Protocol of the Session on March 15, 2017

Meine Damen und Herren, schulische Bildung ist erst dann abgeschlossen, wenn sie in eine berufliche Existenz und ein selbstbestimmtes Leben mündet. Für den Übergang von der Schule in die Berufswelt ist mit „Kein Abschluss ohne Anschluss“ eine wesentliche Grundlage geschaffen worden, um allen

jungen Menschen nach der Schule möglichst rasch eine Anschlussperspektive für eine Berufsausbildung oder ein Studium zu eröffnen und durch ein effektives, kommunal koordiniertes Gesamtsystem unnötige Warteschleifen zu vermeiden. Da werden Jugendliche und ihre Eltern in Nordrhein-Westfalen auf dem Weg in die Berufswelt nachhaltig unterstützt. Unsere Berufsbildungszentren müssen dabei besser eingebunden werden.

Es ist wichtig, frühzeitig kennenzulernen, was nach der Schule kommt, wie die Arbeits- und Berufswelt insgesamt aussieht und wo man seinen Platz darin findet. Hierzu bedarf es einer guten Berufsorientierung. Die Enquetekommission gibt dazu viele Anregungen, Hinweise und Handlungsempfehlungen.

Es geht bei der Fachkräftesicherung letztlich auch um die Frage: Wie attraktiv ist Handwerk?

Andreas Ehlert pflegt immer zu sagen – mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich –: Handwerk ist Qualität; sonst ist es kein Handwerk. – Wir wissen aber auch: Qualität hat ihren Preis.

Damit dieser Preis auch erzielt werden kann, braucht es passende Rahmenbedingungen. Handwerk soll nicht im Wettbewerb benachteiligt und nicht mit Bürokratie überfordert werden. Mit dem Gesetz zur Handwerksförderung und der Clearingstelle Mittelstand setzt das Land hier an.

Handwerksspezifische Maßnahmen sind in der Handwerksinitiative NRW 2.0 gebündelt und umfassen zum Beispiel folgende Instrumente:

Meistergründungsprämie Handwerk – StarterScheck Handwerk – WachstumsScheck Handwerk – InnovationsGutschein Handwerk – Design Handwerk NRW als Dachmarke für Krea

tiv- und Kunsthandwerk

institutionelle Förderung des Handwerks – Technologie-Transfer-Ring Handwerk – die Zukunfts-Initiative Handwerk Nordrhein-West

falen

Es gilt nun, die Handwerksinitiative fortzuführen und weiterzuentwickeln – insbesondere beim Thema „Digitalisierung“. Es geht aber auch darum, dass das Handwerk selbst mehr für Attraktivität sorgt. Es geht um ein gutes Arbeitsumfeld sowie interessante Arbeits- und Karrierechancen, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf und letztlich auch um ordentliche Bezahlung. Der billige Jakob passt nicht zum einen Qualitätsanspruch.

Zwar ist der Mindestlohn im Handwerk kein Thema. Es gibt aber auch Teile, die keinen Tariflohn haben, die in der Nähe oder unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegen. Sorgen macht dabei eine nachlassende Tarifbindung. Darum der Appell an Innungen und Gewerkschaften: Schließt mehr Tarifverträge ab! Sie können dann für allgemein verbindlich erklärt

werden und so Wettbewerbsverzerrungen durch Dumpinglöhne entgegenwirken.

Es geht allerdings auch darum, Verdienstperspektiven im Verlauf eines Erwerbslebens attraktiv zu gestalten. Das sogenannte Tarifgitter bietet dazu eine gute Gelegenheit.

Die Versorgung im Alter ist nicht nur im Handwerk ein drängendes Thema. Eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung aufzubauen, ist aber angesichts der Kleinteiligkeit der Betriebe schwierig. Hier sind gerade auch die Handwerksorganisationen gefordert. Nur ein Teil der 4,3 Millionen Selbstständigen in Deutschland ist in berufsständischen Versorgungswerken. 2,3 Millionen Solo-Selbstständige sind von Altersarmut bedroht. Es geht um eine verpflichtende Vorsorge für Solo-Selbstständige, kleine Selbstständige und natürlich auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Einhaltung einer Wahlfreiheit.

Die Handlungsempfehlung 107 gibt dazu zahlreiche Hinweise, unter anderem Stärkung der gesetzlichen Vorsorgesysteme, bessere Absicherung privater Vorsorge, betriebliche Vorsorgelösung als Zusatzangebot, bessere regulatorische Rahmenbedingungen und eine Korrektur bei der Anrechnung von betrieblichen Altersversorgungen auf die Grundsicherung, Modelle dazu, dass man Ansprüche ansammeln und auch bei Betriebswechsel mitnehmen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, bei 171 Handlungsempfehlungen wäre sicherlich noch viel mehr zu sagen. Richtig ist, wir haben keinen Minimalkonsens erzielt. Bericht und Handlungsempfehlungen haben Substanz, das bestätigt das Handwerk ausdrücklich. Wir wollen auch die Einrichtung einer Ehrenamtsakademie und wollen dafür das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz weiterentwickeln. Auch

wenn wir das Handwerk in seiner Ausprägung, dem dualen Berufsbildungssystem und dem Großen Befähigungsnachweis, zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO empfehlen, so wollen wir das Handwerk keineswegs ins Museum stellen. Es soll zukunftsfest gemacht werden.

(Beifall von Rainer Spiecker [CDU])

Es geht auch darum, mehr Frauen für das Handwerk zu gewinnen, mehr Gründerinnen zu motivieren. Es geht auch um Integration durch Qualifikation von Geflüchteten mit Bleibeperspektive, um ein zeitgemäßes Zuwanderungsrecht. Einwanderung wird vom Handwerk ausdrücklich als Chance gesehen.

Mit dem Bericht und den Handlungsempfehlungen drücken wir eine Anerkennung für das Handwerk und seiner Leistungen für die Gesellschaft aus. Dass der Bericht und die Handlungsempfehlungen einstimmig im Konsens erarbeitet wurden, ist ein Erfolg für das Handwerk und eine Verpflichtung für die Politik. Im Entschließungsantrag ist der weitere Weg gezeichnet:

(Beifall von Rainer Spiecker [CDU])

die Handwerksinitiative fortsetzen und weiterentwickeln, einen runden Tisch einzurichten mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern und der Landesregierung, einen Handwerksbericht jährlich dem Landtag vorzulegen und schließlich am Ende der Wahlperiode eine Bilanz über die Umsetzung der Maßnahmen.

Ich möchte mich bedanken bei den Sachverständigen, die unsere Arbeit wirkungsvoll unterstützt haben, bei der Landtagsverwaltung, die zuverlässig und effizient, gelegentlich auch robust, gearbeitet hat,

(Beifall von Michael Hübner [SPD] – Michael Hübner [SPD]: Sehr gut!)

beim Vorsitzenden, der neutral moderiert hat, auch wenn Ihnen, Herr Bombis, gelegentlich die Neutralität als Vorsitzender schwergefallen ist, und letztlich bei allen, die zum Erfolg der Enquetekommission Handwerk beigetragen haben.

Es gibt viel zu tun, packen wir es an. Wir freuen uns auf eine weitere erfolgreiche Handwerkspolitik, aufbauend auf unserer gemeinsamen Arbeit in der Enquetekommission. Für eine Partei wie die SPD, die von Handwerkern gegründet wurde, ist dies eine besonders schöne Aufgabe. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Spiecker.

Sehr geehrter Herr Präsident Uhlenberg! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Tag geht eine Zeit intensiver und auch anstrengender Arbeit zu Ende, eine Arbeit, die aber auch Spaß gemacht hat, wenn ich das einmal so sagen darf.

Der Bericht der Enquetekommission Handwerk liegt nach zähem Ringen vor. Es ist uns in zwei Jahren gelungen, in dem Bericht so viele Probleme des Handwerks beim Namen zu nennen und zu vielen dieser Probleme auch belastbare Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. Das ist ein großer Erfolg. Mein Dank gilt deshalb allen, die dazu beigetragen haben, dass wir den Bericht und die Empfehlungen im Konsens vorlegen konnten und das Ergebnis zudem so viele politische Substanz und Präzision beinhaltet.

Das war kein Selbstläufer, sondern war harte Arbeit. Es war ein hartes Ringen mit denen, die es gern etwas unverbindlicher, diffuser gehabt hätten. Bedanken möchte ich mich vor allem bei den vielen Vertre

tern des Handwerks, die ihr Wissen in die Kommission eingebracht haben. Das hat sehr geholfen, den Bericht auf den Punkt zu bringen. Danke möchte ich auch meinen Fraktionskollegen Oskar Burkert und Hubertus Fehring für ihre Mitarbeit sagen. Danke auch an Prof. Dr. Hans Jörg Hennecke, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter einen ganz großen Anteil am Gelingen der Enquetekommission hatte.

Hervorzuheben ist sicherlich auch der Beitrag von Andreas Ehlert, der als Präsident von Handwerk NRW auf Vorschlag der CDU-Fraktion Mitglied der Kommission war. Er hat damit politische Verantwortung wahrgenommen und entscheidend zum Erfolg beigetragen. Gleichzeitig möchte ich mich bei den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung recht herzlich bedanken, bei Frau Kobsch, bei Frau Meyer und bei Herrn Dr. Malessa. Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU, FDP und SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wir als CDU begrüßen sehr, dass der Abschlussbericht und die Handlungsempfehlungen im Konsens aller Fraktionen beschlossen werden konnten. Das ist ein starkes Signal an Handwerk und Mittelstand. Denn die Botschaft des Berichts ist eindeutig. Wir müssen die Anliegen des Handwerks und des Mittelstands in der Landespolitik ernster nehmen als bisher. Die CDU-Fraktion wird dies nach der Wahl im neuen Landtag mit aller Konsequenz einfordern. Der Bericht und die Empfehlungen sind eine Steilvorlage für die künftige Landesregierung. Es zeigt auf, wie Nordrhein-Westfalen durch eine entschlossene Politik für Handwerk, Mittelstand und Berufsbildung den Weg aus dem Tabellenende zurück an die Spitze der Bundesländer erreichen kann.

Wir setzen mit dem gemeinsam getragenen Bericht aus Nordrhein-Westfalen auch einen starken Impuls für den Bund, für das, was in Berlin an wirtschafts- und bildungspolitischer Rahmenbedingung gesetzt werden muss. Viele Beobachter aus Wissenschaft und Medien haben in den vergangenen Jahren darüber geklagt, dass Nordrhein-Westfalen einen zu geringen Gestaltungsanspruch in der Bundespolitik habe, und das völlig zu Recht, meine Damen und Herren. Denn die Landesregierung ist doch ziemlich abgetaucht, seitdem sie die Koordination der sogenannten A-Länder im Bundesrat freiwillig aus der Hand gegeben hat.

Mit dem Abschlussbericht geht nun zumindest vom Landtag und seinen Fraktionen ein starkes Signal in Richtung Berlin aus. Wir in Nordrhein-Westfalen wollen in Sachen Handwerkspolitik und Mittelstandspolitik auch bundespolitisch wieder mitgestalten. Wir nehmen deshalb auch die bundespolitischen Hinweise aus dem Bericht sehr ernst. Wir werden diese Ergebnisse in die dortige Arbeit einbringen. Die CDU-Fraktion steht als Partner bereit, um den Ab

schlussbericht Schritt für Schritt umzusetzen und daraus eine Agenda für den nächsten Landtag und die nächsten Landesregierungen zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines darf man allerdings bei allem Konsens nicht übersehen. Die noch amtierende Landesregierung hat in einigen wichtigen Fragen in den letzten Jahren Politik gegen und auf Kosten von Handwerk und Mittelstand gemacht. Man hat in der Kommission deutlich gemerkt, für wen Handwerkspolitik eine Herzensangelegenheit ist und wer sie nur – ich will das mal ein bisschen salopp sagen – als lästige Pflichtübung sieht.

Die rot-grüne Landesregierung hat in den vergangenen Jahren jedenfalls zu Genüge gezeigt, dass Handwerkspolitik für sie keine Herzenssache ist. Ich möchte das an einigen Beispielen darstellen: Nordrhein-Westfalen ist Höchststeuerland für Handwerk und Mittelstand. Die Gewerbesteuerhebesätze sind hier unter Rot-Grün höher und schneller gestiegen als in allen anderen Bundesländern. Die Grunderwerbssteuer wurde mehr als verdoppelt.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das belastet viele Betriebe und schadet der Baukonjunktur, vor allem dem privaten Wohnungsbau.

Die Hygieneampel ist ein Schlag ins Gesicht für viele Bäcker, Fleischer, Konditoren und Lebensmittelbetriebe, die nun von Bürokratie und Behördenwillkür überzogen werden.

Über das Tariftreue- und Vergabegesetz brauche ich ja heute hier nichts zu sagen.

(Zuruf von der SPD)

Beim LEP wurden wichtige Anliegen von Handwerk und Mittelstand, ich würde mal sagen, ein wenig ignoriert. Die Ansiedlung von Gewerbe oder die Erweiterung bestehender Standorte wird dadurch künftig noch schwerer. Die Landesregierung hat große Verunsicherung im Handwerk in Fragen der Gewerbeförderung verursacht. Das Land hat sich aus vielen landeseigenen Maßnahmen zurückgezogen und setzt immer mehr auf Kofinanzierung durch Bund und EU mit allen bürokratischen Konsequenzen, die das für die Finanzierung der Beratungsstrukturen und der Bildungsstätten des Handwerks bedeutet.

Das Land NRW liegt laut Bildungsmonitor des Instituts der Deutschen Wirtschaft auf Platz 16 aller Bundesländer in Sachen beruflicher Bildung, weil zu wenig Geld in die berufliche Bildung gesteckt wird und weil von den Berufskollegs zu viele Angebote in Konkurrenz zur dualen Ausbildung angeboten werden. Auch Lehrermangel und Unterrichtsausfall belasten die duale Ausbildung.

Diese Beispiele zeigen: Es kann in Nordrhein-Westfalen kein selbstzufriedenes „Weiter so“ in der Handwerks-, Mittelstands- sowie Bildungspolitik geben. Wir brauchen einen politischen Neuanfang für die

Handwerks- und Mittelstandspolitik. Dazu gehört zuallererst ein Bekenntnis, dass Nordrhein-Westfalen mehr wirtschaftliches Wachstum und bessere Bildungschancen braucht.