Protocol of the Session on November 28, 2012

Denn es geht im Kern ja gar nicht darum, ob man ein Gutachten dazu macht und wer das macht, sondern es geht darum, dass wir – anders als Herr Brockes vorhin vermutet hat – nicht von irgendetwas ablenken, sondern als Landesregierung den Blick auf wohl mit das zentralste Problem und die zentralste Herausforderung bei dieser Energiewende richten. Wir richten den Scheinwerfer darauf und wollen nicht von irgendeiner Verantwortung oder anderen Dingen ablenken.

Deswegen will ich das in aller Nüchternheit noch einmal erklären.

Damit sich eine Investition in eine konventionelle Anlage, in ein konventionelles Kraftwerk lohnt, damit sie rentabel ist, muss auf dem Strommarkt ganz schlicht ein entsprechender Strompreis erzielt werden.

Gemäß der Systematik in Deutschland wird der Strompreis – in einer Variante jedenfalls – über die Börse gebildet. Danach bestimmen die variablen Kosten der Stromerzeugung die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke. Beginnend mit den niedrigsten Grenzkosten werden so lange Kraftwerke mit dann steigenden Grenzkosten hinzugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist.

An der Strombörse, sehr verehrte Damen und Herren, bildet das letzte Kraftwerk, das zugeschaltet wird, den Preis. Den Preis bestimmt das letzte Gebot. Der Preis für Strom wird also durch das jeweils teuerste Kraftwerk – meistens sind das übrigens Öl- oder Gaskraftwerke – bestimmt, das noch benötigt wird, um die jeweilige Stromnachfrage zu decken.

Hinzu kommt der Einspeisevorrang für die erneuerbaren Energien, der gegebenenfalls das zuletzt zugeschaltete Konventionelle, also das Teuerste, verdrängt mit dem Effekt, dass der Börsenpreis sinkt.

Sehr verehrte Damen und Herren, da sich die Erlöse eines Kraftwerks über die gelieferte Strommenge generieren – das ist ja auch, glaube ich, allen nachvollziehbar –, fehlt, wenn die Abnahmemenge durch den gerade von mir skizzierten Effekt entsprechend einbricht, die Bereitschaft, Reservekapazitäten aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten und in deren Auslastung zu investieren.

Das ist sozusagen die Ursache für die zurzeit geringen Investitionen im Kraftwerksbereich, weswegen Attentismus herrscht.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Bei dem derzeit wohl weltweit effizientesten Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Irsching 4 in Bayern liegt die Auslastung im Schnitt bei rund 50 %, obwohl es das Neueste ist, was es gibt. Dieses auch von vielen anderen Experten gewählte Beispiel zeigt, dass die Ursachen für solche Dinge nicht in der Landespolitik liegen.

Die Folgen könnten allerdings sein, dass wir in der Tat aufgrund dieser abwartenden Haltung der investierenden Konzerne in Kapazitätslücken hineinlaufen.

Deswegen ist es so wichtig, eine Debatte über mögliche Anreizsysteme zu führen. Und die wird im Moment allenthalben aller Orten geführt. Die führt man aber am besten auf der zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Grundlage.

Wir sind gerade dabei, uns genauso, wie es in Berlin geschieht, die einzelnen Vorschläge hinsichtlich solcher Begrifflichkeiten wie Kapazitätsmodell oder strategische Reserve anzugucken und zu diskutieren.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat in diesem Jahr auch ein Gutachten in Auftrag gegeben, und zwar mit dem Titel: „Untersuchung zu einem zukunftsfähigen Strommarktdesign“. Das hat man sich angeguckt. Das haben wir uns angeguckt. Das Bundeswirtschaftsministerium – von der Spitze angefangen – hat dieses Gutachten als einen wichtigen Beitrag zur Debatte bezeichnet, aber hinzugefügt, dass man damit noch nicht zu einem abschließenden Urteil darüber gekommen ist, wie ein solcher Strommarkt der Zukunft denn aussehen soll.

Es gibt eine ganze Reihe von anderen Gutachten. Ich will den Blick auf eines lenken, das Sie gleich gerne bei mir einsehen können – vielleicht haben Sie es auch selber zugeschickt bekommen –, nämlich die Prognos-Studie zu dem Thema „Bedeutung der thermischen Kraftwerke für die Energiewende“. Sie hatte einen anderen Auftraggeber, aber ich nehme an, dass Prognos – wir werden es nachlesen können – nicht zu grundsätzlich anderen Ergebnissen kommt.

(Thomas Kufen [CDU]: Also kennen Sie das Gutachten auch nicht!)

In der Prognos-Studie „Bedeutung der thermischen Kraftwerke für die Energiewende“ kommen die Gutachter zu drei Punkten:

Erstens. Erneuerbare Energien bieten auch in 2050 eine gesicherte Leistung von ca. 20 GW.

Zweitens. Selbst unter der Annahme, dass der Gesamtbedarf an gesicherter Leistung bis dahin um 6 GW sinkt, werden thermische Kraftwerke auch in

beinahe 40 Jahren noch Kapazitäten von bis zu 51 GW aufbringen müssen, um die erwartete Jahreshöchstlast in Deutschland abzudecken.

Drittens. Das hat zur Folge, dass im konventionellen Bereich Erzeugungskapazitäten langfristig erhalten bleiben müssen, um die Versorgungssicherheit nicht zu beeinträchtigen.

Das bringt mich zu folgenden politischen Schlussfolgerungen, die im Übrigen in der Landesregierung nicht infrage gestellt werden und die Sie genauso im Koalitionsvertrag nachlesen können: Der fossile Kraftwerkspark in Nordrhein-Westfalen sichert den erfolgreichen Verlauf der Energiewende und den Erhalt der Versorgungssicherheit. Deswegen kann es überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass wir ein großes Interesse an einer Erneuerung haben und dies politisch begleiten.

(Beifall von der SPD)

Ohne eine konventionelle Erzeugung in NordrheinWestfalen wird die Energiewende in der gesamten Bundesrepublik nicht gelingen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP – Christian Lindner [FDP]: Da hat keine grüne Hand geklatscht! – Zuruf von Dietmar Bro- ckes [FDP])

Jede Forderung nach einem forcierten Ausstieg ist eine Gefährdung für den Industriestandort. Deswegen brauchen wir ein Marktdesign, das die gemeinsam verabredeten, auch von der Bundesregierung beschriebenen Ausbauziele bei den Erneuerbaren erreichbar werden lässt und gleichzeitig den Erhalt der fossilen Erzeugung ermöglicht. Da unterscheiden wir uns im Land von dem, was in Berlin passiert.

(Christian Lindner [FDP]: Nein, Sie unter- scheiden sich zwischen denen [zeigt auf die GRÜNEN] und denen [zeigt auf die Landes- regierung]!)

Wenn die Kooperationsfähigkeit und der Wille zur Zusammenarbeit zwischen Herrn Altmaier und Herrn Rösler nur halb so gut ausgeprägt wären wie zwischen Herrn Remmel und mir, dann wären wir in Deutschland schon sehr viel weiter bei dem Thema „Energiewende“.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zur Abstimmung über den Eilantrag. Nach unserer Geschäftsordnung ist über Eilanträge direkt abzustimmen. Wir stimmen deshalb ab über den Inhalt des Antrags der Fraktion der CDU. Ich darf Sie fragen, wer für den Antrag stimmt. – Wer ist

dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Eilantrag Drucksache 16/1544 mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.

Wir kommen zu:

2 Gesetz über die Feststellung des Haushalts

plans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/300

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1300

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/1562

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1566

dritte Lesung

Und:

Finanzplanung 2011 bis 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/301

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1221

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2012 (Gemeindefinanzierungsgesetz –

GFG 2012)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/302

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/1301

dritte Lesung

Sowie:

Gesetz zur Errichtung eines Fonds des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungs