Das mit der Mütterrente ist so ein Ding. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist vielleicht nicht falsch, aber die Armut geht viel, viel weiter und geht viel, viel tiefer. Ich kann zumindest sagen, ich habe fast jede Woche Gespräche mit Frauen aus genau dieser Alterskategorie.
Zweiter Punkt. Viele junge Menschen, die sich aufmachen und eine Ausbildung machen, anschließend vielleicht sogar noch eine Weiterqualifizierung, ein Studium machen, werden mit einem entsprechenden Wohnungsmarkt konfrontiert und müssen viele Kosten aufwenden. Und die sind dann sehr häufig auch in der Verbraucherberatung, weil sie sich auch schon für die Weiterqualifizierung, für den Meister oder eben auch für das Studium, verschulden. Die nehmen einen Kredit auf, und in dem Kleingedruckten steht dann natürlich auch – da kann man sagen, das hätte man besser lesen müssen –, dass man sehr schnell diese Schulden wieder zurückzahlen muss. Auch das ist eine Schulden- und eine Insolvenzfalle.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, weil Sie ja so große Freunde von sogenannten „nachgelagerten Studiengebühren“ sind und das in diesem Wahlkampf zu einem marktradikalen Markenkern der FDP erklärt haben: Genau das ist einer der Punkte, die zu Verschuldung führen und die Menschen in die Privatinsolvenz treibt.
Darum sagen wir an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Auch hier wollen wir lieber die Ursachen bekämpfen und diese nachgelagerten Studiengebühren erst gar nicht wieder einführen.
Armut und Verschuldung führen zu sozialer Destabilisierung. Deswegen brauchen die Menschen eine bessere Beratung und ein flächendeckendes Netz. Wir wollen mit diesem Antrag klarmachen, dass wir die Beratungsstrukturen, die es in Nordrhein-Westfalen gibt, flächendeckend zusammenführen. Wir wollen, dass im Bereich der Schuldnerberatung aus sozialpolitischer Verantwortung auch an jeder Stelle im Land ein Ansprechpartner zur Verfügung steht, wir wollen also ein landesweites Netz schaffen.
Wir Grünen haben uns im Übrigen auch besonders dafür stark gemacht, dass es eine kostenlose Beratung ist – nicht nur für die Menschen mit Leistungsbezug nach SGB II, sondern eben für alle Menschen. Ich habe eben auch die Gruppe derer, die auf dem Weg in die Verarmung sind, beschrieben; auch für die ist es wichtig, dass es eine kostenlose Beratung ist.
Es muss klare Zuständigkeiten und klare Verantwortlichkeiten geben. Ein allgemein anerkannter Bedarfsschlüssel für ein bedarfsdeckendes Netz an Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen muss entwickelt werden. Das bestehende System ist aus unserer Sicht nicht grundsätzlich schlecht, aber es ist an der Zeit, an der einen oder anderen Stelle zur Optimierung beizutragen.
Genau dazu dient dieser Antrag, weswegen ich Sie auch bitten möchte, diesem Antrag zuzustimmen, damit wir dieses flächendeckende Netz etablieren und den Menschen ein praktisches Angebot in allen Teilen des Landes machen können. So haben wir endlich einen weiteren Baustein dazu, die Armut in unserer Gesellschaft zu einem ganz wichtigen Thema innerhalb der politischen Debatte zu machen. – Herzlichen Dank und alles Gute.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen zwei Reden erinnere ich mich umso lieber an die gute Zeit vor 2010, als wir in großer Übereinstimmung mit allen Fraktionen im Landtag die Schuldner- und Insolvenzberatung diskutiert und gemeinsam auch auf Bundesebene vertreten haben.
Ich erinnere mich gerne an die Vorsitzende Annegret Krauskopf, die immer wieder mit mir zusammen die Landestagungen der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung besucht hat. Seit sieben Jahren allerdings bin ich einsam und allein in Gesprächen mit dieser Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, und ich finde auf diesen Tagungen keine weiteren Politiker.
Deshalb bin ich schon etwas überrascht, dass jetzt, ohne diese große Gemeinsamkeit, die wir bisher in dieser Frage hatten, einseitig ein Antrag auf den Tisch gelegt wird, natürlich angestoßen von den Presseverlautbarungen, dass 1,72 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen überschuldet seien. Aber das ist natürlich wieder typisch Nordrhein-Westfalen.
Nordrhein-Westfalen befinde sich am unteren Ende der Liste bei der Verschuldung privater Haushalte. – Sie wissen ganz genau, woran das liegt, nämlich an einer verfehlten Politik. Das müssen wir nicht vertiefen; denn das ist heute nicht das Thema.
Liebe Kollegen, Sie haben heute schon in Punkt 1 der Tagesordnung bewiesen, dass man auch mit Lautstärke keine Diskussionen führen kann, statt dessen sollte man ein bisschen zuhören.
Herr Kollege, Sie tun ja so, als wenn das ein neuer Antrag wäre. Ich darf auf Ihren alten SPD-Antrag von 2010 verweisen, als Sie noch in der Opposition waren. Diesen Antrag haben Sie jetzt ein bisschen verschönert und umgeschrieben, um ihn hier neu einzubringen. Ich will einmal etwas aus dem Antrag von 2010 zitieren:
„Angesichts des zu erwartenden Beratungsbedarfs bei der Schuldner- und Insolvenzberatung kommt der Landesregierung eine weitere besondere Verantwortung zu. Sie muss diesen Komplex endlich koordinieren.“
Das haben Sie 2010 gefordert. Was haben Sie gemacht? Was haben Sie denn in diesen sieben Jahren gemacht? Nichts. Gar nichts haben Sie gemacht.
Das Thema haben Sie jetzt, kurz vor der Wahl, wieder auf die Agenda genommen und meinen, damit punkten zu können – sieben Jahre Schlafmützigkeit.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch sagen, was Sie im Mai 2011 als Landesregierung gesagt haben. Damals haben wir gefragt, wie Sie es denn in der Finanzierungsfrage sehen würden. Dazu sagt die Landesregierung:
„Die Landesregierung strebt die Einrichtung eines Bankenfonds an, in dem analog zum vorhandenen Sparkassenfonds private Banken und genossenschaftlich organisierte Banken einen Beitrag zur Finanzierung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung leisten.“
Ich lasse mich von Lautstärke nicht unterbrechen. Wenn Sie mit Sachargumenten kommen würden, wäre das etwas anderes. Aber ich ahne schon, was wieder käme, nämlich nichts Sachliches.
Meine Damen und Herren. Ich darf weiter erinnern: In einer Anfrage an das Ministerium im November 2011 hatten wir zu langen Wartezeiten – die es auch heute noch gibt, darauf sind Sie gar nicht eingegangen – und der starken Beanspruchung der Beratungsstellen gefragt. Wissen Sie, was die Landesregierung dazu schreibt? – „Weiteren Handlungsbedarf bzw. weitere Handlungsmöglichkeiten sehe ich zurzeit nicht. Mit freundlichen Grüßen, Ute Schäfer“.
Meine Damen und Herren, man kann 2010 nicht alles fordern, wenn man in der Opposition ist, dann sieben Jahre lang nichts machen und jetzt, wo die Regierungszeit vorbei ist, mit alten Kamellen ankommen und es erneut fordern. Das ist keine verantwortungsvolle Politik.
Meine Damen und Herren, ich will auch auf den Bericht von Februar 2015 zur Evaluierung des Gesetzes zur Ausführung der Insolvenzordnung hinweisen. Was sagt dort Ihre damalige Ministerin? Ministerin Ute Schäfer antwortet, das Anliegen bestehe
natürlich darin, das Gesetz weiterzuentwickeln. Noch vor der Sommerpause werde dem Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser werde auf den Dingen, die angesprochen worden sind, fußen. – Das war im Februar 2015. Wo ist denn dieses Gesetz? Wo ist dieser Entwurf? Nichts ist gemacht worden. Auch hier wurde alles wieder verpennt.
Abschließend darf ich gerne noch einmal daran erinnern, was Ihnen die Freie Wohlfahrtspflege im September 2015 gesagt hat: Für die Beratungsstellen bedeute dies ein weiteres Auseinanderdriften von realen Kosten zur Refinanzierung, da seit 2011 keine ausreichende Aufstockung der Mittel erfolgt sei, um die Tarifsteigerung anteilig nachzuvollziehen.
Das, was Sie gerade hier vorgetragen haben, Herr Ott, war das, was wir vor 2010 alles schon diskutiert haben, wo die Ursachen der Verschuldung liegen und wie man das bekämpfen muss. Und wir hatten auch Top-Lösungen mit Ihrer Kollegin Annegret Krauskopf aus Dortmund. Das waren wunderbare Antworten. Aber Sie hätten in den sieben Jahren der Regierung sagen müssen: Nun setzt es endlich um! – Sie haben nichts getan, und jetzt kommen Sie mit so einer alten Kamelle! Da kann man doch nur sagen: Lächerlich, das können wir doch nicht unterstützen! – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Vor einigen Wochen hat sich die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung mit ihren Positionen zur Landtagswahl an die Politik gewandt. Jetzt bringen die rotgrünen Koalitionsfraktionen einen Antrag mit genau diesen Forderungen ein. Sie haben also einen Monat vor der Landtagswahl die Bedeutung der Beratung für überschuldete Menschen entdeckt. Sehr früh!
Quatsch! Prima! Dann setzen Sie doch Ihr Wahlprogramm um und machen nicht so einen Blödsinn, den Sie sieben Jahre lang gemacht haben!
Was haben Sie eigentlich in den letzten sieben Jahren in dieser Frage getan? – Ich kann da nichts erkennen. Kollege Tenhumberg hat auch auf Ihr Schlaflager hingewiesen. Die Zuständigkeit für die Landesförderung der Verbraucherinsolvenzberatung wurde immer nur wie ein Restposten im Gemischtwarenladen des Familienministeriums behandelt, an
statt einmal die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die Anliegen überschuldeter Menschen an einer Stelle zu bündeln.
So ist es auch bezeichnend, aus welchen Arbeitskreisen bei Rot-Grün die Initiatoren dieses Antrags kommen: Das sind weder die Familienpolitiker mit der Zuständigkeit für die Insolvenzberatung noch die Sozialpolitiker, die im Hinblick auf das SGB II mit der kommunalen Schuldnerberatung und ihrer Finanzierung verbunden sind. Nein! Bei Ihnen sind es vor allem die Verbraucherschützer, die vehement ihr Anliegen vortragen, aber keinerlei Verantwortung für die Finanzierung ihrer Forderungen haben.