Protocol of the Session on March 16, 2017

Deshalb sage ich, Frau Kollegin Gebhard – auch wenn Sie gerade offenbar anderweitig beschäftigt sind –: Wenn Sie ein vernünftiges Konzept vorlegen, die Zahl der Polizeianwärter hier zu vergrößern,

wenn Sie das auch für die nächste Legislaturperiode vorhaben und die Frage beantworten, warum Sie das jetzt nicht auf den Weg gebracht haben, denke ich, dass Sie bei der FDP-Landtagsfraktion auf Unterstützung zählen können. Wir werden uns hier konstruktiv bemühen, die Weiterentwicklung, die wir brauchen, auch in der Personalausstattung der Polizei zu erreichen.

(Beifall von der FDP)

Offenbar haben Sie als Regierung aber selber keinen abschließenden Überblick, wie das mit der Stellenbesetzung bei Ihnen so aussieht. Deshalb bekommen wir alle paar Wochen wieder neue und korrigierte Zahlen zu zurückliegenden Stichtagen vorgelegt.

Weil wir das Thema sehr sachlich sehen, gestehe ich Ihnen auch zu: Es gibt überall in der Verwaltung wie auch in der Wirtschaft und bei Verbänden, da, wo Personal in großen Einheiten tätig ist, Fluktuationsquoten. Man hat es bei mehreren Hunderttausend Beschäftigten weder bei Unternehmen noch im öffentlichen Dienst immer in der Hand, sofort über Nacht jede Position wieder besetzen zu können, wenn jemand einen verlässt, was man vielleicht auch einmal bedauert. – Zugestanden.

Wir wollen auch zugestehen, dass Sie sich im Haushalt als Landesregierung Einstellungsermächtigungen beschließen lassen, um Vorsorge zu treffen. Und wenn nicht alle Sachverhalte das komplette Jahr über so eintreten, sei auch zugestanden, dass man dann im Vollzug damit sinnvoll verfährt. Alles andere wäre an dieser Stelle vielleicht auch nicht richtig.

Tatsache ist auch – das hat Kollege Abel gerade herausgearbeitet –: Es gibt Bereiche, bei denen wir ausdrücklich der Auffassung sind, dass Stellenvakanzen ein Zugewinn für unser Land sind. Insbesondere im Umweltbereich erhöht es die persönliche Freiheit von Menschen und die Produktivität von Unternehmen.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Und sie warten dann ewig auf Genehmigungen!)

Es baut unsinnige Bürokratie ab, wenn Hunderte von Stellen nicht besetzt sind, wenn man bedenkt, wie sich Minister Remmel die letzten Jahre mit neuen Stellen vollgesogen hat. Das fing beim rot-grünen Amtsantritt an und ging über die Haushaltsberatungen der nächsten Jahre weiter. Der Finanzminister hat ihm mehr Stellen bewilligt. Das hat ihm immer noch nicht gereicht. Dann haben Sie als Koalitionsfraktionen noch was draufgepackt. Es ist gut, dass diese Politik des Aufwuchses der Ökobürokratie in diesem Land in zwei Monaten beendet sein wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Es gibt aber – so differenziert wir die Problemfelder hier gerade gesehen haben – auch Bereiche, in denen das nicht so zu bewerten ist. Das sage ich auch ganz klar. Dort ist Personalmangel tatsächlich ein

Problem für die Gesellschaft, weil Menschen das spüren und es mit Nachteilen verbunden ist. Im Bereich der inneren Sicherheit, bei Polizei und Justiz, und in der Finanzverwaltung ist es nicht gut, wenn die Austrittszahlen zu hoch und die Eintrittszahlen zu gering sind.

Frau Kollegin Gebhard hat darauf hingewiesen: Wir haben vorgestern ein sehr qualifiziertes Sachverständigengespräch mit den Fachverbänden im Bereich des Polizeipersonals gehabt. Wir müssen auch den Fragestellungen nachgehen. Warum haben wir 10 % Durchfallquote bzw. endgültiges Nichtbestehen bei der Polizeianwärterausbildung? Dadurch verlieren wir direkt wieder mehrere Hundert Leute, die im Ausbildungsbetrieb begonnen haben.

Am Dienstag ist sehr viel über die Rahmenbedingungen gesprochen worden, die für das Personal nicht immer attraktiv sind, wenn man auf die Überstundenberge schaut. Die Polizeibeamten müssen ihren Familien oftmals Wochenende für Wochenende erklären, dass sie aufgrund der Sicherheitslage doch wieder zur Verfügung stehen müssen und damit einen riesigen Überstundenberg aufbauen, obwohl sie eigentlich laut Dienstplanung frei hatten. Die Landesregierung ist nicht einmal bereit, zu sagen: Wir geben euch die Sicherheit, dass ihr jede Überstunde, die ihr leistet, auch zurückbekommt.

(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Ihr müsst sie jetzt machen; wir bitten um Verständnis, dass die Sicherheitslage das erfordert. Aber wir als Land sind bereit, rechtssicher zuzusagen: Das ist Arbeitszeit, die wird an euch zurückgegeben! – So ein Signal wäre jetzt erforderlich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Es gibt eine Rechtszusage!)

Sie von der Landesregierung haben den öffentlichen Dienst frustriert. Da sind wir bei den Rahmenbedingungen und bei Ihrer Tarifpolitik.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie haben den Leuten signalisiert: Es ist in Ordnung, wenn sich die Bezüge im öffentlichen Dienst anders verändern als in anderen Branchen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie haben klar definiert, wer aus Ihrer Sicht zu den Besserverdienern gehört, die mehrere Jahre lang nicht einmal mehr einen Inflationsausgleich benötigen. Damit haben wir Sie vor dem Verfassungsgerichtshof gestoppt. Das waren keine attraktiven Rahmenbedingungen.

Was machen Sie gegenwärtig mit der Frauenquote? In manchen Ressorts herrscht objektiv Personalmangel.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Und das Landesjagdgesetz kommt dann auch noch dazu, oder? Und der Nichtraucherschutz!)

Der Finanzminister weiß das aus seiner Finanzverwaltung. Innenminister Jäger kennt die Personalbesetzungsprobleme bei der Polizei. Genau das sind die beiden Bereiche, in denen Sie die meisten Klagen Betroffener haben. Hunderte von Beförderungsstellen kommen jetzt durch die Konkurrentenklagen nicht zum Zuge, weil sich die Grünen ideologisch hinstellen und jede Veränderung blockieren.

Das sind keine attraktiven Rahmenbedingungen für den öffentlichen Dienst. An diesen Stellschrauben müssen Sie arbeiten, damit sich nicht weiterhin das, was Sie an Planstellenanstieg kommunizieren, nicht im Ist der Stellenbesetzung widerspiegelt. Das muss von Aufgabenkritik begleitet werden. Vielleicht ist auch zukünftig nicht mehr jede Aufgabe so personalintensiv zu erledigen wie bisher. Aber in den Bereichen, in denen es um die Kerntätigkeit des Staates geht, muss der Staat handlungsfähig sein, um das Vertrauen der Menschen zu erreichen. Da gibt es noch viel zu arbeiten. Das werden wir auch weiterhin in den nächsten Wochen und Monaten thematisieren. Dieser Herausforderung muss sich auch der neue Landtag stellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Witzel. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kern.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Es ist Wahlkampf. Da muss man sich bekanntlich auf einiges gefasst machen, auf unglaubwürdige Wahlversprechen, verdrehte Tatsachen und aberwitzige Argumente.

Es ist schade, dass die CDU bei einem so wichtigen Thema wie den Engpässen im Landesdienst Redlichkeit und die grundlegenden Prinzipien der Mathematik vermissen lässt. Es zeigt sich wieder einmal: Im Wahlkampf spielt Sachpolitik leider nur eine Statistenrolle. – Wenn im Zeitraum 2015 bis 2016 die Gesamtanzahl der besetzten Lehrerstellen um 340 gesunken ist, dann ist das natürlich bedauerlich; denn wir sind überzeugt, dass für eine bessere Bildung unserer Kinder weitaus mehr Lehrerinnen und Lehrer benötigt werden. Aber wie ist denn die aktuelle Situation? Das wollten wir Anfang des Jahres bereits im Ausschuss wissen.

Es gibt bekanntlich schon länger einen Engpass bei der Besetzung von Lehrerstellen, der vor allem die Grundschulen betrifft. Deswegen hat meine Kollegin Monika Pieper im Schulausschuss um die aktuellen

Daten zu den Einstellungsverfahren gebeten. Ministerin Löhrmann hat diese in der Sitzung vom 8. Februar geliefert. Dort haben dann alle Fraktionen erfahren, dass zum 6. Februar noch 630 Stellen unbesetzt waren. Im vorliegenden CDU-Antrag ist aber immer noch – trotz besseren Wissens – die Rede von 4.300 unbesetzten Lehrerstellen. Wie passt das bitte zusammen?

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Gar nicht!)

Aktuelle Daten ignorieren, veraltete Zahlen herauskramen und so mit Halbwahrheiten Wind machen: So wollen Sie, liebe CDU, an die Regierung? – Zur Lösung der bestehenden Probleme bei den Lehrereinstellungen können Sie ohnehin keine wirksamen Maßnahmen vorschlagen. Jetzt kommen Sie bitte nicht mit der Reaktivierung von Pensionären. Auch das wird bereits gemacht.

Auch was die unbesetzten Stellen im Bereich der inneren Sicherheit angeht, ist die CDU mit ihrer Kritik nicht gerade glaubwürdig. Das Land hat nur die Polizisten, die es vorher eingestellt und ausgebildet hat. Die Versäumnisse der CDU-geführten Landesregierung lassen sich hier gut ablesen.

Rot-Grün hat zumindest angefangen, die Einstellungszahlen wieder anzuheben und mehr Polizisten auszubilden. Das begrüßen wir Piraten ausdrücklich. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch bedarf es noch eines weiteren Ausbaus. Im letzten Jahr gab es 2.000 Neueinstellungen. Damit ist die Polizei zum ersten Mal seit Jahren nicht kleiner geworden.

Der demografische Wandel bei der Polizei hat sich seit Jahrzehnten angekündigt, aber weder CDU noch SPD haben ernsthaft gegengesteuert und die Zahl der Neueinstellungen auf ein ausreichendes Niveau angehoben. Die Polizei kaputtzusparen und durch Kameras zu ersetzen ist keine Sicherheitspolitik, liebe Kollegen der CDU, sondern nichts anderes als Sicherheitsesoterik.

An die Adresse der „Videobeobachtungspartei“, der Grünen: Videoüberwachung bleibt Symbolpolitik, auch wenn man ein anderes Etikett daran hängt.

Die derzeitigen Probleme bei der Stellenbesetzung im Landesdienst sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden gravierenden Personalprobleme im gesamten öffentlichen Sektor. Nach einer aktuellen Studie steht der deutsche Staat vor den größten Personalengpässen seiner Geschichte. Bund, Länder und Kommunen werden in den nächsten Jahren massive Probleme haben, offene Stellen zu besetzen. Bis 2030 werden voraussichtlich 816.000 Stellen beim Staat unbesetzt bleiben. Bei den Verwaltungsfachkräften wird es in den nächsten anderthalb Jahrzehnten einen Engpass von rund 277.000 Stellen geben. Der Studie zufolge werden in Deutschland bald auch 194.000 Lehrer fehlen, und das in einer

Zeit, in der das Bildungswesen vor der Doppelherausforderung von Integration und Inklusion steht.

Die Entgeltstrukturen bei der öffentlichen Hand sind in Zeiten des demografischen Wandels vor allem im Wettbewerb um hochqualifiziertes Personal nicht mehr attraktiv. 2030 werden im öffentlichen Dienst voraussichtlich 320.000 Akademiker fehlen. Vor allem Absolventen der sogenannten MINT-Fächer, also naturwissenschaftlich-technische Berufe, erhalten in der Privatwirtschaft wesentlich bessere Verdienste und Bedingungen als im öffentlichen Sektor. Die Auswirkungen des Mangels von Ingenieuren beim Staat machen sich schon heute schmerzhaft bemerkbar.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Trotz guter Haushaltslage können die dringend benötigten Zukunftsinvestitionen vielfach nicht getätigt werden, weil Fachleute mit Know-how zur Planung und Abrufung der Mittel bei den Kommunen und den Ländern schlichtweg nicht mehr vorhanden sind. Der Großteil der bereitgestellten Mittel kann gar nicht mehr verbaut werden, da es an baureifen Projekten fehlt. Und die wiederum fehlen, weil es im Landesdienst bzw. in den Kommunen nicht genügend Bauingenieure gibt, die entsprechende Vorhaben anschieben und genehmigen könnten.

(Ralf Witzel [FDP]: Nein, die kaufen das alles bei Planungsbüros!)

Neben dem Investitionsstau haben wir also jetzt auch noch den Planungsstau. Dieses Problem wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen; vor allem für die Kommunen wird es immer schwieriger. Die unbesetzten Stellen in den Städten und Gemeinden, bei den Kitas und Schulen werden die Menschen in ihrem Alltag schmerzhaft zu spüren bekommen. Die jahrelange Verwaltung des personalen Notstands sowohl durch Schwarz-Gelb als auch durch RotGrün gefährdet im Angesicht des demografischen Wandels die Funktions- und Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Ich komme zum Schluss. Eine verantwortungsvolle Politik hätte die Ausbildungskapazitäten für den Landesdienst schon vor Jahren ausgebaut. Jetzt sind sie vollkommen erschöpft; darüber sind sich hier alle einig. Wir müssen schnellstmöglich die Ausbildungskapazitäten für Polizistinnen und Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Finanzverwaltung erhöhen. Wir müssen schnellstmöglich die Entgeltstrukturen und die Besoldung des Landesdienstes verbessern. Nur so lässt sich die Pensionierungswelle im Landesdienst in den nächsten Jahren einigermaßen ausgleichen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kern. – Für die Landesregierung spricht nun der Finanzminister, Herr Dr. Walter-Borjans.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Optendrenk, ich bitte um Nachsicht, dass ich etwas später zu diesem Tagesordnungspunkt dazugestoßen bin. Er hat, wie Sie wissen, gut 20 Minuten vor der ursprünglich avisierten Zeit begonnen. Deswegen musste ich gerufen werden und habe mich dann so schnell wie möglich hierhin begeben. Sie mögen es vertreten, das als Beispiel für ein nicht sorgfältiges Handeln zu nehmen. Das spricht allerdings für sich. Das ist ungefähr so sorgfaltslos, wie wenn jemand 86 Jahre für fast 90 Jahre hält und man ihn deshalb für ganz durchgedreht hält.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Das ist im Moment offenbar Ihre Lage, mit der man leben muss.

Ich sage zu Beginn: Für mich gilt – und das sollte für uns alle gelten –, dass Stellen, die im Haushalt ausgewiesen sind, auch dazu da sind, besetzt zu werden. Ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich diesen Grundsatz nicht nur vertrete, sondern dass ich auch danach handele. Als ich im vergangenen Jahr die 18-monatige Stellenbesetzungssperre in der Finanzverwaltung aufgehoben habe, ist das von Ihnen nicht nur positiv begleitet worden. In den Augen von Herrn Witzel war die Aufhebung der 18-monatigen Beförderungssperre plötzlich eine Massenbeförderung.