Protocol of the Session on July 10, 2013

Ökonomisch betrachtet können wir nicht darüber hinwegsehen, dass die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland trotz der Zunahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung kaum gestiegen ist. Hier gibt es also eine volkswirtschaftliche

Problematik, die man nicht aus den Augen verlieren darf.

Ich sage Ihnen: Prekäre Beschäftigung ist kein Mittel, um gute Arbeit herbeizuführen. Dies sollte die Richtschnur für uns alle sein.

Über den Bericht des Bundesrechnungshofs, der auch von der Innenrevision der Bundesagentur weitgehend bestätigt worden ist, wurde zwischenzeitlich noch einmal etwas bekannt, was für die Insider als Geschäftsmodell der BA seit Langem offenkundig ist: Die BA favorisiert in ihrer Geschäftspolitik die Vermittlung von leicht Vermittelbaren, um auch statistisch vieles vorweisen zu können.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir brauchen nicht mehr Statistiken, sondern mehr Arbeitsplätze und die Eingliederung von Arbeitslosen in diese Arbeitsplätze. Ganz Beschäftigtengruppen wie Menschen mit Behinderungen und Ältere sind von den positiven Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht oder nur ganz selten und ganz wenig berührt. Auch dies sollte uns zu denken geben.

Natürlich möchte die BA im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die mit dem Begriff der sogenannten Instrumentenreform umschrieben worden ist, weiter Gelder einsparen. Ich erinnere daran: Von 2012 bis 2015 geht es hier um etwa 7 Milliarden €. Dieses Geld geht uns verloren, obwohl wir einen sozialen Arbeitsmarkt – er ist eben schon angesprochen worden – dringend benötigen, um Beschäftigung für die zu mobilisieren, die aufgrund mancher Handicaps, auch aufgrund einer nicht hochentwickelten Qualifikation, kaum eine Chance haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzukommen.

Ich denke, das Prinzip des Forderns und Förderns ist richtig. Es muss aber wieder mehr gefördert werden, um den Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen. Ich glaube, wir müssen alle daran arbeiten, dass es zu neuen Strukturen auf dem Arbeitsmarkt kommt. Der Arbeitsmarkt muss wieder in Ordnung gebracht werden. Dazu lade ich alle ein.

Natürlich bedanken wir uns auch bei den Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit, auch in Nordrhein-Westfalen. Hier wird gute Arbeit geleistet. Ich sage Ihnen: Das Problem liegt nicht in erster Linie in Nürnberg, sondern das Problem liegt in Berlin.

(Beifall von der SPD)

Dort ist die Regierung tätig, die die Fachaufsicht über die BA hat. Die BA ist keine Organisation, die selbständig agieren kann; sie hängt auch finanziell am Tropf der Bundesregierung. Hier werden die Vorgaben gemacht, die dann in den einzelnen Einrichtungen umgesetzt werden.

(Zuruf von der CDU: Sie haben die Fachauf- sicht!)

Dies müssen wir dringend ändern. Dabei – da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Kern und Herr Alda – spielt der 22. September dieses Jahres eine sehr wichtige Rolle. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Ich teile dem Hohen Hause mit, dass die Landesregierung die Redezeit um knapp zwei Minuten überzogen hat. Gibt es noch Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben eine direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen damit über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/3427 – Neudruck – ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das sind die Fraktionen der Piraten, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer lehnt den Antrag ab? – Die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Eine Enthaltung in der Piratenfraktion. Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten angenommen.

Wir stimmen dann ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/3528. Wer kann dem Entschließungsantrag folgen? – Das ist die Fraktion der CDU. Wer lehnt den Antrag ab? – Die Piraten, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die FDP-Fraktion enthält sich. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.

Wir sind am Ende dieses Tagesordnungspunktes und kommen zu:

5 Profilbildung des Realschulbildungsgangs

stärken – Fach „Wirtschaft“ als verbindliches Schulfach einführen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3448

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellende Fraktion spricht Frau Kollegin Gebauer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schule muss ihren Beitrag zur Vermittlung von Wirtschaftskompetenz leisten. In diesem Zusammenhang fordert die FDP die verbindliche Einführung eines Faches Wirtschaft an Realschulen und im Realschulbildungsgang an Sekundarschulen. Nach drei Jahren wollen wir prüfen, inwieweit eine Übertragung eines solchen eigenständigen Schulfaches auf andere Schulformen sinnvoll ist.

Was ist die Ausgangslage für diesen Antrag? Das möchte ich Ihnen anhand von drei Punkten erklären. Auf den Modellversuch des Faches Wirtschaft, der mittlerweile seit drei Jahren an 70 Realschulen in Nordrhein-Westfalen läuft, gab und gibt es enorm positive Rückmeldungen seitens der Beteiligten: seitens der Lehrer, der Eltern, aber auch seitens der Schüler. Diesen Rückenwind wollen wir für eine feste Etablierung dieses Schulfachs an den Realschulen nutzen.

Wenn wir nahtlos an den besagten Modellversuch anknüpfen wollen, heißt das, heute zu handeln. Denn nächstes Jahr läuft dieser Modellversuch aus. Es gilt, das kommende Schuljahr zu nutzen, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen wie zum Beispiel Zielvereinbarungen mit den Universitäten für eine entsprechende Lehrerausbildung.

Zu guter Letzt: In den vergangenen Monaten haben Wissenschaft und Wirtschaft unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass im Bereich der ökonomischen Bildung an unseren Schulen dringend etwas passieren muss.

(Beifall von der FDP und Petra Vogt [CDU])

Renommierte Sozialwissenschaftler wie zum Beispiel Prof. Klaus Hurrelmann sprechen gar von einem – ich darf zitieren – finanziellen Analphabetentum unserer Jugend. Namhafte Professoren der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung und Mitglieder im Beirat zur Begleitung dieses Modellversuchs sprechen sich ebenfalls uneingeschränkt für die dauerhafte Verankerung eines eigenständigen Faches Wirtschaft an Realschulen aus. Auch unternehmer.nrw sowie direkt Betroffene wie der Lehrerverband der Realschulen in NRW unterstützen diese Forderung ausdrücklich.

Meine Damen und Herren, wirtschaftliches Verständnis ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Zu diesem wirtschaftlichen Verständnis gehört, jungen Menschen im Rahmen der Verbraucherbildung notwendige Kenntnisse zu

vermitteln wie zum Beispiel das Führen eines Kontos oder das Abschließen von Verträgen. Das allein reicht aber bei Weitem nicht aus.

Unter „wirtschaftlichem Verständnis“ ist zwingend auch zu verstehen, dass Jugendliche in die Lage versetzt werden müssen, systemische Zusammenhänge zu erkennen, sie zu verstehen und sie auf andere Sachthemen zu übertragen. Beide Aspekte zusammen, systemisches Verständnis von Wirtschaft und Verbraucherbildung, schaffen notwendige ökonomische Kompetenzen zum Führen eines selbstbestimmten Lebens.

(Beifall von der FDP)

Diese Vielzahl von wichtigen theoretischen und praktischen Bausteinen kann nur ausreichend im Rahmen eines eigenständigen Faches Wirtschaft

von entsprechenden Fachlehrern auf Dauer vermittelt werden.

Ich danke Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Als nächste Rednerin spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin SpanierOppermann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ich möchte gern auf Ihren Antrag stellvertretend für die SPD-Fraktion antworten.

Sie sprechen ein wichtiges Thema an, jedoch zum falschen Zeitpunkt. Gerade wurde der Modellversuch um ein weiteres Jahr verlängert, und heute liegt uns Ihr Antrag vor. Was ist die Erwartungshaltung von Ihrer Seite? Soll das Ministerium den Modellversuch abbrechen und ohne eine abschließende Evaluation Entscheidungen treffen, die Schule, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler nachhaltig betreffen? Das scheint mir nicht der richtige Weg zu sein.

Durch den Modellversuch sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob die ökonomischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler durch ein eigenständiges Fach Wirtschaft verbessert werden können. Den Jugendlichen müssen Wege aufgezeigt werden, wie sie die wechselseitigen Bezüge zwischen den Disziplinen Politik, Geschichte, Recht, Sozialwissenschaft und Wirtschaft effektiver verstehen lernen.

Gerade im Hinblick auf die finanzwirtschaftlichen Krisenereignisse der vergangenen Jahre ist es immens wichtig zu beachten, dass Wirtschaft ein gesamtgesellschaftlicher Teilaspekt ist und dass dieser Bereich nicht von anderen wichtigen Bereichen abgekoppelt werden darf. Weiterhin ist es gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und damit nicht nur Aufgabe der Eltern und der Schule –, Jugendliche an Finanz- und Wirtschaftskompetenzen heranzuführen. Das ist wohl auch herrschende Meinung.

Es gilt bei diesem Modellversuch, eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen. In vielen Gesprächen auch mit den Verbänden wurde deutlich, dass es durchaus noch erhebliche Unterschiede in einer endgültigen Bewertung des Modellversuchs gibt. Unter anderem geht es darum, ob die Stärkung der ökonomischen Kompetenzen durch ein Pflicht-, ein Wahlpflichtfacht oder durch ein integriertes Fach erfolgen soll. Daher war die Verlängerung der Laufzeit die richtige Entscheidung.

An dieser Stelle hebe ich das große Engagement und die hoch einzuschätzende Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer der beteiligten Schulen hervor. Auch der Aspekt der Profilbildung der Realschulen wird zum Ende des Modellversuchs zu erörtern sein. Demnach wird dies keineswegs, wie im Antrag unterstellt, seitens der Politik und des Schulministeriums ignoriert. In Zusammenarbeit der Beteiligten und des eingerichteten Beirats werden abschließend die Erfahrungen ausgewertet.

Ziel unserer Schulpolitik ist es, langfristig die ökonomischen Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler an allen Schulformen zu stärken, und zwar im Rahmen einer verantwortungsvollen Verbraucherbildung im Unterricht aller Schulformen unter Berücksichtigung der, wie ich eben schon sagte, gesamtgesellschaftlichen Aspekte.

Im Interesse der Schulen, der Lehrerinnen und Lehrer, aber besonders unserer Schülerinnen und Schüler sollten wir von voreiligen Anträgen wie dem vorliegenden absehen und uns doch darauf konzentrieren, die verbleibende Zeit zu nutzen, Erkenntnisse zu sammeln und daraus dann hoffentlich gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine kleinen Volkswirte oder Betriebswirte, wir brauchen junge Menschen, die Wirtschafts- und Finanzkompetenzen erlernen und in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext einordnen können. Auch das ist eine Form der Prävention, der präventiven Politik. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Vogt.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir, als ich das Thema dieses Antrages erstmalig gesehen habe, überlegt, ob ich am heutigen Tage anstelle einer Rede eine kurze Einführung in das Fach Wirtschaft gebe. Bei Grundlagen der Volkswirtschaftslehre und Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre würde das vielleicht allgemein noch Freude hervorrufen. Bei einer Einführung in das Rechnungswesen, sagt meine Erfahrung, könnte es schon schwieriger werden. Und wir wollen ja am heutigen Tag diesen Antrag vonseiten der CDU-Fraktion positiv begleiten. Also lasse ich es dabei bewenden und mache keine Einführung in das Fach, sondern beschränke mich auf andere Dinge, die ganz wichtig sind, um entscheiden zu können, ob wir ein solches Fach in der Schule wollen oder nicht.

Aufgabe der Wirtschaft ist es, eine Brücke zu schlagen zwischen unbegrenzten Bedürfnissen und den knappen Gütern, die zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen. Wirtschaften als Tätigkeit ist folg

lich die Bereitstellung und Verwendung knapper Güter mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Die Menschen sind dabei gezwungen zu haushalten, das heißt, sie müssen stets von neuem entscheiden, welche Bedürfnisse den Vorrang haben sollen. Diese kurze Definition zeigt, wie vielfältig das Fach Wirtschaft ist und wie vielfältig die Entscheidungen sind, die jeder Mensch in seinem Leben tagtäglich treffen muss.

Dazu ist es aus Sicht der CDU-Fraktion unerlässlich, ein wirtschaftliches Grundwissen zu haben; denn nur wenn ich über Rahmenbedingungen, über Grundkenntnisse verfüge, kann ich diese Entscheidungen auch verantwortungsvoll treffen. Wenn man diese Grundlagen nicht hat, gerät man gerade als junger Mensch häufig in Fallen. Die Vergangenheit hat deutlich gezeigt, wie problematisch das werden kann.