Protocol of the Session on October 16, 2013

äußert, der auf manche Fragen Antworten gibt, die im reinen Gesetzeswortlaut nicht geregelt werden:

Wir wollen, dass die Expertise im Bereich der Kompetenzzentren und Netzwerke erhalten bleibt, dass sie fruchtbar für das weitere Zusammenarbeiten in der Region und der Schulen untereinander gemacht wird.

Es wird verdeutlicht, dass wir die Sonderpädagoginnen fest im Kollegium haben wollen. Bisher haben wir es doch mit einer misslichen Situation, neben den „Reisesonderpädagogen“, zu tun. Genau das wollen wir ändern. Dafür stellen wir Stellen zur Verfügung. In der Grundschule werden wir anfangen, damit dieser Bereich besonders ausgestattet und unterstützt wird.

Darüber hinaus wollen wir eine Diagnostik für alle Kinder, aber kein aufwändiges Verwaltungsverfahren mehr, sondern eine Förderung, die direkt vom ersten Tag an bei den Kindern ankommt.

Die Kommunen als Schulträger sind unterschiedlich aufgestellt. Das wissen wir. Manche Städte und Kreise sind sehr weit, andere haben noch Nachholbedarfe. Das neue Gesetz bietet ihnen die notwendige Flexibilität, schrittweise zu reagieren und gemäß ihrem Stand das gemeinsame Lernen weiterhin aufzubauen.

Wir haben eine kommunal-staatliche Verantwortungsgemeinschaft, die wir wahrnehmen und gemeinsam leben. Deswegen gehen wir jetzt auch in den Arbeitsprozess hinein. Das – ich habe es eben bereits gesagt – begrüße ich ausdrücklich.

Für die Anmeldung im neuen Schuljahr greifen die neuen Regelungen. Es ist mir besonders wichtig, dass die Eltern wissen: Ja, es gibt die Sicherheit, dass ich mit meinem Kind in das Anmeldeverfahren hineingehen kann und beraten werde, wo der Ort des gemeinsamen Lernens sein wird.

Die Kommunen können Schwerpunktschulen bilden. Denn wir wollen die sonderpädagogische Ressource nicht in homöopathischen Dosen über das Land verteilen, sondern gebündelt zur individuellen Förderung der Kinder bereitstellen. Das ist uns sehr wichtig.

Ja, Norbert Römer hat es gesagt: Heute ist ein guter Tag für das gemeinsame Lernen, für die schrittweise Umsetzung des Prozesses der Inklusion in Nordrhein-Westfalen. Ich danke allen, die über die Jahre hinweg das gemeinsame Lernen in NordrheinWestfalen erfolgreich gestaltet haben. Sie sind Pioniere gewesen. Wir gehen diesen Weg mit und unterstützen sie weiter nach Kräften. Das ist unsere Aufgabe in der Politik: keine Vernebelung und Angstmache, sondern diesen Weg zum Wohle der Kinder gemeinsam gehen in einer Gesellschaft, die Teilhabe und Chancengleichheit ermöglicht – für alle Menschen, ohne Unterschiede!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Lindner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Inklusion ist die bildungs- und sozialpolitische Schlüsselaufgabe dieser Legislaturperiode. Inklusion ist nicht nur eine rechtliche Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern sie markiert auch ein Stück zivilisatorischen Fortschritt.

Norbert Römer hat es hier eben dargestellt: Es ist unser gemeinsames Anliegen, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft finden und deshalb Zugang zum regulären Angebot der Schulen haben, damit wir ihnen so den Weg in ein Leben in unserer Gesellschaft als gleichberechtigte Partner bahnen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wie aber geht diese Koalition mit dieser bildungs- und sozialpolitischen Schlüsselaufgabe um? – Sie legt einen Gesetzentwurf vor, der in allen Expertenanhörungen in beispielloser Weise durchfällt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Seit drei Jahren warten wir auf den angekündigten Inklusionsplan. Er liegt nicht vor. Bemängelt wird, dass in Ihrem Gesetz keine klaren Qualitätsvorgaben enthalten sind. Frau Beer antwortet darauf, Fantasie und Kreativität seien nötig.

Unsere Förderschulen sind eine beispiellose, im internationalen Vergleich sehr geachtete pädagogische Ressource, die jetzt ohne Not

(Beifall von der FDP und der CDU)

abgebaut wird, obwohl sich 83% der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens die Wahlfreiheit zwischen einem Angebot in einer Regelschule und einer Förderschule wünschen. Diese pädagogische Infrastruktur gefährden Sie mit Ihren Vorhaben, mit einem Inklusionsprozess, von dem auch die Kommentatoren in den Medien inzwischen schreiben, dass er nicht gelingt. Am heutigen Tag wird geschrieben: Zu schnell, zu wenig konkret und mit zu vielen verbalen Nebelkerzen betrieben Sie die Inklusion.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da kannte Herr Vornholt die heutige Rede von Herrn Römer noch gar nicht.

Das Kernproblem, das die Kommunen bemängeln und an dem sich jetzt die Auseinandersetzung entzündet, betrifft die Kostenfolgen, die Konnexität. Über Monate verweigert sich die grüne Schulministerin einer klaren Kostenfolgenabschätzung, weil sie pauschal sagt, dieses Gesetz sei nicht konnexitätsrelevant.

Vor der Bundestagswahl zieht dann der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion die Notbremse und kündigt neue Gespräche an. Das erfolgt parallel dazu, dass die Schulministerin in einer Sitzung des Schulausschusses noch jede Konnexität verweigert. Norbert Römer hat es getan, um Zeit zu kaufen, wie er in einem Interview mit dem „WDR“, wenn ich mich richtig erinnere, gesagt hat. Seit gestern gibt es das, was er die Verständigung nennt.

Lieber Herr Römer, Sie sprechen davon, die Kommunen hätten Ihre ausgestreckte Hand ergriffen. – Man muss aber fairerweise hinzufügen, dass Sie sie eigentlich am langen Arm verhungern lassen wollen. Wenn man die Reaktion der Kommunen sieht, erkennt man: Das Fingerhakeln wird in den nächsten Monaten weitergehen – von wegen: ausgestreckte Hand ergriffen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Was ist das für eine Qualität der Verständigung, wenn Sie verkünden – so lassen Sie sich heute in der Presse zitieren –: Beide Rechtspositionen stehen sich unverändert gegenüber.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Wie in Bayern!)

Beide Rechtspositionen stehen sich unverändert gegenüber – wie Duellanten. Dann sagt die Schulministerin, man habe jetzt einen Waffenstillstand. Meine Damen und Herren, wer vom Waffenstillstand spricht, führt sonst offenbar Krieg gegen die Kommunen. Sonst würden Sie ein anderes Vokabular verwenden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie müssen doch die Städte und Gemeinden als Schulträger bei dieser Aufgabe ins Boot holen. Sie können sie doch mit den Problemen in der Praxis – organisatorischer und finanzieller Natur – nicht alleine lassen.

Die sehr verehrte Frau Ministerpräsidentin spricht fortwährend davon, man wolle alle mitnehmen, man wolle niemanden zurücklassen. Bei der Inklusion sind Sie dabei, die Schwächsten der Gesellschaft zurückzulassen, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Bei den Fragen der Kostenfolgen lassen Sie die Schwächsten im Staat zurück, nämlich die Städte und Gemeinden. Kehren Sie um!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das, was Sie an Gesetzentwürfen und heute an Verfahrensvorschlägen vorgelegt haben, ist dem Problem nicht angemessen. Die Qualität muss das Tempo des Inklusionsfortschritts bestimmen,

(Beifall von Walter Kern [CDU])

nicht das Tempo darf die Qualität bestimmen. Sonst würden Sie das Kindeswohl gefährden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb ist unsere herzliche Bitte an Sie, Frau Löhrmann: Sie haben den Gesetzentwurf schon einmal, weil er fachlich nicht überzeugend war, zurückgezogen. Ich bin der Auffassung, dass Ihnen alle Respekt zollen würden – das ist kein Gesichtsverlust –, wenn Sie sich in dieser Lage unklarer Qualität, unklarer Kostenfolgen, ehrlich machen und diesen Gesetzentwurf zurück in die Montagehalle ziehen würden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Lindner. – Für die Piratenfraktion spricht Frau Pieper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Römer sagte gerade, dies sei ein guter Tag für NRW. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, für mich ist es kein guter Tag. Dieses Gesetz – der Prozess der Inklusion – war für mich der wichtigste Grund, mich überhaupt um ein Landtagsmandat zu bewerben, in der Hoffnung, da konstruktiv, sachlich und fachlich Verbesserungen herbeizuführen. Ich stelle heute fest, sowohl das Verfahren als auch das Ergebnis sind weder gut noch zufriedenstellend.

Ich möchte zunächst etwas zum Verfahren sagen. Ich hätte mir eine lebhafte Debatte im Ausschuss gewünscht. Dort hätte ich die gestern eingereichten Anträge von Rot und Grün sehr gerne diskutiert. Eine sachliche und fachliche Debatte hat dort so gut wie gar nicht stattgefunden. Wenn ich auch dafür Verständnis habe, dass der Änderungsantrag so spät eingereicht wurde, kann mir keiner erzählen, all die Punkte des Entschließungsantrags hätten erst letzte Woche entwickelt werden können. Es gab nach der Anhörung keine neuen inhaltlichen Fakten. Das hätte längst vorliegen können.

Wie Sie mit den Stellungnahmen aus der Anhörung umgegangen sind, finde ich ebenfalls nicht in Ordnung. Sie haben die Stellungnahmen als uneinheitlich bezeichnet. – Das stimmt wohl. Aber wenn die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen deutliche Kritik an dem Gesetz übt, ist dies ein sehr guter Grund, sich mit dieser Kritik auseinanderzusetzen und entsprechende Schlüsse zu ziehen.

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

Ich war wirklich gespannt, ob da noch etwas kommt und, wenn ja, was. Beim Lesen des Entschließungsantrags wusste ich dann überhaupt nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich hatte gehofft, es kämen wirklich fachliche Änderungen am Gesetzentwurf. Was kam? – Eine Liste „Wünsch dir was“. Die

Ansätze finde ich zum großen Teil gut und richtig; aber es fehlt mal wieder die Verbindlichkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Forderungen an die Landesregierung sind eine Selbstverständlichkeit. Ansonsten belassen Sie es bei Formulierungen wie etwa: Der Landesregierung wird empfohlen zu prüfen; die Landesregierung wird gebeten; der Landtag begrüßt. Wir brauchen konkrete Zielvorgaben und klar abgesteckte Rahmenbedingungen und keine guten Wünsche für den Transformationsprozess.

Wir sind die Einzigen, die deutlich Stellung bezogen und konkrete Vorschläge gemacht haben, sowohl fachlich wie auch zu einer möglichen Finanzierung, und das frühzeitig genug, um eine Diskussion darüber zu ermöglichen.