Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Sie bedeuten aber für uns: Wir müssen auch in die Schulen schauen, unsere Lehrkräfte besser für das Problem des Analphabetismus sensibilisieren und ihnen geeignete Instrumente an die Hand geben.
Eben habe ich noch von den Damen, die heute hier mit Leibniz unterwegs sind, gehört, dass Kinder nur in den ersten beiden Schuljahren die Möglichkeit haben, Lesen und Schreiben zu lernen. Dann ist die Chance für die erst einmal vertan.
Ich plädiere sehr dafür, die Zusammenarbeit von Schule und Weiterbildung bei diesem Thema zu vertiefen. Es kann nicht oft genug betont werden, dass der Analphabetismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Daher ist eine Initiative, wie in unserem Antrag formuliert, zur Sensibilisierung und Vernetzung aller Akteurinnen und Akteure dringend erforderlich, auch wenn bereits erste Schritte auf diesem Weg unternommen worden sind.
Um deutlich zu machen, dass wir dabei nicht stehen bleiben dürfen, muss ich noch einmal auf die PIAAC-Studie zu sprechen kommen, die eine Erweiterung der Bildungsangebote für Erwachsene fordert.
Ich sage es noch einmal: Wir können es uns nicht leisten, diese Menschen zurücklassen. Wir müssen ihnen den Weg zu qualifizierter Beschäftigung erleichtern. Das, meine Damen und Herren, geht nur über einen Ausbau der Angebote in den Bereichen Alphabetisierung und Grundbildung.
Wir müssen aber darüber hinaus auch die große Gruppe von Menschen erreichen, die bisher keine Chancen gesehen haben, ihre Grundkompetenzen zu verbessern. Es gibt erfolgreiche Bespiele für die Ansprache dieser Zielgruppen, und wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie gebündelt und weiterentwickelt werden, damit alle Weiterbildungseinrichtungen im Land daran partizipieren können. Dass das in Zukunft so sein wird, dafür steht auch die Einrichtung des Landesinstituts LIUNA NRW. Denn das wird auch die Aufgabe übernehmen, die Qualitätssicherung bei den verschiedenen Akteuren der Weiterbildungseinrichtungen zu betreiben. Ich denke, die Aufgabe „Sicherung der Qualität“ ist dort hervorragend angesiedelt.
– Ich beeile mich jetzt. – In einen besonderen Fokus nehme ich dann noch die über 29-Jährigen, weil die immer aus allen möglichen Bezugspunkten herausfallen, wo wir sie bekommen könnten.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir diese große Aufgabe alle gemeinsam zustimmend begleiten werden. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir besprechen hier den Antrag der SPD und der Grünen bezüglich der Bildung eines Bündnisses zur Alphabetisierung NordrheinWestfalens.
Tatsächlich ist es so, dass rund ein Viertel der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens längere Texte weder fehlerlos schreiben noch lesen kann. Alleine in einer Stadt wie Düsseldorf leben ca. 25.000 Analphabeten – für uns alle hier im Raum sicher unvorstellbar.
Ihr Antrag sieht nun vor, die Landesregierung aufzufordern, die Alphabetisierungsarbeit so, wie sie von der Weiterbildungskonferenz 2012 empfohlen wurde, weiter auszubauen, zu kanalisieren und eine breite Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren. Gegen diese Absicht ist mit Sicherheit nichts einzuwenden.
Allerdings stößt der von Ihnen gestellte Antrag nicht zur Wurzel des Problems vor, sondern soll allenfalls die Symptome lindern. Der Alphabetisierungsprozess ist vornehmlich ein schulischer Prozess. Denn
die Schule ist das Instrument, das diese Fertigkeit unterrichten soll. Und da bin sehr dankbar, dass Frau Zentis in ihrem Redebeitrag auch darauf hingewiesen hat. Es sollen nicht nur einzelne Worte gelesen und geschrieben werden, sondern auch größere Zusammenhänge verstanden und begriffen werden.
Falls an den Schulen eine bessere Bildung, als es die Ländervergleichsstudie erahnen lässt, vermittelt werden und hierbei auch darauf geachtet würde, dass der Alphabetisierungsprozess zielorientiert vonstattenginge, wäre der Sache an sich schon deutlich geholfen. Dies umfasst auch das Erkennen von spezielleren Fällen des Analphatentums, wie beispielsweise der Dyslexie und Ähnlichem. Es ist hier auch eine Aufgabe der Schule, die Maschen des Netzes eng zu halten, sodass durch dieses Netz niemand durchfällt. Ganz wird dies wahrscheinlich leider jedoch nicht zu verhindern sein.
Auch außerhalb der Schule gibt es zahlreiche Angebote seitens verschiedenster Träger, wie beispielsweise der Volkshochschulen, um sowohl jüngere als auch ältere Menschen zu alphabetisieren. Dies ist eine ganz wesentliche Aufgabe, der sich die Volkshochschulen mit großem Erfolg in den vergangenen Jahren bereits gewidmet haben.
Was Sie mit Ihrem Antrag erreichen wollen, kommt ein wenig dem Neuerfinden des Rades gleich. Alle diese Vorhaben, die Sie in Ihren Antrag mit aufgenommen haben, alle Angebote, die dort genannt sind, gibt es bereits.
Es wäre viel sinnvoller, die effiziente Umsetzung dieser Angebote zu unterstützen und die Betroffenen dazu zu ermuntern, Alphabetisierungskurse zu besuchen. Auch hierzu gab es schon bemerkenswerte Ansätze wie zum Beispiel Fernsehwerbung.
Da Ihr Antrag allerdings – und das wird von uns als Kern des Antrags betrachtet – davon ausgeht, dass Sie die bestehenden Programme und Hilfen kanalisieren wollen, dass Sie dort Unterstützung leisten wollen, dass Sie sie finanziell besser ausstatten wollen, werden wir uns Ihrem Antrag nicht verschließen, falls Sie uns mit sehr guten Argumenten im Ausschuss aufwarten. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich freut es sehr, dass dieses wichtige Thema angesprochen wird – das sei direkt gesagt –, bei Ihrer Antragsvorlage bleiben aber leider noch einige Fragen offen. Ihre Ansätze sind ohne Frage die richtigen, aber es sind vorerst nur Ansätze. Für viele Punkte – das hat
Frau Vogt schon dargelegt – gibt es bereits gute Lösungsvorschläge. Ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen.
Sie sprechen im Antragstext von der nationalen Strategie des Bundes, die dadurch ins Leben gerufenen Möglichkeiten werden aber nicht genannt. So greift zum Beispiel die „Vereinbarung über eine gemeinsame nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland 2012 bis 2016“ der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gleich als ersten Punkt die Öffentlichkeitsarbeit auf. Hier werden schon konkrete Ideen für Kampagnen zur Ansprache, auch zur niedrigschwelligen Ansprache, aufgezeigt. Allein im letzten Jahr stellte das BMBF 5 Millionen € für eine Öffentlichkeitskampagne zur Verfügung.
In Ihrer Forderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sprechen Sie nur davon, Ansprache und Beratungsform zu bündeln und ihre Weiterentwicklung zu fördern. Wie Sie das konkret machen wollen, darüber sprechen Sie bisher leider nicht.
Weitergehend sprechen Sie von der Umsetzung der Empfehlung der Weiterbildungskonferenz, was eine Koordinierungsstelle betrifft. Dies ist der Landesverband der Volkshochschulen. Im Bericht der Weiterbildungskonferenz steht im selben Satz, dass diese Koordinierungsstelle auch mit der Erarbeitung eines Konzeptes zur Sicherstellung eines landesweiten und flächendeckenden Grundbildungs- und Alphabetisierungsauftrags beauftragt wird. Wie genau soll das ausgestaltet sein?
Sie fordern ganz allgemein, dass die Angebote zur Alphabetisierung und Grundbildung bedarfsgerecht ausgebaut werden sollen. Ja, aber auch hier keine konkreten Empfehlungen.
Auch Ihre dritte Forderung, das Thema „Alphabetisierung“ in der Lehreraus- und -fortbildung stärker zu verankern, ist begrüßenswert, aber leider wenig konkret. Da waren Sie, das darf ich an dieser Stelle sagen, in Ihrer eigens initiierten Weiterbildungskonferenz, liebe Kolleginnen und Kollegen von RotGrün, schon einen Schritt weiter.
Es reicht bei diesem wichtigen Thema nicht, nur den guten Willen zu zeigen und ungenaue Formulierungen in einem Antrag unterzubringen. Analphabetismus bedarf einer Behandlung mit der Findung und dem Aufgreifen ganz konkreter Ansätze. Wir dürfen bei diesem wichtigen Thema nicht in Worthülsen verfallen.
Da uns, wie wahrscheinlich allen hier im Saal, die katastrophale Bildungshürde sehr am Herzen liegt, ist es richtig und wichtig, das große Problem aufzugreifen. Uns sind Ihre Forderungen jedoch, wie
Sie meinen Ausführungen entnehmen konnten, ganz klar zu wenig detailliert. Es wäre für das Thema wichtig und angemessen gewesen, mehr konkrete Inhalte und Handlungswege für den Abbau der Bildungs- und Lebenshürde aufzuzeigen und letztendlich auch umzusetzen.
Ich bin offen für die Beratungen im Ausschuss und freue mich bei dem wichtigen Thema auf die Diskussion dort. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich kann mich zunächst den Ausführungen der Kolleginnen anschließen. Auch ich finde es richtig, dass wir uns endlich diesem sehr wichtigen Thema im Landtag widmen.
14,5 % der erwerbsfähigen Menschen in Deutschland können nicht richtig schreiben und lesen. Obwohl wir das im Grunde wissen, schockiert einen diese Zahl doch wieder. Der Begriff „Bildungswüste Deutschland“ bekommt bei den Zahlen eine ganz neue Dimension. Jeder siebte Erwachsene ist nicht in der Lage, die Tageszeitung oder auch nur ein Straßenschild zu lesen, über Wahlzettel oder Arbeitslosengeld-II-Anträge möchte ich lieber gar nicht erst nachdenken.
Man muss sich einmal die Dimension der Situation vor Augen halten. Da ist zum einen die persönliche Dimension. Wie sieht es in der Realität aus? Eine Kollegin berichtete mir, dass Schüler der Klasse 8 an einer Gesamtschule zwar die Anweisung auf einem Päckchen Puddingpulver mühsam vorlesen können, sie jedoch nicht sinnentnehmend lesen, geschweige denn in Handlung umsetzen können. Wie sollen diese Schüler den Alltag in einer immer komplexer werdenden Welt bewältigen?
Daneben – das ist gerade mehrfach gesagt worden – steht die gesellschaftliche Dimension. Wer in unserer Gesellschaft nicht lesen kann, ist von sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Teilhabe so gut wie ausgeschlossen. Das können und dürfen wir uns nicht leisten.
Das ist aber nicht von heute auf morgen gekommen, sondern es war eine schleichende Entwicklung, auf die wir jetzt viel zu spät reagieren. Es hat Ansätze gegeben, es wurde etwas getan, aber bei Weitem nicht genug. Insofern begrüße ich es, dass jetzt Aktivität entsteht.
Wenn wir in NRW tatsächlich bis zu 1,5 Millionen Erwachsene mit erheblichen Lese- und Rechtschreibschwächen haben, dann reicht es nicht, festzustellen, dass dies zusätzliche Anstrengungen er
Der vorliegende Antrag ist ein erster guter Schritt, eine offensichtliche Willensbekundung, dem Thema endlich die Aufmerksamkeit zu widmen, die es verdient. Ich erwarte aber jetzt – da stimme ich Frau Gebauer zu – konkrete Aussagen, was die Landesregierung genau unter einem bedarfsgerechten Ausbau der Angebote versteht. Wie stellen Sie sich die Erleichterung des Zugangs zu den entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten genau vor? Viele der betroffenen Erwachsenen schämen sich und haben sehr ausgefeilte Mechanismen entwickelt, um ihren Analphabetismus zu verstecken. Es bedarf sehr unkonventioneller und kreativer Ideen, um diese Personen überhaupt zu erreichen. Es reicht nicht, Angebote zu machen, man muss aktiv auf die Menschen zugehen.
Die Tatsache, dass Schüler die Schule mit einem Abschluss ohne ausreichende Lesefähigkeit verlassen, ist ein Indiz dafür, dass die Wurzeln dieser Problematik schon in ganz jungen Jahren der schulischen Ausbildung zu finden sind und bis zum Ende der Schullaufbahn weitergeschleppt werden.
Deshalb stellen wir zu diesem Antrag einen ersten ergänzenden Entschließungsantrag, um deutlich zu machen, dass, wenn es darum geht, Analphabetismus zu verhindern, ein zentraler Entwicklungszeitraum in den ersten Grundschuljahren liegt. Hier muss einer der zentralen Ansätze zur Verbesserung liegen. Wir fordern eine mittelfristige Finanzplanung, die die Absenkung der Klassenfrequenzrichtwerte ermöglicht, und eine Verbesserung der SchülerLehrer-Relation, die über die Vereinbarung des Schulkonsenses hinausgeht.
Frau Zentis hat gerade sehr richtig festgestellt, dass die Lehrer qualifiziert werden müssen, um Analphabetismus zu verhindern. Die Lehrer brauchen deutlich mehr Zeit für den einzelnen Schüler. Dafür müssen Ressourcen geschaffen werden, die eine solche Förderung tatsächlich ermöglichen.
Wir haben heute über das schlechte Abschneiden der Schüler in NRW im Vergleich zu denen aus anderen Bundesländern geredet. Wir haben über Inklusion gesprochen. Jetzt sprechen wir hier über Analphabetismus. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir diese Themen im Kontext betrachten. Sie ergänzen und bedingen einander. Der Bildungssektor ist, besonders was die frühkindliche Bildung betrifft, strukturell unterfinanziert. Solange sich daran nichts ändert, werden wir bei aller Anstrengung nur punktuell Erfolg haben, aber substanziell nicht viel verbessern können.