Vielen Dank, Herr Minister Groschek. Es waren 46 Sekunden mehr als die vorgesehene Redezeit. Mir liegen allerdings keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.
Insofern sind wir am Schluss der Debatte und kommen zur Abstimmung. Ich würde gern über beide Anträge zusammen abstimmen lassen. Es liegt uns vom Ältestenrat für beide Anträge, also die Drucksachen 16/3450 und 16/4015, die Empfehlung vor, sie an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend – und zur Mitberatung an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk zu überweisen. Die abschließenden Beratungen und Abstimmungen sollen jeweils im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.
Ist jemand gegen diese Überweisungsempfehlungen? – Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Älter als die Sozialkassen und die Sparkassen sind die Brandkassen in unserem Land. Seit etwa 300 Jahren zahlen Private in die Provinzial ein, um ihre Lebensrisiken zu reduzieren.
Deshalb haben sich 2 Millionen Versicherte, 850 selbstständige Agenturen und 6.000 Beschäftigte außerordentlich verwundert gezeigt, als es Ende letzten Jahres die Bestrebungen gab, in einem Adhoc-Verfahren die Provinzial NordWest an die Allianz AG zu verkaufen. Wir erleben seitdem eine Diskussion, die der Finanzminister mit der Ministerpräsidentin in Gesprächen auch mit den Beteiligten der Provinzial über die Fusion beider Gesellschaften losgetreten hat.
Wir als FDP-Landtagsfraktion sagen ganz klar, man muss Gespräche führen, soll auch ruhig schauen und prüfen, ob dort Synergiepotenziale bestehen, die im Interesse der Versichertengemeinschaft, der öffentlichen Hand, der Beschäftigten, der Verbraucher und wem auch immer von Vorteil sind, aber es darf nicht das Ziel und keine Vorgabe einer Fusion um jeden Preis geben. Man muss sich im Detail sehr gründlich das anschauen, was nachher als Modell zur Abstimmung steht.
Wie es so ist, wenn in komplexen Strukturen Fusionen erfolgen: Dann geht es um Haftungsrisiken, es geht um Eigentumsfragen, es geht um die Position der Akteure, die ihre Interessen wahrnehmen wollen. Wenn es um eine Neuordnung geht, muss man schon gründlich hinschauen und fragen: Werden hier die berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft betreffend die Stabilisierung und des Versichertenvermögens gewahrt?
Es ist immer ein sehr leichter Weg, wenn man unterschiedliche Unternehmen zusammenführt und eine Due Diligence macht, dann zu schauen, wie man für Ausgleich sorgen, auf Rücklagen zurückzugreifen und Dinge neu ordnen kann. Aber es handelt sich hier historisch um das Eigentum der Versicherten. Private haben über Jahrhunderte eingezahlt und haben einen Anspruch darauf, dass mit diesem Geld der Versicherten, das nach dem Gegenseitigkeitsprinzip dort liegt und dem allgemeinen Nutzen dienen soll, auch vernünftig verfahren wird.
Das indikative Angebot der Allianz AG zeigt, dass es 1 Milliarde € Erlöspotenzial für den 40%igen Anteil der Sparkassen gibt. Die zehn Sparkassen selbst hatten vor Jahren für diese 1 Milliarde € eigene Anschaffungskosten von 330 Millionen € durch den Erwerb dieses Beteiligungsanteils von der WestLB, die ihnen in Teilen wiederum selbst gehört hat. Also, ein Teil war dort ein Geschäft mit sich selbst.
Da ist, wie ganz klar erkennbar ist, durch die Umwandlung eines jedenfalls finanziell nicht wertvollen Trägerrechts in eine zivilrechtliche Eigentumsposition ein wertvoller Teil der Provinzial dafür verschenkt worden,
dass ein öffentlicher Auftrag wahrgenommen wird, dass man sich eben hier auch einem bestimmten Geschäftsmodell verpflichtet fühlt, für das man eben auch seine Leistungen erbringt.
Deshalb sagen wir: Es darf keine Rosinenpickerei geben. Auftrag und die finanziellen Vorgänge, die es dort gegeben hat, sind zwei Seiten einer Medaille. Das ist eine Verabredung, die entsprechend zusammengehört.
Sollte es – aus welchen internen Überlegungen heraus auch immer, die ich nicht zu bewerten habe – Entscheidungen aufseiten der Sparkassen geben, dass man all das, was man für sich selbst als Geschäftsmodell für wichtig hält – Regionalität, Anstalt öffentlichen Rechts –, für die Assekuranzsparte innerhalb der S-Finanzgruppe nicht mehr für hilfreich hält, muss man – wenn dieser Auftrag also nicht mehr gewollt wird – darüber reden, wie man den Übererlös entsprechend zurückgibt.
Nur kann es nicht sein, dass man finanziell etwas außerordentlich Wertvolles bekommt und dann die Verabredung, die auch für das Geschäftsmodell dahinter steht, entsprechend infrage stellt.
Herr Finanzminister, Sie haben gestern gesagt, Sie sähen unverändert gute Chancen, dass es für alle Beteiligten zu guten Ergebnissen bei einer Fusion kommt. Ich habe da – was man in Bezug auf den Stand so mitbekommt – eher Zweifel, ob die Enden dort so zusammengebunden werden können, dass das zu allgemeiner Zufriedenheit geschieht. Sie kennen die Problematik der Eigenkapitalunterlegungspflichten nach Basel III, wenn es hier zu Neubewertungen für eine große fusionierte Gesellschaft Westfalen und Rheinprovinz kommt. Deshalb halte ich die Provinzial NRW Holding AG für nicht realistisch im Interesse der beiden Gesellschaften.
Wir werden sehen, wie der Prozess weiterläuft. Es muss aber klar sein, dass hier mit dem Versichertenvermögen vernünftig umgegangen wird, dass dieses gesichert wird und dass keine Lösungen gewählt werden, die die Existenz dieses Versichertenvermögens in der Provinzial gefährden. Das ist auch unsere Erwartung an Sie, Herr Finanzminister. Wir haben bei der Rheinprovinz einen Staatsvertrag. Da
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, Sie haben jetzt wesentlich milder gesprochen, als Sie Ihren Antrag formuliert haben. Ich will mich direkt einmal an den vier Punkten der Beschlussfassung des Antrages abarbeiten.
Punkt 1: Die FDP will, dass die Landesregierung ihr Vorgehen im Fusionierungsprozess der beiden Provinzial-Versicherungen darlegt. Es ist zwar nicht so, als wäre Ihnen das nicht bereits bei zahlreichen Gelegenheiten erläutert worden, aber sei es drum. Das Land ist nicht Eigentümer und auch nicht Gewährträger. Folglich kann die Landesregierung – das wissen Sie – überhaupt nicht als Akteur von Fusionshandlungen auftreten. Der Landtag wäre bei der Änderung der Rechtsgrundlage einer Provinzial gefragt, und zwar weil dann der Staatsvertrag mit Rheinland-Pfalz angepackt werden müsste. Sie wissen auch ganz genau, dass bislang kein Fusionskonzept vorgelegt wurde, aus dem das zum heutigen Zeitpunkt hervorgehen würde.
Punkt 2: Finanzielle Hilfen der öffentlichen Hand wollen Sie unterbunden wissen. Lassen Sie mich vorwegschicken: Von einem Plan bezüglich finanzieller Hilfen der öffentlichen Hand ist mir nichts bekannt. Was aber wollen Sie mir Ihrer Formulierung eigentlich vorbereiten? Wollen Sie in Wirklichkeit eine Provinzial-Lösung ohne öffentlich-rechtlichen Charakter? Wollen Sie insgeheim etwa nicht mehr und nicht weniger als einen Ausverkauf? Wollen Sie eigentlich die nordrhein-westfälischen Provinzialversicherungen unter dem Deckmantel von Kapitalausstattungen den Märkten öffnen? Falls ja, dann sollten Sie das auch sagen. Ich will Ihnen das nicht unterstellen.
Meine Damen und Herren, es ist aber völlig klar: Wenn eine FDP mit Formulierungen wie den vorliegenden hier auftritt, dann sollten Kunden und Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen Bereich extrem auf der Hut sein.
Das haben nicht zuletzt Ihre unsäglichen sparkassengesetzlichen Bemühungen der Vergangenheit klar gezeigt. Wenn Personalräte nordrhein
westfälischer Sparkassen die drei Buchstaben „FDP“ hören, bekommen die bis heute noch Schnappatmung.
Punkt 3: Der Landtag soll die Aufsichtsbehörden auffordern, Kapitalentnahmen zu unterbinden, die die Stabilität der Unternehmen gefährden und/oder die Sicherungsinteressen der Versicherungsnehmer schädigen. Solche Entnahmen dürfen nicht passieren, weil sie nämlich unzulässig sind. In diesem Land, Herr Witzel, gibt es Gesetze und in diesem konstruierten Fall von Kapitalentnahmen eine klar geregelte bundesaufsichtliche Kontrolle. Die BaFin ist Versicherungsaufsicht und überwacht mit der Einhaltung von Versicherungsverträgen verbundene Eigenmittelwahrungen.
Viertens: Das hatten wir eben schon einmal. Auch hier gilt: Eigentumsrechtliche Änderungen zum Nachteil der Versicherten sind unzulässig.
Lassen Sie mich noch etwas zum Stil sagen. Sie waren – das habe ich schon ausgeführt – jetzt mündlich etwas milder als schriftlich in Ihrem Antrag. Ich darf einmal daran erinnern – das habe ich eben auch wiederholt dargestellt –, dass nur die Eigentümer die rechtlichen Mittel zu Verhandlungen innehaben.
Wie war es denn, als im November 2012 bekannt wurde, dass die Eigentümer der Provinzial NordWest sich von dieser trennen und ihre Anteile der Allianz überlassen würden? Da war es doch so, dass die Ministerpräsidentin nicht gezögert hat, initiativ wurde und auf die Eigentümer zuging. In diesem Zusammenhang von Untätigkeit der Landesregierung zu sprechen, ist schlicht unverschämt. Im Zusammenhang mit den diskutierten Prozessen sollte auch von den Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen werden: Dazu lese ich in Ihrem Antrag im Übrigen nicht ein einziges Wort.
Mein gutes Recht ist es aber, Ihnen jetzt hier ins Stammbuch zu schreiben, dass Sie der Provinzial und dem Land mit Ihren wiederholten Anfragen einen Bärendienst erweisen. Sie verunsichern die Fusionsdiskutanten, und Sie gefährden auch zukünftige Marktchancen. Nicht zuletzt tun Sie den Mitarbeitern keinen Gefallen. Das ist unanständig, und darum sollten Sie das einstellen.
Vielen Dank, Herr Kollege Kämmerling. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Dr. Optendrenk.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen“, sagt ein Sprichwort. Übertragen auf das Thema „Provinzial-Versicherungen in NordrheinWestfalen“ bedeutet das: Wenn die Ministerpräsidentin verhindern will, dass Teile des öffentlichrechtlichen Versicherungswesens in unserem Land an private Versicherungsunternehmen verkauft werden, dann muss sie jetzt Verantwortung übernehmen, Herr Kämmerling.
Dann muss sie endlich aktiv werden, um die Lösung der erkennbaren Probleme in dem laufenden Verhandlungsprozess um die Fusion der beiden Provinzial-Versicherungen Rheinland und NordWest anzugehen. Auf diesen kurzen Nenner bringe ich die Erwartungen unserer Fraktion an Frau Kraft und ihre Regierung. Denn es ist richtig, was Sie eben mit einem Satz gesagt haben: Die Ministerpräsidentin ist im Dezember 2012 aktiv geworden. Das bedeutet: Wer damals aktiv geworden ist, der muss jetzt auch springen, der muss dafür sorgen, dass ein moderierter Prozess stattfindet, wenn er es damals ernst gemeint hat.
Damals war die Aufregung groß, als auf einmal die Veräußerung der Anteile der Provinzial NordWest an die Allianz im Raum stand. Wir haben es damals für richtig gehalten, dass die Landesregierung auf eine andere Lösung, nämlich innerhalb des öffentlich-rechtlichen Versicherungssektors, hingewirkt hat. Das ist auch weiterhin so.
Jeder weiß: Wenn es keinen Konsens mehr über die Aufgaben und Strukturen der öffentlichenrechtlichen Einrichtungen in unserem Land gibt, sei es bei Sparkassen, Rundfunk oder Versicherungen, dann ist das schon der Dammbruch. Genau deshalb kann es weder uns noch der Landesregierung egal sein, ob bei den laufenden Gesprächen eine gute Lösung herauskommt.
Jeder weiß auch: Diese Geschichte kommt jetzt in eine gewisse Stromschnelle. Schon in zwei Wochen findet beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe eine wichtige Sitzung statt, in der es sehr grundsätzlich um die Frage von Ja oder Nein zu einer solchen Lösung geht, Herr Minister.