Protocol of the Session on May 15, 2013

Oder erklären Sie einmal jemandem mit jüdischem oder muslimischem Glauben, dass zur Herstellung des Brotes Schweineborsten verwendet werden! Darauf muss man überhaupt erst einmal kommen. Als integrationspolitische Sprecherin meiner Fraktion sehe ich in diesem Umstand nicht gerade eine praktizierte Rücksichtnahme.

Das deutsche Lebensmittelrecht enthält bisher weder eine verpflichtende Regelung für die ausdrückliche Kennzeichnung des tierischen Ursprungs von Zutaten, Zusatzstoffen, Aromen oder Bestandteilen von Aromen und technischen Hilfsstoffen in Lebensmitteln noch eine Definition der Begriffe „vegetarisch“ und „vegan“. Das macht es einer Vielzahl von Verbrauchern nahezu unmöglich, sich gemäß ihrer Überzeugung oder religiösen Zugehörigkeit zu ernähren. Ob als Trägerstoffe, als Vitamine, als Ausgangsstoff für Aromen oder als technische Hilfsstoffe während der Herstellung: Ohne jede Kennzeichnung werden viele Lebensmittel mithilfe von Zutaten oder Zusätzen tierischen Ursprungs hergestellt. Selbst wenn Lebensmittelhersteller freiwillig Produkte als vegetarisch oder vegan ausloben, besteht kein ausreichender Schutz vor Täuschung; denn diese Begriffe sind juristisch nicht definiert.

Der Definition von „vegetarisch“ und „vegan“ stehen keine rechtlichen Gründe entgegen. Das ist auch nach europäischem Primärrecht zulässig. Solange und soweit keine europarechtliche Regelung besteht, liegt die Kompetenz bei den Mitgliedstaaten. Der freie Warenverkehr wird dadurch nicht beeinträchtigt. Es geht bei dieser Änderung der Verordnung nur um eine rechtliche Definition, vergleichbar mit dem Bio-Siegel. Im Gegensatz zum unzulässigen CMA-Gütesiegel erfolgt hier kein Eingriff in den Warenverkehr durch die Absatzförderung inländischer Produkte. Eine vergleichbare Regelung der Food Standards Agency in Großbritannien wurde bislang auch nicht beanstandet. Wir können also loslegen.

Mein grundsätzlicher Ansatz im Verbraucherschutz war und ist immer: Nur der informierte Bürger kann die für sich richtigen Entscheidungen treffen.

(Beifall von den PIRATEN)

Daher ist es nur konsequent, jetzt diese Bundesratsinitiative zu fordern.

Insgesamt haben bis gestern bereits mehr als 66.000 Verbraucher per von foodwatch und vom Vegetarierbund Deutschland durchgeführter Unterschriftenaktion von Ministerin Aigner eine Gesetzesänderung gefordert, doch bis heute keine Antwort erhalten.

Das ist ein Gesetzentwurf von einer NGO. Darum kümmert sich natürlich keiner. Deshalb nehmen wir diese Forderung hier und heute auch gerne auf. Warum soll man das Rad neu erfinden, wenn ein juristisch geprüfter Antrag fertig vorliegt?

Meine Damen und Herren, in Berlin wird in Sachen Verbraucherschutz immer viel angekündigt. Die Zehn-Punkte-Pläne gelten schon fast als Synonym für Tatenlosigkeit.

Häufig wird darauf verwiesen – vielleicht wird das gleich auch geschehen –, auf europäischer Ebene sei es schon in Planung oder in Mache. Ich erinnere hier nur an die Greening-Quote. Sie war von Europa auf 7 % festgelegt worden. Bei Frau Aigner sind es schließlich noch 3 % geworden. Wir müssen also schon selber mit einer Bundesratsinitiative aktiv werden.

Lassen Sie uns mit diesem Antrag einen Vorstoß machen, um wenigstens bei diesem Aspekt der Lebensmittelkennzeichnung für mehr Transparenz zu sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke schön, Frau Brand. – Bleiben Sie bitte noch einen Moment hier vorne bei uns; denn zu Ihrer Rede ist von der FDPFraktion eine Kurzintervention angemeldet worden. Kollege Höne möchte 90 Sekunden lang sagen, was er jetzt meint.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Brand, in Ihren Ausführungen zu „Ihrem“ Antrag – „Ihrem“ müssen wir an dieser Stelle in Anführungszeichen setzen – haben Sie dann ja doch noch verraten, dass die Gedanken ursprünglich gar nicht von Ihnen kommen, sondern eigentlich von einer NGO, wie Sie es genannt haben, also von einer Lobbyorganisation, nämlich von foodwatch, stammen.

Ich finde, es ist schon erklärungsbedürftig, wenn Sie, die Sie den Transparenzanspruch wie eine

Monstranz vor sich hertragen, hier einen solchen Entwurf 1:1 übernehmen.

(Christof Rasche [FDP]: 1:1! – Gegenrufe von den PIRATEN)

„1:1“ war ja heute auch das Motto der Piraten beim Thema „Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst“. Das hat man dann einfach hierauf übertragen. Das ging ja dann sogar so weit, liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, dass Sie die Begründung von foodwatch, also etwas Subjektives, als objektiv in der Sachverhaltsdarstellung dieser Drucksachennummer einfach so übernommen haben.

Sie scheitern an dieser Stelle an Ihren sich selbst auferlegten Transparenzhürden, wenn Sie der Meinung sind, man könnte hier einfach etwas 1:1 übernehmen und in der Rede kurz andeuten, wo es eigentlich herkommt. Ich finde, solche 1:1

Übernahmen werden diesem Hause nicht gerecht. Ich bin der Meinung, dass an dieser Stelle auch ein bisschen mehr eigener geistiger Input ganz gut gewesen wäre.

(Beifall von der FDP)

Frau Kollegin Brand, Sie haben jetzt 90 Sekunden Zeit für Ihre Antwort.

Vielen Dank. – Ich habe mich dazu deutlich geäußert. Ich habe auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass dieser Antrag von foodwatch ist. Man hätte natürlich irgendwie den Inhalt nehmen können und das Ganze noch einmal neu schreiben können.

Aber was ich bereits ausgeführt habe: Wir haben hier einen fertigen Antrag, der dort versauert wäre, weil sich da keiner um einen NGO-Antrag kümmert. Wir hatten von verschiedenen Juristen eine Prüfung dieses Antrags, der als gut befunden wurde. Er wurde Richtung EU und aller vorhandenen Vorschriften abgeklopft.

Transparenz ist, dass ich gesagt habe, er ist von foodwatch. Ich verstehe nicht ganz, warum Sie meinen, dass etwas Gutes, was bereits vorliegt, nicht einfach verwendet werden kann. Das kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von den PIRATEN: Weil die FDP mit Kopieren ein Problem hat! – Weitere Zurufe von Christian Lindner [FDP] und Christof Rasche [FDP])

Herzlichen Dank, Frau Brand. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Blask.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Lebensmittelkennzeichnung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher eine wichtige und notwendige Information. Befindet sich zum Beispiel in einem Produkt Alkohol, möchte ich das gerne wissen. Oder: In welchen Anteilen enthält es Fett oder Zucker? Das erleben wir alle bei unserem täglichen Einkauf.

Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, haben einen erhöhten Bedarf an Informationen. Dies ist in der Fachwelt unumstritten. Aber auch eine Definition zu finden, was wir eigentlich unter vegan verstehen oder was eigentlich vegetarisch ist, ist nur logisch, konsequent und nachvollziehbar.

Wie ist die Situation im Moment? Es gibt ein sogenanntes Label. Das ist ein grünes V auf gelbem Grund. Dieses V soll Vegetariern die Lebensmittelauswahl europaweit erleichtern. Es steht für Erzeugnisse, deren Herstellung ohne Rohstoffe aus Tierkörpern erfolgt, insbesondere ohne Fleisch, Gelatine, Knochen und Schlachtfette. Dieses Label wird auf Antrag und nach vorheriger Prüfung in Deutschland über den Vegetarierbund Deutschland e. V. vergeben. Es gibt heute auch schon viele Hersteller, die einen Hinweis geben: kann Spuren von Zutaten tierischen Ursprungs enthalten.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Piratenfraktion begründet in seinen Forderungen aber auch verschiedene Anforderungen an Religionsgemeinschaften. Für diese hätte aber eine Gesetzesänderung unserer Ansicht nach keine Bedeutung, da für einen problemlosen Verzehr nicht nur die Angaben der verwendeten Zutaten relevant sind. Also ob ein Lebensmittel halal für die gläubigen Muslime ist oder koscher für die Juden, kann vielmehr nur eine religiöse Autorität bestimmen. Das kann der Staat nicht definieren oder bestätigen.

Es stellt sich nun die Frage, ob eine Ergänzung der nationalen lebensmittelrechtlichen Kennzeich

nungsvorschriften, so wie es im vorliegenden Antrag gefordert ist, möglich ist oder nicht. Bereits die derzeit gültige Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung enthält umfangreiche Regelungen zur Kennzeichnung fertig verpackter Lebensmittel. Diese wird durch die Verordnung 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates ab dem 13. Dezember 2014 abgelöst. Wir bekommen also eine europäische Lösung.

Die SPD hatte sich auch eine andere europäische Verordnung vorgestellt und gewünscht. Denn so Punkte wie zum Beispiel die Ernährungsampel für Zucker und Fette hätte man hier dringend in dieser europäischen Lösung noch umsetzen müssen. Das ist nicht erfolgt.

Aber gut, kommen wir zu dem vorliegenden Antrag zurück. – Ja, es ist möglich, europäische Regelungen auch mit nationalen Regelungen zu ergänzen.

Dies ist aber nach der zitierten Ermächtigungsgrundlage des § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches nur für die Kennzeichnung tierischer Lebensmittel als Lebensmittelzutat möglich. Das ist die feine Unterscheidung, meine Damen und Herren. Denn Nebenbestandteile wie Zusatzstoffe, Aromen, Enzyme und technische Hilfsstoffe, die nicht aus Rohstoffen tierischen Ursprungs gewonnen werden, werden hiervon nicht erfasst. Das heißt, so wichtige Informationen, wie sie eigentlich die Veganer bedürfen, können nicht national geregelt werden.

Schwierig wird auch der zeitliche Rahmen. So soll nach dem vorliegenden Antrag bereits eine Umsetzung auf den 1. Juli 2013 festgesetzt werden. Übergangsvorschriften sind nicht vorgesehen. Normalerweise sollte man einem Unternehmen auch etwas Zeit für die Umstellung lassen.

Die Bundestagswahl würde zu weiteren Verzögerungen führen und damit eine Umsetzung frühestens Anfang 2014 ermöglichen. Damit fiele die vorgeschlagene Einführung einer nationalen Regelung fast zeitgleich mit der europäischen Kennzeichnungsverordnung zusammen, die dann natürlich Vorrang hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Wunsch nach mehr Transparenz für Menschen, die sich vegetarisch bzw. vegan ernähren wollen, ist verständlich. Im Hinblick auf die anstehenden europäischen Regelungen halten wir eine nationale Lösung für schwer durchsetzbar, zum einen weil rechtlich einiges dagegen spricht, aber auch weil Lebensmittel im Verkauf in Europa vor den Grenzen keinen Halt machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion wird der Überweisung in den Ausschuss natürlich zustimmen. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Blask. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Schulze Föcking.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Piratenfraktion fordert mehr Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher durch eine Neufassung der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung.

Kollegin Brand, Sie haben es jetzt gesagt. Sie haben es jetzt gesagt, nicht im Vorfeld, und vor allem nachdem Kollege Höne dies auch noch einmal deutlich angemerkt hat. Dieser Antrag ist annähernd 1:1 von foodwatch abgeschrieben worden. Nur: Leider wurde er nicht als solcher deklariert. Vielleicht sollten Sie hier einmal über Ihre Kennzeichnungspflicht nachdenken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in den letzten Jahren vieles für die Sicherheit von Lebensmitteln getan. Das war auch gut und richtig. Denn bei Lebensmitteln sollten wir kompromisslos sein und bleiben.

(Beifall von der CDU)

Es darf nur das auf den Teller, was einwandfrei erzeugt wurde und gesundheitlich unbedenklich ist. Die Kennzeichnungsvorschriften müssen klar, eindeutig und transparent sein. Ich denke und hoffe, dass wir uns da alle hier im Hohen Hause einig sind.

Jeder Verbraucher hat zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren. Die Vielzahl von Siegeln ist ein eindeutiger Beleg dafür. Die Informationen und die Transparenz im Bereich der Lebensmittel sind in den letzten Jahren stetig verbessert worden. Sie hingegen, meine Damen und Herren der Piratenfraktion, nutzen Begriffe wie „Täuschung“ und „Unsicherheit“ und verbreiten damit ein Stück weit Angst.

Ihr Antrag geht von der Annahme aus, es sei Mitgliedern verschiedener Religionsgemeinschaften nahezu unmöglich, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen, da sie tierische Bestandteile in der Nahrung nicht erkennen könnten. Das sind sehr weitreichende Begriffe und auch harte Vorwürfe, mit denen Sie da operieren. Es sind ernste Zweifel erlaubt, ob diese Annahmen einer Überprüfung standhalten.