Protocol of the Session on June 19, 2013

Für das Parlament ist es daher von großem Interesse, im Einzelnen zumindest für jede der aktuell noch gelisteten Tochtergesellschaften zu erfahren, welche konkreten geschäftlichen Ziele diese verfolgt (hat) und wie sich jeweils einzeln bei diesen Beteiligungen die Anzahl der am Offshore-Standort selbst eingesetzten eigenen Beschäftigten sowie die Umsatzvolumina zumindest in den letzten drei Jahren 2010, 2011 und 2012 jeweils entwickelt haben.

Wie haben sich in den letzten drei Jahren Beschäftigtenzahl, Umsatzvolumina und der Geschäftszweck bei den aktuell noch gelisteten Beteiligungen in Offshore-Destinationen jeweils entwickelt?

Ich bitte für die Landesregierung Herrn Minister Schneider in Vertretung für Herrn Minister

Dr. Walter-Borjans um Beantwortung.

(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Ich bin da!)

Der Minister ist selbst da, wie ich gerade sehe. Umso besser. Alle Kolleginnen und Kollegen, die gerade den Plenarsaal verlassen, bitte ich, das möglichst geräuschlos zu tun, damit wir jetzt Herrn Minister Walter-Borjans zuhören können. – Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Herr Witzel! Meine Damen und Herren! Ich hatte Herrn Witzel schon davon in Kenntnis gesetzt, dass ich den Termin bei der Finanzministerkonferenz in Brüssel abgesagt habe, weil ich hier am Plenum teilnehmen will und deswegen selbst für diese Fragen zur Verfügung stehe.

Herr Witzel, wir haben Ihnen bereits eine schriftliche Antwort auf eine Kleine Anfrage zukommen lassen. Ich glaube, darin sind schon viele der Fragen, die Sie gestellt haben, beantwortet. Ich will jetzt noch einmal auf die Frage, die Sie gestellt haben, eingehen.

Zu den Gesellschaften Portigon Finance Curaçao N. V., WestLB do Brasil Cayman Limited, Harrier Capital Management Bermuda Limited und WestCommodities Limited hat die Landesregierung die folgenden Informationen:

Die Portigon Finance Curaçao N. V. ist im Jahr 1988 als WestLB Finance Curaçao N. V. gegründet worden. Sie diente der Kapitalbeschaffung für den WestLB-Konzern. An der Tatsache, dass sich bei dieser Gesellschaft mit der Auflösung der WestLB, in der Folge auch der Name geändert hat, mögen Sie erkennen, dass diese Gesellschaft noch existiert. Warum, das werde ich Ihnen im Einzelnen noch begründen.

Bis 2001 wurden zahlreiche Anleihen durch die Gesellschaft begeben – damals die WestLB Finance Curaçao –, und diese Anleihen laufen teilweise bis 2041. Aus den Anleiheemissionen resultieren Mittel, die an die WestLB weitergeleitet wurden. Nach 2001 hat diese Gesellschaft keine Anleihen mehr begeben. Das heißt, schon seit 2001, seit zwölf Jahren, dient diese Gesellschaft nur noch dem Auslaufen der Anleihen, die damals bis zu diesem Zeitpunkt 2001 aufgenommen worden sind. Das sind heute noch 23 Anleihen mit einem Gesamtvolumen von umgerechnet 1,1 Milliarden €, und mit einer Laufzeit der letzten Anleihe bis 2041.

Es ist nicht geplant, die Portigon Finance Curaçao N. V. künftig zu Refinanzierungszwecken zu verwenden. Sie wird also nicht irgendwie wieder aktiviert, aber sie wird auch nicht kurzfristig abgewickelt, weil sie als Emittentin der Anleihen nach wie vor existent bleiben muss.

Die Gesellschaft hat keine Beschäftigten, sondern sie wird durch einen Dienstleister betreut. Ihr Jahresüberschuss belief sich 2010 auf 489.000 €, 2011 auf 515.000 €. Zahlen für 2012 liegen mir noch nicht vor. Die Gesellschaft verwaltet lediglich den sukzessiven

Abbau der Anleihen. Das hat sie übrigens auch schon zwischen 2005 und 2010 getan. Auch damals hat es keine Aktivitäten der damaligen Landesregierung gegeben, an diesem Verfahren und diesem Auslaufen etwas zu ändern oder etwas anders zu machen, als wir das anschließend nach 2010 so weiterverfolgt haben.

Die wesentlichen Geschäftsaktivitäten der WestLB do Brasil Cayman Limited, also der nächsten dieser Gesellschaften, umfassten Handelsfinanzierungen für brasilianische Unternehmen sowie Derivatetransaktionen mit Geschäftspartnern im Zusammenhang mit Handels- und Projektfinanzierungen. Bei der Firma handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Banco WestLB do Brasil S.A.

Hintergrund für die Geschäftskonstruktion ist, dass in Brasilien gesetzliche Restriktionen für die Vergabe von Fremdwährungsdarlehen bestehen. Kunden der Banco WestLB do Brasil S.A., die Güter auf dem Weltmarkt in anderer Währung als in brasilianischen Real kreditfinanziert erwerben wollen, können mit Hilfe der WestLB do Brasil Cayman Limited in vollem Umfang aus einer Hand bedient werden. Die WestLB do Brasil Cayman Limited hat keine Beschäftigten; sie wird von der Banco WestLB do Brasil S.A. betreut. Ihr Jahresüberschuss belief sich 2010 auf 3,8 Millionen US-Dollar, 2011 auf

7,1 Millionen US-Dollar, 2012 auf 5,4 Millionen USDollar.

Die WestLB do Brasil Cayman Limited gehört zwar formal noch zum Portigon-Konzern, Sie sehen jedoch, dass diese Gesellschaft nicht umbenannt worden ist in Portigon, weil sie als WestLB-Teil bereits verkauft ist, jedenfalls was das Signing angeht. Sie befindet sich zusammen mit ihrer Muttergesellschaft Banco WestLB do Brasil seit über einem Jahr im Verkauf. Käufer ist die Mizuho Corporate Bank.

Der Abschluss der Verkaufstransaktion, das sogenannte Signing, steht unter dem Vorbehalt der Genehmigung der brasilianischen Zentralbank. Die Vertragsunterzeichnung hat also stattgefunden. Das Closing, die Übergabe, praktisch noch nicht, weil es die Genehmigung der brasilianischen Zentralbank bisher noch nicht dazu gegeben hat. Die Führung des Unternehmens der WestLB do Brasil unterliegt bis zum Closing engen Vorgaben. Das ist normal. Die Bank ist praktisch seit eineinhalb Jahren verkauft. An ihr ändert sich nichts mehr. Es geht jetzt darum, abzuwarten, dass die letzte Genehmigung der brasilianischen Zentralbank kommt, um dann das, was damals verabredet und unterzeichnet worden ist, auch umzusetzen. Man kann also sagen: Sie ist verkauft, aber noch nicht abgeholt.

Die bis zum Closing erwirtschaften Erträge erhöhen den Kaufpreis. Dieser Kaufpreis wird an die erste Abwicklungsanstalt abgeführt. In der Zeit der heutigen Landesregierung ist die WestLB vom Markt genommen – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – und die brasilianische Tochter verkauft wor

den. Das Tochterunternehmen ist – ich habe es eben schon gesagt – quasi verkauft, aber noch nicht abgeholt. In der Zeit der schwarz-gelben Landesregierung gab es die WestLB noch, und die Tochter war nicht verkauft. Fragen der FDP oder gar gegensteuernde Aktivitäten hat es zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben.

Die Harrier Capital Management Bermuda Limited wurde 2004 im Rahmen einer größeren Portfoliotransaktion mit erworben. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon in Bermuda ansässig. Sie hält bestimmte Rechte im Zusammenhang mit Softwareapplikationen zur Bewertung strukturierter Wertpapierportfolios. Sie hat in den Jahren 2010, 2011 und 2012 keine Erträge generiert, und sie befindet sich in der Abwicklung. Die Gesellschaft verfügt auch über keine Beschäftigten.

Die nächste Gesellschaft ist die WestCommodities Limited. Sie wurde 2001 gegründet, um als weiterer Vertragspartner bei besonderen Handelsfinanzierungen fungieren zu können, falls der ursprüngliche Abnehmer von der durch die WestLB vorfinanzierten Waren ausfallen würde. In der Vergangenheit ist der Fall nie eingetreten. Da die WestCommodities Limited in den letzten Jahren nicht aktiv eingeschaltet werden musste, hat sie in den Jahren 2010, 2011 und 2012 auch keine Umsätze generiert. Aktuell ist die Gesellschaft bei drei laufenden Handelsfinanzierungen als potenzieller Vertragspartner eingebunden. Mit Rücksicht auf die Laufzeit der Handelsfinanzierungen kann diese Gesellschaft bis Ende 2014 beendet werden. Die WestCommodities Limited verfügt über keine eigenen Beschäftigten, sondern wird von Trustees geführt.

Statt der erbetenen Umsatzvolumina beim Bankgeschäft habe ich, soweit vorhanden, Ertragszahlen angegeben, weil Umsatzzahlen banktechnisch keine typische Kennzahl sind und dazu auch keine relevanten Informationen bringen. In den anderen Bereichen des Handelsumsatzes und Ähnlichem konnte ich das ja tun.

Das ist die Antwort, die ich zu dieser Frage zuerst einmal geben möchte.

Vielen Dank, Herr Minister für die Beantwortung dieser Frage. – Es hat sich nun Herr Abgeordneter Witzel zu einer Frage gemeldet.

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage geben. Vielen Dank auch, Herr Minister Dr. Walter-Borjans, für Ihren einleitenden Vortrag.

Ich habe eine Nachfrage zu dem, was Sie zu Harrier gesagt haben. Sie haben dargestellt, die Harrier Capital Management Bermuda hält bestimmte Lizenzrechte für Bank- und Softwareprodukte. Marktkreise behaupten, dass es sich hierbei im Wesentli

chen wohl um in Deutschland von der WestLB und dritten externen Dienstleistern entwickelte Produkte handelt. Diese seien zum Zwecke der Gewinnreduktion in der WestLB-Bilanz zu fragwürdig niedrigen innerbetrieblichen Verrechnungspreisen, also unter Marktpreis, erst in die Karibik übertragen worden, damit von dort aus dann, wo es ja keine oder kaum Steuern gibt, jährliche Lizenzgebühren gegenüber Deutschland in Rechnung gestellt werden können. Das ist etwas, was also in Deutschland entwickelt und dorthin übertragen wurde, um so ganz aktiv als Steuersparmodell zu wirken. Das hört man am Markt. Deshalb möchte ich Sie fragen, welche Finanzströme in Richtung WestLB-Konzern mit Sitz in Düsseldorf im Zusammenhang mit Harrier Capital Management Bermuda in dieser Art bekannt sind.

Herr Minister, bitte schön.

Die sind mir nicht bekannt. Ich habe auch in der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage gesagt, dass ich keine Hinweise auf eine Beteiligung der WestLB an solcherlei Geschäften habe. Ich lege aber noch einmal Wert darauf, weil es zum Teil auch heute anders zu lesen war, dass ich nicht gesagt habe, dass ich das völlig ausschließe.

Ich habe schon an dieser oder an anderer Stelle immer gesagt: Ich glaube nicht, dass sich die WestLB als Großbank wesentlich anders als andere Großbanken verhalten hat. Ich arbeite sehr daraufhin, dass wir insgesamt – egal, ob es sich um Banken im öffentlichen Eigentum oder im privaten Eigentum handelt – Grenzen setzen, damit solche Vermeidungsstrategien nicht möglich sind.

Inwiefern sie damals möglich waren oder genutzt worden sind, ist mir nicht bekannt. Auch sind mir auf Nachfrage zu den Fragen, die Sie hier insgesamt gestellt haben, keine Informationen gegeben worden, die das erhärten könnten.

Meine Haltung zu solcherlei Geschäften ändert sich nicht, egal, ob es sich um die WestLB in der Vergangenheit oder um andere Banken in der Gegenwart handelt. Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass die WestLB nicht mehr existiert, dass Harrier abgewickelt wird und dass wir Harrier zumindest in Teilen in dieser Konstruktion sicherlich auch als ein Problemkind im Bereich von Phoenix haben. Insofern bereitet das sicherlich keine Freude, aber das ist ja auch nicht neu. Das ist ja nicht etwas, was in der jüngeren Vergangenheit aufgetaucht wäre, sondern es ist früher mit erworben, aber offenbar nie thematisiert worden. Jetzt haben wir eine Zeit, in der wir es abwickeln. Dass es abgewickelt wird, betrübt mich nicht besonders. Dass der hin und wieder geäußerte Verdacht, dahinter stünden solche Kon

struktionen, begründet sein soll, kann ich nicht bestätigen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine Frage von Herrn Abgeordneten Alda von der FDP-Fraktion.

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, bekannt sind die förmlichen OffshoreBeteiligungen, die die WestLB oder eben auch die Portigon AG offiziell bilanzieren. Fraglich ist dabei, ob es weitere formal selbstständige Gesellschaften, Finanzplattformen oder gar -vehikel mit Bezug zur WestLB gibt, die in keinem Geschäftsbericht des Konzerns auftauchen.

Dazu die Frage: Welche weiteren OffshoreAktivitäten mit Bezug zur WestLB gibt es, die keinen Eingang in den Geschäftsbericht oder die Finanzberichterstattung gefunden haben? – Danke.

Herr Minister, bitte schön.

Ich kann Ihnen nur berichten über das, was ich entweder schon wusste oder aber in den letzten Jahren dann, wenn Fragen dieser Art aufkamen, von der WestLB mitgeteilt bekommen habe. Ich habe diese Fragen natürlich an die WestLB gestellt. Mir sind keine Konstruktionen bekannt über die hinaus, die ich genannt habe, die im Verborgenen blühen und dort ähnliche Geschäfte weiterbetreiben würden. Wenn Sie mir bekannt wären oder bekannt würden – da kann ich nur noch einmal auf die Haltung verweisen, die ich eben beschrieben habe –, würde ich sie nicht als akzeptables Bankgeschäft betrachten.

Ich erinnere aber noch einmal daran, dass es die WestLB nicht mehr gibt und dass das, was die Portigon als Bankgeschäft betreibt, lediglich ein Auslaufen dessen ist, was sich nicht von heute auf morgen beenden lässt, aber kein Neugeschäft, schon gar kein Neugeschäft in diesen Bereichen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächste hat sich Kollegin Schmitz von der FDP-Fraktion gemeldet.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, WestLB und Portigon haben in ihren Geschäftsberichten Offshore-Beteiligungen bilanziert. Unklar ist mir, ob auch früheres Offshore-Geschäft an die EAA übertragen worden ist. Gibt es Positionen mit Bezug zu Offshore-Geschäften in dem von der Bad Bank EAA verwalteten Bestand?

Bitte schön, Herr Minister.

Ich kann das nicht ausschließen. Ich habe ja eben schon gesagt, dass jedenfalls Harrier ein Bestandteil auch des Phoenix-Portfolios ist, das schon bestand, als die Erste Abwicklungsanstalt gegründet worden ist. Dieser Teil gehörte ja zu dem Gesamtkomplex der 23 Milliarden Bilanzsumme, der damals als absolut toxisch bezeichnet worden ist und von dem man geglaubt hat, dass er jedenfalls zu hohen Verlusten führen würde. Es hat sich in der Abwicklung ja gezeigt, dass sich auch im Bereich der toxischen Papiere die Welt zum Teil doch etwas anders dargestellt hat.

Was die Inhalte der einzelnen übertragenen Papiere waren, kann ich nicht sagen. Ich schließe aber nicht aus, dass sich Teile dieses Geschäfts in der Abwicklung befinden – ich habe ja eben auch gesagt, dass es andere Teile dieser Gesellschaften gibt, die ich aufgezeigt habe, die sich in der Abwicklung befinden – und dass das auch über die Erste Abwicklungsanstalt läuft.

Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich der Kollege Nückel von der FDP-Fraktion gemeldet. – Moment, jetzt haben Sie sich gerade weggedrückt. – Sie müssen sich noch einmal eindrücken, sonst kann ich Ihnen das Wort nicht geben.

Ich habe noch dermaßen viele Wortmeldungen, dass wahrscheinlich die Leiste hier voll ist. Haben Sie ein Problem damit, wenn ich Ihrem Fraktionskollegen Wedel zunächst das Wort gebe und Sie sich gleich noch einmal eindrücken?

(Thomas Nückel [FDP]: Nein!)

Bitte schön, Herr Kollege Wedel.

Vielen Dank. – Herr Minister, typisch für die Finanzplattform in der Karibik ist die Zusammenarbeit von Banken mit sogenannten Special Investment Vehicles, die teilweise hochriskante Finanzprodukte handeln oder große Geldvolumina, beispielsweise für das Geschäftsmodell Fristentransformation, bewegen. Mit namentlich welchen Vehikeln haben die WestLB und ihre Tochtergesellschaften in Offshore-Destinationen zusammengearbeitet bzw. diese selbst gegründet?