Protocol of the Session on February 19, 2014

Diese Einzelfälle müssen wir zurückführen, damit das Ganze für alle Beteiligten verlässlich wird, damit für die Schulen Sicherheit da ist, aber natürlich auch für die Eltern, die das dann nicht mehr in jedem Einzelfall für ihre Kinder erkämpfen müssen.

Ich habe das noch einmal sehr eindrucksvoll bei einem Besuch in Zülpich in der letzten Woche erlebt. Dort wurde mir in der Förderschule, dem Kompetenzzentrum vor Ort, gezeigt, wie eine gemeinsame Bildungskette erschlossen worden ist – in der Arbeit, die dort erbracht worden wird, in der Vernetzung mit allen Institutionen.

Es geht bei der Kita los, in die Grundschule hinein, in die Sekundarstufe, im Austausch sonderpädagogischer Unterstützung mit der Hauptschule, mit der Realschule, mit dem Gymnasium, mit der benachbarten Gesamtschule und an der Schnittstelle hinein ins Berufsleben. Kinder und Jugendliche werden begleitet. Im Vertrauen und unter Einbeziehung der Eltern werden die Informationen weitergegeben, um eine Dokumentationskette zu haben, bei der der Datenschutz gewährt ist, bei der aber auch immer ein Blick auf die Stärken des Kindes und die Unterstützungsbedarfe gegeben ist. Es geht darum, ein solches Klima des Vertrauens herzustellen und dann darauf zu gucken: Was braucht das einzelne Kind und der einzelne Jugendliche? Das ist auch in der Frage der Nachteilsausgleiche ganz wichtig.

Es darf nicht so sein, wie das bei unserem geschätzten Nachbarn der Fall gewesen ist. Zum Beispiel ist bei LRS, Lese- und Rechtsschreibförderung, nicht immer ein AO-SF-Bedarf gegeben. Der Vater Rechtsanwalt, Juraprofessor, hat die schriftlichen Arbeiten einfach von der Sekretärin abtippen lassen, und der Sohn hat gesagt: Ich bin so hochgradig eingeschränkt mit LRS, dass ich, wenn ich diese Unterstützung nicht gehabt hätte, mein Abitur und mein Jurastudium nicht hätte machen bzw. absolvieren können.

Da müssen wir für Chancengleichheit sorgen und die Unterstützung in der Schule anlegen, sodass niemand zu solchen Hilfsmitteln greifen muss, sondern dass das in der Schule von Anfang an gewinnend und unterstützend unterlegt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mir ist sehr wichtig, dass im System alle sensibilisiert sind.

Auch in der Frage der Dyskalkulie – die Kollegin Birkhahn hat es angesprochen – sind wir im Diskussionsprozess, und zwar mit dem Bundesverband auf der einen Seite und mit der KMK auf der anderen Seite. Bei der Zuordnung der Kategorisierung gibt es ebenfalls immer noch Unklarheiten. Die Fra

ge ist: Wie ist das eigentlich zu betrachten? Wir haben in jedem Feld eine enorme Spannbreite. Deshalb ist das nicht so einfach zu sagen.

Wir müssen einen präventiven Ansatz verfolgen. Und dann geht es nicht mehr um die AO-SF und die Frage, ob dadurch etwas ausgeschlossen wird, sondern es geht vielmehr darum, eine frühe Diagnose anzusetzen und den gemeinsamen Blick auf das Kind zu richten, um anschließend die Informationen zusammenzuführen und dem Kind die Unterstützung zukommen zu lassen. Das ist die Herausforderung, der wir uns jetzt im Inklusionsprozess stellen müssen.

Deswegen ist es gut, dass wir im Ausschuss darüber diskutieren und vielleicht die Problemlagen, die Aufgaben und die Chancen, die für alle darin stecken, zusammenführen und vor allen Dingen darauf schauen, wo das schon gelingt.

In diesem Zusammenhang gucke ich nach Zülpich, nach Wesel und nach Herford, wo man Lernausgangslagen anders miteinander angeht. In Zülpich ist übrigens das DEIF-Verfahren mitentwickelt und praktiziert worden, das viel weniger aufwendig und zielführender als die AO-SF ist.

All diese Dinge können wir noch einmal miteinander diskutieren. Dabei setze ich in der Tat auf den Sachzusammenhang und die Sachdiskussion. Ich freue mich, wenn wir für Kinder und Jugendliche gemeinsam etwas bewegen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion ergreift nun Frau Gebauer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie machen es mir jetzt nicht einfach, als Fünfte zu diesem Thema zu sprechen. Letztendlich glaube ich, dass wir uns, ebenso wie bei dem Thema „Analphabetismus“, auch in diesem Bereich mehr oder weniger auf einer Linie befinden.

Wenn man sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt, dann erkennt man, dass sich auch der Landtag in der Vergangenheit schon das eine oder andere Mal mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Der KMK-Beschluss diente oftmals als Grundlage.

Frau Birkhahn hat bereits einiges zu diesem Thema gesagt, nämlich dass zum Beispiel nicht der Eindruck entstehen darf, dass Nachteilsausgleiche ein Allheilmittel sind und – auch darüber muss man sprechen –, dass man sie nicht inflationär zur Anwendung bringen darf, sondern dass sie gezielt eingesetzt werden müssen. Darüber hinaus gilt es, Grundsätze gleicher Leistungsbewertung – diese stellen schließlich ein hohes Gut dar – zu gewähren.

Letztendlich geht es aber auch um die Pädagogen, die Diagnostik und im Anschluss an die Diagnostik um die individuelle Förderung. Dieses Schlagwort behandeln wir nicht nur im Rahmen der Inklusion, sondern generell in allen Bereichen.

Ich kann es kurz machen: Ich freue mich auf eine spannende bzw. inhaltsreiche Diskussion im Ausschuss. Ich freue mich, dass die Piraten das Thema aufgegriffen haben. Das Thema ist es wert, sich damit zu befassen, und ich hoffe, dass wir zu einer guten Lösung für die Beteiligten und Betroffenen kommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Gebauer. – Nun spricht für die Landesregierung Ministerin Löhrmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine konstruktive Diskussion nicht erst im Ausschuss, sondern schon jetzt – auch das geht beim Thema „Schule“, und das ist immer wieder erfreulich.

Auch ich habe durchaus Sympathien für Aspekte des Antrags. Denn das Herstellen von Chancengleichheit ist ein zentrales Ziel unserer Bildungspolitik. Wichtig ist, dass alle Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Nachteilsausgleich haben, diesen auch bekommen.

Ein Nachteilsausgleich – so auch die Definition der Kultusministerkonferenz; hier gibt es eine einheitliche Meinungsbildung – soll den durch eine Beeinträchtigung entstandenen Nachteil kompensieren. Mittlerweile gibt es auch Gerichtsurteile, die sich dieser Definition anschließen.

Ein Nachteilsausgleich ist kein Privileg, aber auch keine Vorteilsnahme, um sich vor schlechten Leistungen zu schützen. Darauf müssen wir achten.

Im Antrag der Fraktion der Piraten werden Eltern als Bittsteller bezeichnet, wenn ihr Wunsch auf Nachteilsausgleich für ihr Kind abgelehnt wird. Dass er abgelehnt wird, heißt jedoch nicht, dass es keine ausreichende gesetzliche Grundlage gibt, sondern dass manchmal bestimmte Kriterien nicht erfüllt werden.

Das Thema ist sehr vielschichtig. Man muss sich vor Automatismen und auch vor Schematismus hüten.

Das vorrangige Ziel der Schule muss es sein, von einer defizitorientierten Sichtweise wegzukommen und die individuelle Förderung stärker in den Blick zu nehmen. Dies ist Leitmotiv des Schulgesetzes.

Meine Damen und Herren, wie bereits von Frau Spanier-Oppermann angedeutet: Den erforderlichen

rechtlichen Regelungsrahmen gibt es. Ich will ihn noch einmal kurz skizzieren.

Bei Behinderung – darunter fallen auch attestierte Erkrankungen – und/oder sonderpädagogischem Förderbedarf gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten der Gestaltung von Nachteilsausgleichen, über die die Schule eine Entscheidung trifft, und zwar in einer guten, konstruktiven Erziehungspartnerschaft von Eltern und Schule. Die Regelungen finden sich in Nordrhein-Westfalen in den einzelnen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen.

Nachteilsausgleiche können während der gesamten Bildungslaufbahn ermöglicht werden: von der Primarstufe bis zu den Abschlüssen Sekundarstufe I oder II. Sie beziehen sich auf zielgleiche, normbezogene Abschlüsse und müssen die Leistungsanforderungen beibehalten, sonst wäre der angestrebte Abschluss nicht mehr zielgleich. Das hat auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun.

Dies gilt gleichfalls für den Wunsch, einen Notenschutz zu erhalten. Ein Notenschutz kann nur unter sehr besonderen Umständen und nicht mehr in Abschlusszeugnissen gewährt werden.

Auch nach der Lehrerausbildung und -fortbildung wurde gefragt. Diagnose und individuelle Förderung sind Bestandteile der universitären und schulpraktischen Lehrerausbildung, die zuletzt im April 2011 überarbeitet wurde. Individuelle Förderung, pädagogische Hilfe und Prävention sind explizite Bestandteile des erstellten Kerncurriculums und auch der Fortbildung.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Einen rechtlichen Rahmen gibt es. Dennoch nehme ich den Eindruck der Antragsteller ernst, dass Schulen, Lehrkräfte und Betroffene verstärkt Informationen über Verfahrensform und Gewährung von Nachteilsausgleichen erhalten sollen. Offenbar haben wir hier ein Vollzugsproblem. Ich setze hier gerne an, um Informationen zum Thema noch breiter zu streuen.

Ende letzten Jahres wurde eine Arbeitshilfe für Schulleitungen zu Nachteilsausgleich und ZP10 erstellt. Diese wollen wir im Bildungsportal veröffentlichen, um sie der breiteren Öffentlichkeit, Eltern und Lehrkräften zur Verfügung zu stellen. Das Thema kann auch erneut in Schulleiterdienstbesprechungen behandelt werden.

Meine Damen und Herren, wir wollen die Eigenverantwortung jeder Schule stärken, damit Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern ermutigt werden, die entsprechenden Gestaltungsspielräume zu nutzen und berechtigte Nachteilsausgleiche zu gewähren.

Dass das stärker ins Bewusstsein rückt, dazu trägt die Debatte heute bei. Dazu trägt eine vertiefte Diskussion im Schulausschuss bei. Außerdem finde ich, dass es das Thema allemal wert ist, ausführlich und konstruktiv im Schulausschuss besprochen zu werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Damit sind wir am Ende der Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat hat empfohlen, den Antrag Drucksache 16/5028 an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so entschieden und der Antrag überwiesen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

5 Keine Kappungsgrenze auf tönernen Füßen –

Dialog mit Betroffenen suchen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5034

Ich eröffne die Aussprache damit, dass ich Herrn Kollegen Ellerbrock das Redepult freigebe. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Keine Kappungsgrenze auf tönernen Füßen.“ Mit dem Mietrechtsänderungsgesetz des Bundes wurde 2013 den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, in besonders problematischen Gebieten mit engen Wohnungsmärkten Mieterhöhungen von 20 auf 15 % zu reduzieren. Das war 2013, Schwarz-Gelb.

Für Gebiete mit besonderem Wohnungsmangel können – ich betone: können – die Kommunen also entsprechende Festsetzungen treffen. Maßgabe dafür ist, dass eine ausreichende Versorgung nicht gegeben ist und die Bevölkerung zu angemessenen Bedingungen versorgt werden soll. Das sind Begriffe, die man interpretieren muss. Dafür haben Sie, Herr Minister, eine Handreichung aus Ihrer Sicht gegeben.

Aber eines steht fest: Flächendeckend soll es nicht sein. Es soll differenziert sein. Flächendeckend kann es gar nicht gemeint sein.

Deswegen, Herr Minister, überrascht Ihr Entwurf. Denn Sie nehmen eine Gebietskulisse, in der es enge Wohnungsmärkte gibt. Ich nenne Euskirchen, Rheine, Raesfeld, Bottrop. Wir haben uns im Ausschuss darüber unterhalten: Ist Bottrop ein enger Wohnungsmarkt, der eine Kappungsgrenze