Protocol of the Session on April 10, 2014

Wir kommen zur Abstimmung über zwei Anträge.

Erstens. Direkte Abstimmung über den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/5486. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die SPD und die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die FDP. Wer enthält sich bei diesem Antrag? – Die CDUFraktion, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Damit ist der Antrag mit Mehrheit angenommen.

Wir entscheiden zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5552. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Die CDU-Fraktion und der fraktionslose Kollege Stein. Wer stimmt dagegen? – Die SPDFraktion, die grüne Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer enthält sich? – Die Fraktion der Piraten. Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zu:

3 Kein Chaos in die Gymnasien tragen – innere

Qualität stärken statt große Unruhe durch erneute Strukturdebatten herbeiführen – Wahlmöglichkeiten erhalten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5472

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/5531

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5550

Ich eröffne die Aussprache über den Antrag. Für die FDP-Fraktion begründet ihn Frau Kollegin Gebauer.

(Unruhe)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab zum Ausdruck bringen, dass wir es als FDPFraktion ausdrücklich begrüßen, dass es diese Einladung der Ministerin zum runden Tisch am 5. Mai gibt.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Aber es muss auch ein Ziel gesetzt werden, nämlich das Ziel spürbarer Verbesserungen für die Gymnasien, das am Ende dieses runden Tisches stehen muss. Nach unserer Auffassung ist es auch mit Blick auf den runden Tisch unverzichtbar, dass wir uns heute im Parlament mit dem Thema G8 auseinandersetzen.

Wir haben diesen Antrag auch gestellt, weil – er ist gerade nicht anwesend – Herr Laschet mit seinen Äußerungen zur Rückkehr zu G9 ein Stück weit gefährlich zündelt. Wir haben von der CDU in der Vergangenheit keinen Verbesserungsvorschlag erhalten, wie G8 besser aussehen könnte. Wir haben mit Kleinen Anfragen nachgehakt, und wir haben vor zwei Wochen dargestellt, wie wir uns das vorstellen. Diesen Prozess hat die CDU bisher mehr apathisch begleitet, als dass sie ihn konstruktiv unterstützt hätte.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] und Minis- terin Sylvia Löhrmann)

Auch der heutige Entschließungsantrag ist nicht wirklich der große Wurf der CDU; das möchte ich an dieser Stelle auch betonen.

(Beifall von der FDP, Sigrid Beer [GRÜNE] und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Meine Damen und Herren, die alles entscheidende Frage in dieser Debatte muss letztlich lauten: Was brauchen die Gymnasien und die Schülerschaft der Gymnasien tatsächlich? Die Gymnasien brauchen Ruhe und Beständigkeit, aber natürlich auch eine zielgenaue Unterstützung. Die FDP hat sich ganz klar positioniert: Eine erneute Umstellung auf G9 halten wir nicht für zielführend, im Gegenteil würden dadurch jahrelang Kräfte wieder gebunden werden.

Auch renommierte Wissenschaftler haben sich in der Vergangenheit dahingehend geäußert, zum Beispiel Prof. Prenzel, der davon spricht – ich darf zitieren –:

„Ich finde diese Entwicklung erstaunlich bis gefährlich. Es gibt keine empirischen Befunde, die Vorteile für G9 gegenüber G8 belegen.“

Und später sagt er:

„Statt wieder über die Schulstruktur zu diskutieren, sollten wir lieber über Schulqualität streiten.“

(Beifall von der FDP)

Ich kann nur sagen: Herr Prof. Prenzel hat hiermit recht. Auch ein Teil der Wahrheit ist, dass teilweise G8 Probleme zugeschrieben werden, die nichts mit dem verkürzten Bildungsgang zu tun haben. Auch das muss man ganz klar und offen sagen.

Und, meine Damen und Herren, es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, zu denken, dass wir zu dem G9, wie es das tatsächlich mal gegeben hat, ohne Nachmittagsunterricht, zurückkehren können. Der Wochenstundenrahmen ist inzwischen an den weiterführenden Schulen erhöht worden und würde sich heute zwischen dem neuen G9 und dem jetzigen G8 nur geringfügig unterscheiden. Man muss genau hinschauen, um was es hier geht. Das, was viele Eltern fordern, nämlich die Rückkehr zu dem alten G9, geht nicht mehr. Das alte G9 existiert so nicht mehr.

Gleichwohl verstehen wir als FDP ganz klar die Sorgen der Eltern über das, was an den Gymnasien passiert. Wir brauchen – ich glaube, da sind wir uns alle einig – durchgreifende Verbesserungen. Wir wollen unsere Kinder fordern. Aber richtig ist auch: Wir wollen sie natürlich auf ihrem Bildungsweg auch nicht überfordern.

Wir brauchen – das ist die Auffassung der FDP – mehr Entlastung durch fachliche Hausaufgabenbetreuung, die mit individueller Vertiefung und Förderung gekoppelt ist. So erhoffen wir uns entsprechende Freiräume.

Wir brauchen auch mehr Ganztagsangebote an den Gymnasien.

Ein wichtiges Thema ist auch nach wie vor: Die Lehrpläne müssen tatsächlich immer noch mehr stringent auf Verschlankungsmöglichkeiten durchleuchtet werden.

Das sind Vorstellungen, mit denen wir als FDPFraktion in das Gespräch am 5. Mai gehen werden. Wir hoffen, dort im Sinne der betroffenen Schülerinnen und Schüler eine vernünftige Regelung zu finden, eine Regelung, in der beides berücksichtigt wird, nämlich qualitativ hochwertiger Unterricht auf der einen Seite und natürlich auch ein angemessener Zeitraum der Entspannung für unsere Kinder und Jugendlichen auf der anderen Seite. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Frau Gebauer. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Voigt-Küppers.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, fielen mir

auf Anhieb Herbert Grönemeyer und sein Kassenschlager „Was soll das?“ ein.

Sie, verehrte Kollegen von der FDP, überschreiben Ihren Antrag mit dem Titel „Kein Chaos in die Gymnasien tragen“. Das Chaos allerdings stiften Sie. Mit Ihrem populistischen Antrag greifen Sie einer inhaltlichen Debatte vor. Was soll das?

Wenn Sie sagen, dass Sie den runden Tisch der Ministerin begrüßen, dann platzieren Sie Ihre Forderungen auch dort. Sie haben am 5. Mai als Fraktion die Gelegenheit, wie alle anderen bildungspolitischen Akteure aus Schule, Wissenschaft und Wirtschaft der Einladung unserer Ministerin zu folgen. Das ist genau der richtige Rahmen, um über die weiteren Entlastungsmöglichkeiten für alle Beteiligten am gymnasialen Bildungsgang zu sprechen. Denn der runde Tisch bringt alle beteiligten Gruppen zusammen, damit alle Positionen ausgetauscht werden können, bevor man ein abschließendes Urteil fällt. Ihr Antrag ist ein durchsichtiger Versuch, Ergebnisse dieser noch ausstehenden Beratungen bereits vorwegzunehmen.

Mit dem runden Tisch hat die Ministerin einen Grundstein für eine differenzierte Betrachtung der jetzigen Situation gelegt. Hier können sich alle Elternvertreter, alle Schülervertreter, Lehrervertreter und Politiker treffen, um sich über den jetzigen Stand der Gymnasialbildung auszutauschen. Hier kann über gute Lösungen für die beste Bildung in Nordrhein-Westfalen geredet werden.

Meine Damen und Herren von der FDP, und was machen Sie? Sie verlangen vom Landtag ein Votum, und zwar bevor dieser Prozess überhaupt begonnen hat. Was haben Sie eigentlich für ein Verständnis von Beteiligung?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie werfen der Landesregierung vor, sie produziere Chaos. Ganz ehrlich, meine Damen und Herren von der FDP: Die einzigen, die hier Chaos und Unsicherheit produzieren, sind Sie. Damit verunsichern Sie Eltern, Schüler und Lehrer, und das gleich in mehrerlei Hinsicht.

Sie versuchen mit diesem Antrag, ein offenes und transparentes Verfahren zur Meinungsfindung zu konterkarieren, indem Sie das Ergebnis dem Prozess vorwegnehmen. Mit Ihrem überstürzten Antrag bringen Sie unnötig Unruhe und Hektik in einen Prozess, der für das kommende Schuljahr ohnehin nicht mehr abgeschlossen werden kann. Sie wollen ja statt einer wohlüberlegten und ausdifferenzierten Debatte einen Schnellschuss. Was solche Schnellschüsse allerdings anrichten können, sehen wir heute.

Warum stehen wir eigentlich hier und debattieren nach fast zehn Jahren wieder über die Dauer des gymnasialen Bildungsgangs? Es waren doch Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der

FDP, die damals die völlig unnötige und übereilte Reform der Sekundarstufe im gymnasialen Bildungsgang durchgesetzt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Damit haben Sie das Gymnasium vom restlichen System der Sekundarstufe abgekoppelt.

Wir hingegen hatten ein Modell der Schulzeitverkürzung, bei dem überwiegend die gymnasiale Oberstufe betroffen war. Bei diesem Modell 10 plus 2 wären die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler direkt in eine Qualifikationsphase eingetreten. Die Jahrgangsstufe 11 sollte als optionales Förderjahr genutzt werden.

CDU und FDP haben sich nach ihrer Regierungsübernahme kurzfristig entschlossen, die Schulzeitverkürzung in die Sekundarstufe I vorzuverlegen.

Was hat Ihnen dieser hehre Versuch gebracht? Eltern klagen über die Überlastung der Kinder. Schüler und Lehrer sind mit dem System Abitur nach zwölf Jahren mehr als unzufrieden. Jetzt, Herr Laschet, spielen Sie sich als Retter für alle Mühseligen und Beladenen auf.

Durch die überhastete Einführung und fehlende Begleitmaßnahmen waren die Schulen auf die Umsetzung kaum vorbereitet. Darum wollen wir heute nicht wieder in eine vorschnelle Debatte gelangen, sondern grundständig mit allen Betroffenen einen ehrlichen Dialog führen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)