Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben gerade schon von Frau Schmitz einen schönen Aufschlag bekommen. Den möchte ich gerne, so weit es geht, ein bisschen retournieren.
Der Übergang von der Schule in den Beruf liegt uns allen – da sind wir uns einig – sehr am Herzen. Und wir haben nicht nur mit unserem erfolgreichen Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ richtige und wichtige Pflöcke gesetzt. Um nun aber den Übergang Schule/Beruf erfolgreich zu gestalten, muss auch der Einstieg in die berufliche Bildung klappen.
Eine umso mehr besondere Aufgabe ist dies im Fall junger Geflüchteter, die mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Kenntnissen nach Deutschland gekommen sind. Und Bildung – das wissen wir alle – ist die beste Integration. In diesem Punkt stimmen wir sicherlich ohne Frage Ihrem Antrag zu.
Das Bildungsniveau vieler dieser jungen Menschen, die zu uns kommen, ist nicht mit dem in Europa zu vergleichen. Daher ist es wichtig und richtig, Jugendliche, die bei uns im Normalfall keiner Schulpflicht mehr unterliegen, mit auf den Weg zu nehmen und entsprechende Bildungsangebote zu schaffen.
Mit der Einführung von „Fit für mehr!“ haben wir das Angebot an Bildungschancen für junge Geflüchtete, auch was das Alter angeht, erweitert. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass es in einer gemeinsamen Initiative gelungen ist, dass die Weiterbildungskollegs für junge Geflüchtete geöffnet werden. Wir schaffen also wiederum mit diesem Angebot auch eine Beschulungsoption unabhängig von der Schulpflicht und der Bleibeperspektive der jungen Zugewanderten.
Vergessen wir eben nicht, dass wir nun ein Paket haben: Weiterbildung, Weiterbildungskollegs mit der Öffnung der Berufskollegs. Der erste Zugang zur Bildung wird sicherlich in den meisten Fällen an den allgemeinbildenden Schulen ermöglicht.
Ihr Antrag ist womöglich der nahenden Landtagswahl geschuldet, denn ich wundere mich darüber, dass kaum vier Wochen
ja, ich will es auch begründen – nach der Einführung dieser Option bereits ein solch ausführlicher Antrag erfolgt. Lassen Sie uns doch abwarten, wie sich dieses Angebot entwickelt.
Ich möchte auch noch einmal betonen, dass wir sicher im Schulausschuss dieses Angebot begleiten und, wenn nötig, gemeinsam nachsteuern. Dass Sie diesen Antrag dazu benutzen, um einen ganzen Abschnitt für die Haushaltspolitik zu verwenden, schiebe ich ebenfalls auf die besondere Situation, in der wir alle im Moment sind. Hierüber wurde ausreichend in den Sitzungen und in den Ausschüssen gesprochen.
Nun hat Frau Ministerin Löhrmann in der Sitzung des Schulausschusses am 8. Februar zum aktuellen Sachstand der Einführung dieses Bildungsangebotes „Fit für mehr!“ berichtet. Beachten wir bitte – ich betone das noch einmal –, dass es sich um die Einführung zum 1. Februar 2017 handelt und nicht um 2014, 2015 oder 2016.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben heute den 15. März, anderthalb Monate nach der Einführung des Angebotes, welches noch nicht einmal, wie wir gehört haben, an allen Berufskollegs stattgefunden hat. Das an den Pranger zu stellen, ist doch einfach ein bisschen verfrüht.
Lassen Sie uns in einer konstruktiven Diskussion über „Fit für mehr!“ auch weiterhin diskutieren, aber
bitte zu gegebener Zeit und mit entsprechender Unterfütterung durch Auswertungen. In diesem Sinne verstehen Sie sicherlich, dass wir von der SPDFraktion den Antrag ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegen Spanier-Oppermann. – Für die CDUFraktion erteile ich Frau Kollegin Dr. Bunse das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Fit für mehr!“ ist ein Programm, das die Kommunen zunächst überrascht hat. So habe ich das jedenfalls bei uns in Bottrop erfahren. Auch die Schule bzw. das Berufskolleg war überrascht. Jetzt läuft dieses Programm an. Da gebe ich Ihnen recht: Es braucht sicherlich noch Zeit.
Definiert ist es als ein Programm für über 18-jährige Flüchtlinge, um denen zu ermöglichen, ihre Bildungsbiografien fortzusetzen, die oft fluchtbedingt unterbrochen worden sind. Dieses Programm muss man als eine Art Vorkurs einordnen. Die Anwendung soll die jungen Menschen fit machen, um dann im Anschluss eine Ausbildung zu ermöglichen.
Wie sich dieser Anschluss dann genau gestalten soll, ist auch in dem Schreiben des Ministeriums „Integration durch Bildung“ vom 16.12. nicht näher definiert. Mir geht es dabei nicht um die Kritik an diesem Programm, sondern um die Rahmenbedingungen, die eben nicht deutlich sind. So ist mir das jedenfalls gespiegelt worden.
Der FDP-Antrag tut hier also etwas sehr Wichtiges. Er nimmt dieses Programm zum Anlass und macht deutlich, in welcher Mangelsituation sich viele Berufskollegs aktuell befinden. Man muss sich schon die Frage stellen – nicht die Frage nach dem Programm –, warum dieses Programm einzig und allein im Moment von den BKs zu schultern ist. Insofern legt dieser Antrag den Finger in die Wunde.
Wir haben gerade festgestellt: Es ist nur ein Programm. Es vermittelt keinen Schulabschluss. Zumindest ist das die Wahrnehmung der Akteure. So ein Sprachkurs – diese Frage muss dann erlaubt sein – könnte theoretisch wahrscheinlich auch an anderen Schulformen stattfinden oder von anderen Trägern durchgeführt werden – die FDP hat gerade darauf hingewiesen –, um die BKs zu entlasten.
Vorausgesetzt ist natürlich bei allen Schulen, dass Lehrerinnen und Lehrer vorhanden sind, die diese Einheiten vermitteln können. Und das ist, glaube ich, gerade das Problem an den BKs und die Sorge der BKs, dass sie jetzt Lehrer, Lehrpersonal für diese Durchführung des Programms binden und dann irgendwann zu dem Punkt kommen, dass sie Fach
kräfte, also Fachlehrerinnen und Fachlehrer, brauchen und ihnen dann bescheinigt wird, dass sie de facto einen Überhang an Lehrpersonal haben.
Wir müssen allerdings auch einmal genau hinschauen. Wenn man mit den Berufskollegs in Kontakt kommt, wird ganz deutlich, dass sie bei der Flüchtlingsbeschulung eine ganz große Aufgabe übernommen haben und inzwischen feststellen: Allein diese zwei Jahre Sprachunterricht in den Förderklassen reichen bestenfalls dazu, dass die Schüler und Schülerinnen zu einem Hauptschulabschluss geführt werden.
Das ist meiner Meinung nach nicht verwunderlich; denn wenn wir alle hier zwei Jahre Arabischunterricht hätten, könnten wir anschließend auch kaum entsprechende Analysen in Arabisch verfassen.
Man muss also festhalten, dass die Sprachproblematik bei der Vermittlung von Flüchtlingen das große Problem darstellt, und zwar auch, wenn diese Flüchtlinge gerade in dualen Systemen an Praktika und Ähnlichem teilnehmen sollen. Denn es ist einfach Fakt: Wenn jemand kein Deutsch versteht, dann wird er für sich und auch für andere zum Beispiel auf einer Baustelle durchaus zu einem Gefährdungspotenzial.
Insofern steht fest: Die Integration kann nur über Sprache erfolgen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass dieser Prozess lange dauert. Er dauert auch länger als die von der Landesregierung häufig angedachten zwei Jahre.
Man muss auch feststellen, dass die einfachen Integrationskurse oft nicht reichen und dass zum Beispiel Flüchtlinge, die in Familien betreut werden – das haben mir jedenfalls Lehrer der Berufskollegs berichtet –, sehr viel schneller des Deutschen mächtig sind. Letztendlich steht man damit auch vor dem Dilemma, die Frage zu klären, ob Sprachvermittlung durch jedermann oder nur durch geeignetes Fachpersonal, also durch Lehrerpersonal, erfolgen kann.
Mir ist es wichtig, sich darauf zu einigen, dass Flüchtlinge bis zum 25. Lebensjahr die Auflage und eben auch die Möglichkeit erhalten, die deutsche Sprache zertifiziert zu erlernen. Das kann nicht nur die Aufgabe der Berufskollegs sein. Darum fordern wir, dass die Landesregierung dafür andere Rahmenbedingungen vorsieht.
Der Antrag beschreibt eindrucksvoll die grundsätzliche Mangelsituation an Berufskollegs. Hier gibt es bereits heute das Problem – Frau Schmitz hat es auch beschrieben – des Fachlehrermangels. Es darf nicht dazu kommen, dass dieser Mangel jetzt noch weiter verstärkt wird, weil die Berufskollegs das Programm „Fit für mehr!“ alleine durchführen müssen.
Ich denke, dass man in diesem Zusammenhang auch durchaus noch einmal über die Schüler-LehrerRelation an den Berufskollegs nachdenken könnte. Die Forderung des FDP-Antrags geht also absolut in
Insbesondere der Punkt 4 des Forderungskatalogs des FDP-Antrags, nämlich das Programm so auszugestalten, dass auch außerschulische Partner bei der Durchführung eingebunden werden können, trifft auf unsere volle Akzeptanz.
Allerdings haben wir eine gewisse Präferenz dafür, dass der Spracherwerb zwingend vorzuschreiben ist und dass dieser Spracherwerb auch eingefordert werden muss. Diesbezüglich vermissen wir aber die Möglichkeit einer Debatte mit den entsprechenden Akteuren und bedauern sehr, dass wir heute hier zu einer Beschlussfassung kommen müssen.
Wir sehen in dem FDP-Antrag einen Auftrag für die kommende Legislaturperiode, weil wir die Diskussion über die im Antrag geforderte stärkere Verbindlichkeit des Schulbesuchs nicht mehr schulpflichtiger Flüchtlinge bis 25 Jahre heute hier nicht in dem gebotenen Umfang führen können. Darum werden wir uns zu dem Antrag enthalten. Wir sehen aber, dass er deutlich macht, in welcher Notsituation sich die Berufskollegs befinden. – Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bunse. – Für die Fraktion der Grünen erteile ich Frau Kollegin Beer das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich schon fragen, in welcher Debatte und zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung wir hier eigentlich sind. Wir haben in diesem Landtag gemeinsam einen Integrationsplan auf den Weg gebracht. In jedem Ausschuss wurde darüber diskutiert, welche Maßnahmen auch im Bildungsbereich angelegt sind. Trotzdem habe ich hier Beiträge gehört, die so klangen, als hätten wir in diesem Haus nie darüber geredet. Das macht mich fassungslos, muss ich sagen.
Eigentlich hätte doch ankommen müssen – haben wir da ein Bildungsproblem, Frau Schmitz? –, dass wir in Nordrhein-Westfalen wie in keinem anderen Bundesland die Vielfalt der Bildungswege verbunden mit dem Recht auf Bildung vorhalten. Wir haben mittlerweile 109 Millionen € in der gemeinwohlorientierten Weiterbildung, die sowohl abschlussbezogen ist als auch die Grundlagen im kulturellen Umgang, im sozialen Umgang und im gesellschaftspolitischen Umgang vermittelt, und natürlich die Sprachförderung. Wir haben es auf uns genommen, das zu schultern, und sind da mit großem Engagement hineingegangen.
Zu dem, was unsere Schulen mit den Internationalen Förderklassen leisten, kommt jetzt an einer Nahtstelle ein Vorkurssystem dazu. Dabei handelt es sich
nicht um einen Fachunterricht mit einer berufsbezogenen Vorbereitung. Wir haben es nämlich mit den Internationalen Förderklassen schon angelegt, eine Berufsorientierung hineinzubringen und direkt den Übergang in Einstiegsqualifikation bzw. in berufsvorbereitende Maßnahmen zu schaffen.
Genau das ist auch die Rückmeldung aus den Berufskollegs, die wir hier ja gemeinsam diskutiert haben. Sie haben erklärt: Wir wollen dieses System, um Jugendliche und junge Erwachsene überhaupt fit zu machen, damit sie starten können, weil sie mehr Zeit brauchen, als in einem Jahr oder maximal zwei Jahren in einer Internationalen Förderklasse zur Verfügung steht. Dazu braucht es für eine ganz bestimmte Gruppe noch einen Vorkurs. Genau das wird angeboten; genau das startet jetzt in diesem Bereich.
Es ist auch sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir eine sehr heterogene Gruppe von Zugewanderten mit unterschiedlichsten Erfahrungen haben. Sie verfügen über Berufserfahrungen in verschiedenen Konstellationen, zum Beispiel schon als Familienfrauen. Dafür haben wir ganz flexible Möglichkeiten geschaffen. Wir wollen, dass die jungen Frauen und Mädchen diese Bildungsmaßnahmen auch wahrnehmen. Deswegen gibt es zum Beispiel Brückenkurse, bei denen die Betreuung von Kindern gewährleistet ist, damit sie da ihren Einstieg finden. Das ist wirklich ein ausgefeiltes System auf den unterschiedlichsten Ebenen.
Und was machen Sie, Frau Schmitz? Sie betreiben hier wieder Legendenbildung und malen Gemälde von Dingen, die so einfach richtig sind, nach dem Motto: Die Gymnasien werden vernachlässigt – das ist so eine Ente, die Sie in die Welt setzen –, wir wollten Stellen abbauen – das werden wir gleich auch noch klären –, und die FDP habe sich erneuert. Das ist alles falsch.
Entschuldigung, Frau Kollegin Beer. Frau Kollegin Bunse würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Wir sind gespannt, Frau Beer. – Frau Beer, Sie haben jetzt ganz weit ausgeholt und sind dabei auch ein bisschen erregt. Sie bekommen doch gar nicht überall Widerspruch.