Auch die ersten Sozialeinrichtungen in Europa waren ganz ohne Frage christliche Einrichtungen. Ich habe mich damit mal sehr intensiv beschäftigt. Die Sozialgeschichte belegt das eindeutig.
Da wird nicht etwa eine – ich zitiere aus dem Entschließungsantrag – „säkulare Beschreibung mit dem christlichen Begriff der ‚Nächstenliebe‘ übersetzt.“ Das Gegenteil ist der Fall: Historisch kommt zuerst die Nächstenliebe. Aus diesen Impulsen entwickelte sich der Sozialstaat.
Aber auch das Konzept des Sozialstaates ist nicht unangefochten. Wir haben das berühmte Böckenförde-Diktum zitiert. Dass dazu viel zu sagen ist, ist uns auch klar.
Aber wenn Sie Habermas zitieren, dann sollten Sie bitte auch seine immer wieder vorgetragene Aufforderung nicht vergessen, dass sich die Gesellschaft nicht von Sinnressourcen abschneiden solle, wie sie in den Kirchen tradiert werden.
Meine Damen und Herren, die Anhörung hat gezeigt, dass die Kirchen nicht allein im Sozialbereich und bei der Wertevermittlung tätig sind, sondern auch auf dem Feld der Kultur Großes, außerordentliche wichtige Beiträge leisten. Denken Sie nur an Musik, Büchereien, Chöre, Weiterbildungen und anderes mehr.
Diesen wichtigen Beitrag zu würdigen, dem diente unser Antrag aus dem April letzten Jahres. Wir haben in dem Antrag vier Abschnitte behandelt. Erstens. Die Kirchen sind zentrale Pfeiler der Gesellschaft. Zweitens. Sie leisten einen besonderen Beitrag zum Gemeinwohl. Drittens. Sie mobilisieren das meiste Ehrenamt. Viertens. Sie haben die Freiheit, die eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Es geht hier also nicht, wie man sieht, vor allem um das kirchliche Arbeitsrecht.
Nun liegt ein Entschließungsantrag der Regierungskoalition vor, der das Thema fast ausschließlich auf arbeitsrechtliche Fragen reduziert. Wir haben in unserem Antrag nicht etwa jeden arbeitsrechtlich problematischen Fall im kirchlichen Dienst – natürlich gibt es so etwas – gerechtfertigt, wir haben nur bestätigt, dass die Kirchen das am besten selbst regeln.
Das geschieht zurzeit in den paritätisch besetzten kirchlichen Gremien sehr vertrauensvoll und vielfach besser als im öffentlichen Dienst. Unterm Krummstab ist eben nicht nur gut leben, sondern in den meisten Fällen auch gut arbeiten.
Obwohl die Entschließung das Thema verfehlt, freut der Text uns. Warum? Nach vielen Verrenkungen und Forderungen, die von ver.di direkt formuliert sein könnten, finden sich in Ihrem Text letztlich klare Aussagen.
Zweitens. Die verfassungsmäßigen Rechte sollen geachtet werden. – Ich frage: Muss man die Regierung dazu auffordern? Das aber nur in Klammern!
Das klingt alles völlig anders als der vorliegende Piratenantrag, der aufs Schönste den Trend spiegelt, die Kirchen als Finsterlinge zu beschreiben, die es nur mit Inquisition und Hexenwahn zu tun haben.
Dort findet man auch die unsinnige Behauptung, die Kirchen bekämen schrecklich viel Geld für ihre Einrichtungen. Meine Damen und Herren, umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Kirchen übernehmen staatliche Aufgaben wie Kindererziehung, Bildung, Krankenversorgung und Pflege, die wir nicht zu 100 % finanzieren müssen, sondern in die erhebliche Mittel der Mitglieder der Glaubensgemeinschaften fließen. Das sind übrigens Einrichtungen mit einer sehr hohen Akzeptanz bei den Menschen dieses Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was im Piratenantrag steht, ist nicht nur unter Piraten eine verbreitete Meinung. Auch in der SPD gibt es nicht allein Christinnen und Christen – die übrigens gerade wieder zu einer sehr schönen Tagung nach Berlin eingeladen haben –, da gibt es auch eine ganz andere Gruppe.
Bei den Grünen sieht es noch ärger aus. Dort steht vielen, die aus dem kirchlichen Umfeld in die Politik gekommen sind, eine sehr lautstarke und sehr wirkungsmächtige antikirchliche Gruppe gegenüber.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wir waren beide in der Anhörung! Das ist ungehörig, was Sie hier machen! – Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Was ist das für eine Schein- propaganda?)
Ich rate Ihnen: Sehen Sie sich mal auf der aktuellen Website der Grünen die völlig unterschiedlichen Antworten der Parteispitze auf die Frage nach der Trennung von Kirche und Staat an. Ich empfehle einfach mal, das nachzulesen, ganz neutral.
Dass es mit unserem Antrag gelungen ist, solchen Tendenzen im Landtag von Nordrhein-Westfalen nicht die Oberhand zu geben,
(Vereinzelt Beifall von der CDU – Marc Herter [SPD]: Unverfrorenheit! – Michele Marsching [PIRATEN]: Deswegen wird er abgelehnt! – Weitere Zurufe)
… einem Antrag und einem Entschließungsantrag zustimmen, der die kirchliche Arbeit in diesem Land hoch anerkennt, und Anerkennung aussprechen, das ist auch ein Erfolg unseres Antrags. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Tatsache, dass wir aus meiner Sicht eine sehr sachliche Anhörung durchgeführt haben, in der Sie sich nicht dadurch hervorgetan haben, auch nur einen Schritt in unsere Richtung zu machen, möchte ich gerne wissen: Welche Belege haben Sie für Ihre These, dass in unserer Fraktion antikirchliche Propaganda unterwegs sei? Das möchte ich hier dokumentiert wissen.
Das differenziere ich sehr genau. Dass Sie in der Partei scharf säkularistische Mitglieder, Gruppierungen und Äußerungen haben, das werden Sie nicht bestreiten. Ich behaupte das nicht mit Blick auf Ihre Fraktion.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: So sehen Sie Mei- nungsfreiheit! Das ist ja interessant! – Gegen- ruf von der CDU – Michele Marsching [PIRATEN]: Kirche und Meinungsfreiheit ist eine spannende Verbindung! – Weitere Zuru- fe)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte mich eigentlich auf eine Debatte gefreut, in der nach der Anhörung gemeinschaftlich die Dinge diskutiert werden, die in der Tat einer Diskussion bedürfen. Dazu liegen die entsprechenden Entschließungsanträge vor. Aber: Herr Prof. Dr. Dr. Sternberg, Sie haben nicht widerstehen können, diese Debatte als Vehikel für Ihre kleinkarierte Parteipolitik zu nutzen.
Das haben die beiden christlichen Kirchen und die beiden zitierten großen Wohlfahrtsverbände nicht verdient.