinander leben. Auch unsere Art von Feiertagen führt oft dazu, dass eine Bestattung binnen acht Tagen fast nicht möglich ist.

Bei der infrage stehenden Unterbindung der Kinderarbeit bei der Gewinnung von Steinrohlingen für die Gedenksteine haben Sie einen möglicherweise gangbaren Weg gefunden. Hier bitten wir aber zu evaluieren, ob das Verfahren, das Sie mit dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen endgültig angepasst haben, in der Praxis wirklich umsetzbar ist. Da bedarf es einer kurzfristigen Evaluierung im Rahmen von mindestens ein bis zwei Jahren, damit man weiß: Es geht. Es funktioniert in dieser Form oder es funktioniert nicht.

Für mich unerklärlich bleiben allerdings Maßnahmen, die die Friedhofsträgerschaft mit allen Rechten und Pflichten auf Vereine oder Gemeinschaften übertragen können. Diese Gemeinschaften brauchen nicht mehr Körperschaft öffentlichen Rechts zu sein. Die langen Laufzeiten von Gräbern auf Friedhöfen und andere Rechtsfolgen der vollständigen Übertragung auf einen Verein sowie die Sicherstellung bergen große unwägbare Gefahren für diese Vereine, für diese Übernehmer, aber auch für die dann in Sicherung tretende öffentliche Hand, wenn es nämlich nicht funktioniert mit den Vereinen. Diese Vereine haben also keinen Körperschaftscharakter, obwohl wir gerade hier im Landtag das neue Körperschaftsgesetz beraten und man da Ansätze finden könnte, um das Ganze gangbarer und vernünftiger zu machen.

Es ist fahrlässig, wenn Sie den Vereinen Rechtsfolgen aufoktroyieren, die Sie kaum übersehen können, falsch, wenn Sie hier Gruppierungen unterschiedlich behandeln und die Bedingung zur Trägerschaft vehement aufweichen. Welche späteren Folgen das haben kann, das werden wir erleben.

Das alles aber ist unnötig, da auf erreichbaren öffentlichen Friedhöfen separate Felder für Bestattungen nach eigenen Riten und eigenen Ordnungen geschaffen werden können. Das hat uns die Anhörung der Vertreter der Kommunen und Kommunalverbände eindeutig gezeigt. Fragen Sie die Kom

munen. Das ist anbietbar in erreichbarer Entfernung.

Die Landesregierung legt hier einen Gesetzentwurf vor, der sich wieder ein Stück weiter von der herkömmlichen abendländischen Kultur im Umgang mit Verstorbenen entfernt. Die in dem hier vorliegenden Gesetzentwurf noch weiter erleichterte anonyme Beisetzung zeigt, wie eine Entfernung von den Grundwerten, von der menschlichen Bindung an das Grab als Ort der Trauer gegeben ist.

Dazu muss ich hier nochmals deutlich machen, dass Sie in dieser Vorgehensweise den Menschen fast ausschließlich als individuelles Wesen und weniger als soziales Wesen betrachten. Allein der vereinzelte Wunsch nach anonymer Bestattung reicht nicht, um dies allgemein zu machen.

Als Bedingtheit des typisch Menschlichen wird von Hans Jonas, dem jüdischen Philosophen und Verfasser des „Prinzips Verantwortung“, ausgeführt, in der Anthropologie werde neben dem Werkzeug und der Schaffung des Bildes das Grab als eben jenes typisch Menschliche festgelegt.

Auch in der Literatur bei Marie Luise Kaschnitz wird die Sensibilität für Orte ebenso groß geschrieben wie der Sinn für Trauer um die Toten.

Immer wieder hört man, man könne ja auch der Toten gedenken, wenn man nicht ein Grab, einen Ort, vorfindet. Aber machen Sie sich bitte klar, dass Trauerkontakt nicht nur virtuell stattfinden kann, weil Leben, auch wenn Medien uns das heute manchmal anders suggerieren, nun mal nicht virtuell ist, auch wenn die Welt immer virtueller zu werden scheint.

Vor einem Grab zu stehen, macht bewusst, dass das Leben endlich ist. Ja, Menschen benötigen nicht nur Anlässe und Ideen zur Trauer, sondern auch Orte und reale Gegebenheiten. Sie leisten Vorschub, ihnen diese zu nehmen.

Am Grab wird das Nachdenken über das Nachher bewusst und begreifbar. Dadurch bedenkt der Mensch auch das Jetzt und Hier seiner selbst. Am Grab kristallisiert sich die Frage des Woher und Wohin und auch des Seins außerhalb meines jetzigen Tuns und Erfahrens heraus. Menschen brauchen also Orte, Gegenstände, dinglich bezogene Anlässe, die sie im wahrsten Sinne des Wortes begreifen können. Sie benötigen sie zum Erinnern, zur Trauer und zum Aufbau der Zukunft auf ihre Vergangenheit. Der Mensch lebt nicht nur sich selbst. Er lebt auch die Gemeinschaft. Er stirbt nicht nur sich selbst, sondern er stirbt auch die Gemeinschaft.

Hans Jonas, den ich eben erwähnt habe, spricht von „nachhaltigem Handeln“. Dafür wird er verehrt. Er ist der Meinung, dass der Mensch im Blick auf das Grab damit sogar weit über Werkzeug und Bild hinaus zum typisch Menschlichen gelangt.

Meine Damen und Herren und sehr verehrte Frau Ministerin, achten Sie darauf, dass Sie dieses typisch Menschliche nicht weiter verlassen.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Post. – Für die grüne Landtagsfraktion spricht jetzt Frau Kollegin Velte.

Sehr geehrter Herr Post! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dieser Predigt gestatten Sie mir, dass ich Herrn Post zuerst nenne und jetzt versuche, wieder ein wenig auf den Boden des Bestattungsgesetzes zurückzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Post, Sie haben viel von der Kultur des Abendlandes gesprochen.

(Norbert Post [CDU]: Nur einmal!)

Nein, Sie haben die Kultur des Abendlandes auch im Abschlussteil mehrfach erwähnt. Zur Kultur des Abendlandes gehört ja auch etwas in den Bestattungskulturen, nämlich die jüdischen Friedhöfe. Wir haben uns erklären lassen, dass die jüdischen Friedhöfe – der älteste soll wohl 1.000 Jahre alt sein und befindet sich in Worms – auch eigene Erde brauchen, dass sie Eigenes brauchen.

Sie nicken jetzt so wissend und sagen: Ja toll, das ist so, das haben wir. – Aber Sie haben es in Ihrer ganzen Rede nicht einmal geschafft, von muslimischen Begräbnisstätten zu sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn das ist aus grüner Sicht einer der wichtigen Punkte, um die es an dieser Stelle geht. Sie haben zu Recht angesprochen, Herr Post, dass Bestattungskultur wichtig ist. Sie haben zu Recht angesprochen, dass es wichtig ist, Vielfalt zu repräsentieren – auch in der Bestattungskultur. Aber Sie haben sich in Ihrer Rede nicht den gesellschaftlichen Realitäten gestellt. Die gesellschaftlichen Realitäten sind wichtig, und das Bestattungsgesetz nimmt sie auf, indem sie es den Menschen in Form der Beleihung möglich macht, ihre Begräbnisstätten aufzubauen und zu betreiben.

Wie wichtig das ist, erfährt man eigentlich immer, wenn man muslimische Vereine besucht, die auch stets danach fragen: Wie und wo können wir unsere Toten in Deutschland bestatten? Deshalb ist es ein bisschen unangenehm, wenn Sie es nicht schaffen, diesen wichtigen Punkt, der auch zur Vielfalt in unserer Gesellschaft beiträgt, offen zu benennen, während Mitglieder Ihrer Fraktion durch die muslimischen Vereine wandern und sagen: Wir sorgen für euch; wir machen alles für euch.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Ja, eben nicht alle.