Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mostofizadeh, das war etwas schwach, vor allen Dingen hinsichtlich Ihrer Interpretation unseres Antrages. Sie haben eine Menge hineingedeutet, was dort absolut nicht vorhanden ist.
Wir diskutieren hier und heute über die finanzielle Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben, speziell der Eingliederungshilfe für Behinderte.
„Warum?“ wird mancher fragen. – Weil die notwendigen Hilfeleistungen in der Eingliederungshilfe für Behinderte im Sinne der Betroffenen auch in Zukunft gesichert werden müssen. In anderen Bundesländern werden die Kosten vom Land getragen. Einige Beispiele! Brandenburg: kommunale Belastung null. Sachsen-Anhalt: Belastung null. Mecklenburg-Vorpommern: 12 %. Niedersachen: 24 %. Schleswig-Holstein: 30 %. Rheinland-Pfalz: 50 %. Während also die Kosten in anderen Bundesländern vom Land getragen werden, müssen das hier in Nordrhein-Westfalen die Kommunen bezahlen. Auch dadurch haben wir in NRW den höchsten Kommunalisierungsgrad, die stärkste Kostenbelastung der Kommunen.
Von daher wundert es auch nicht, wenn unsere NRW-Kommunen Haushaltsdefizite und Überschuldung aufweisen oder nur noch am Rande über finanzielle Möglichkeiten verfügen.
Und jetzt steigen die Kosten in der Eingliederungshilfe auch noch. „Warum?“ wird mancher wieder fragen. – Natürlich zunächst einmal aufgrund steigender Fallzahlen. Die menschliche Seite muss man dabei an erster Stelle sehen. Gott sei Dank, meine ich, sind nämlich der medizinische Fortschritt und die Betreuung im Laufe der Jahre und Jahrzehnte so hoch und so sehr verbessert worden, dass Frühgeborene und Menschen mit Behinderung heute allgemein eine deutlich bessere und höhere Lebenserwartung haben als früher. Und das ist gut so!
Das damit verbundene Finanzproblem zu lösen darf allerdings keine kommunale Aufgabe bleiben, sondern ist ganz klar eine gesellschaftspolitische Aufgabe.
von den Kommunen zu zahlenden Hilfeleistungen um jährlich 200 Millionen €. 2013 mussten die Städte und Gemeinden über ihre Umlagen 3,5 Milliarden € bezahlen. Angesichts solch massiver Kostensteigerungen verkraften die kommunalen Haushalte diese Belastung nicht mehr. Abhilfe ist nötig.
Es stellt sich die Frage: Wer soll bezahlen? – Auf diese Frage, Herr Mostofizadeh, gibt es eine erste klare Antwort – der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, denn dort steht –: Die Länder sind für die angemessene Finanzausstattung verantwortlich.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist doch albern, Herr Kollege! Das ist doch an Banalität nicht zu überbieten!)
In der Regierungsverantwortung der CDU – ehemals mit der FDP und jetzt mit der SPD – sind die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit aufsteigend und ab diesem Jahr vollständig übernommen worden. Alleine in diesem Jahr übernimmt der Bund die bislang von den Kommunen zu tragenden Kosten in Höhe von 5,5 Milliarden €. Ich erzähle es gerne mehrfach, weil es heute passiert, aber nicht in der Vergangenheit Ihrer Äußerungen aus dem Jahre 2010 lebt: Dies und mehr ist die größte finanzielle Entlastung der Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Damit wird auch ein von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2003 zulasten der Kommunen eingeführtes Gesetz vollständig korrigiert. Unsere Städte und Gemeinden werden mit 1,4 Milliarden € entlastet. Das ist mehr als das Dreifache dessen, was Sie mit Ihrem Stärkungspakt Stadtfinanzen zur Verfügung stellen.
Unsere neue CDU/SPD-Bundesregierung setzt ihren kommunalfreundlichen Kurs zur Entlastung der Städte fort.
So ist der Bund bereit, die Kommunen zu entlasten. Im Rahmen der Reform der Eingliederungshilfe sollen die Städte und Gemeinden gemäß der mittelfristigen Finanzplanung um jährlich 5 Milliarden € ab 2018 entlastet werden. Bis zum Inkrafttreten eines neuen von der SPD-Bundesministerin vorzulegenden Leistungsgesetzes wird in den Jahren 2015 bis 2017 eine Soforthilfe von 1 Milliarden € für die Kommunen bereitgestellt. Das hilft uns in NRW mit rund 220 Millionen € jährlich – gigantische Summen,
Allerdings findet sich dort nicht die gewünschte Zusage einer früheren Auszahlung der Mittel. Da sind wir uns einig. Von daher fordern wir dahin gehend eine Verbesserung.
Wenn Sie unseren Entschließungsantrag richtig gelesen haben, werden Sie viele tendenziell übereinstimmende Positionierungen zum rot-grünen Antrag finden – auch ein paar abweichende Nuancen. Wir stehen übrigens, weil Sie eben danach gefragt haben, nach wie vor zum Landtagsbeschluss vom Oktober 2010, den wir parteiübergreifend gefasst haben.
sich erstens auf Bundesebene weiterhin konsequent für eine Entlastung der Kommunen einzusetzen, wie sie im Landtagsbeschluss vom Oktober 2010 gefordert wurde,
sich zweitens konstruktiv in die Erarbeitung eines Bundesleistungsgesetzes einzubringen und sich im Bund dafür einzusetzen, dass die zuständige Ministerin, Frau Nahles, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Bundesteilhabegesetzes vorlegt,
sich drittens dafür einzusetzen, dass bereits mit Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes die zugesagte finanzielle Entlastung der Kommunen zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingefordert wird. Ziel muss es sein, dass die zuständige Ministerin so frühzeitig den Gesetzentwurf einbringt, dass bereits zum Ende der 18. Wahlperiode des Bundestags im Jahr 2017 das volle Entlastungsvolumen in Höhe von 5 Milliarden € zugunsten der Kommunen wirksam wird.
Allerdings können wir einige Aussagen, die sich im Antragsentwurf von Rot-Grün finden, nicht mittragen. Auf die Punkte gehe ich ein.
Beispielhaft wird wieder einmal der Stärkungspakt gelobt. Aus meiner Sicht kann das nicht wahr sein. Ich werde nicht müde zu wiederholen: gut gewollt, schlecht gemacht und vor allen Dingen zu kurz gesprungen.
Wie sehr der Stärkungspakt hinter den Erwartungen zurückbleibt, mögen Sie daran erkennen, dass die Städte, bei denen aktuell finanziell – bildlich gesprochen – das Licht ausgeht, von dieser Hilfeleistung nicht mal erfasst sind. Ich meine beispielsweise Mülheim, eine Stadt, die nach den Bewertungen des RWE-Pakets mit Riesenschulden, Haushaltsfehlbeträgen und bilanzieller Überschuldung dasteht. Dieser Zustand ist rechtswidrig, wie uns das MIK noch letzte Woche in der Sitzung bestätigt hat. Das heißt, ein Privatunternehmen wäre jetzt in der Insolvenz.
Bekommt Mülheim Hilfe aus dem Stärkungspakt? – Nein, Fehlanzeige, nicht aus dem Stärkungspakt. Von daher bin ich mir auch ziemlich sicher, dass Sie in den nächsten drei Jahren noch erhebliche Probleme mit diesem Paket bekommen werden und es Ihnen auch noch aus dem Ruder läuft.
Punkt 2: Ich wiederhole es: Sie und wir tragen im Land NRW die Basisverantwortung für die Kommunen. Von daher wird eine nachhaltige Konsolidierung nur dann gelingen, wenn wir ganzheitlich ansetzen. Ansonsten würden Sie die Wirkung eines Eimers Wasser erzielen, der in ein brennendes Haus geschüttet wird. Wir brauchen etwa die Beteiligung des Bundes, aber auch ein starkes Engagement des Landes, strikte Konnexität, Transparenz, Benchmarking, Aufgabenkritik, weniger Bevormundungspolitik, weniger Bürokratie, Überprüfung des Kommunalisierungsgrades.
Punkt 3 – eine Nuance –: Der Weg der Entlastung der Kommunen. Wir sprechen uns außerhalb der Beschlusspunkte ebenso empfehlend dafür aus, diesen Weg über die Bundesbeteiligungserhöhung bei den Kosten der Unterkunft zu gehen. Grundsätzlich ist dieser Weg gut für die Kommunen in NRW. Wer allerdings im Detail steckt, sollte wissen, dass wir bei einer ausschließlichen Wahl dieses Weges zu einer mehr als 50%igen Kostenbeteiligung des Bundes kommen und damit zu einem Aufgabenwechsel für die Kommunen in: weg von der Selbstverwaltung und hin zu staatlicher Auftragsverwaltung. Das würde bedeuten: Nachteile bei der Arbeitserledigung, Einbeziehung des Bundesrechnungshofs, gestiegene Bürokratie.
Von daher wird wohl die stärkere Beteiligung bei den Kosten der Unterkunft nicht allein möglich sein. Vermutlich wird man an der Umsatzsteuerbeteili
gung nicht vorbeikommen. Vielleicht gibt es auch eine Mischform. Deswegen halten wir uns diesbezüglich in unserem Beschluss zurück und äußern nur die Wunschpriorität in Richtung KdU.
Zusammenfassend darf ich feststellen: Unsere Kommunen brauchen unseren Rückhalt aus dem Landtag. Daher empfehle ich Ihnen – auch den rotgrünen Fraktionen –, unseren ausgezeichneten Entschließungsantrag mitzutragen, der gut und konsensfähig ist. Wir werden uns bei Ihrem Antrag trotz oder aufgrund der von mir vorgetragenen kritischen Punkte enthalten.
Herr Kollege Kuper, bitte bleiben Sie noch einen Moment am Rednerpult. Kollege Körfges hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. – Herr Kollege Körfges, Sie haben das Wort.