Protocol of the Session on December 15, 2016

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nur, dass Sie das hinterher diskutieren wollen!)

Ihre eingebrachten Vorschläge vereinfachen nicht das System. Das Gegenteil ist der Fall.

Wir werden diesen Antrag nicht nur deshalb ablehnen, sondern auch weil die Einladung, die gerade von Ihnen, Herr Körfges, von Ihnen, Frau Düker, ausgesprochen wurde, einfach nicht ehrlich ist. Wenn Sie es wirklich darauf angelegt hätten, hieraus eine gemeinsame Sache zu machen, dann hätten Sie uns vorher um Gespräche gebeten. Das haben Sie nicht. Das war – noch mal – übers Knie gebrochen. Deshalb kaufe ich Ihnen diese Nummer nicht ab, und auch deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Güler. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Stamp.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Körfges, Sie sprechen von einem Angebot an das ganze Parlament, und dann stellen Sie den Antrag zur di

rekten Abstimmung. Ich glaube, dass das Ganze eher ein Angebot an die „Rheinische Post“ war, indem die Kollegin Düker den Antrag samt persönlicher Mail an mich gleich an die „Rheinische Post“ weitergeleitet hat. Das ist doch sehr durchsichtig und soll Koalitionsspekulationen in Gang setzen. Wir haben darüber müde gelächelt. Das entspricht nicht der Ernsthaftigkeit, mit der man sich mit dem Thema „Einwanderung“ auseinandersetzen muss.

(Beifall von der CDU und der FDP – Beifall von Marc Olejak [PIRATEN])

Unser Ziel ist ein konsistentes Einwanderungsgesetzbuch. Ich bin erstaunt und freue mich, dass die CDU das jetzt auch so sieht.

(Serap Güler [CDU]: Auch?)

Dass es vor einem Jahr schon angestoßen worden sein soll, halte ich für eine Legende – vielleicht in der internen Diskussion, aber bis zu uns war das nicht vorgedrungen.

Ich darf an dieser Stelle aber auch sagen, Frau Kollegin Güler, es geht nicht nur darum, es so wie in Kanada zu machen, sondern qualifizierte Einwanderung kann auch unterschiedliche Facetten haben. Für uns spielt eine wesentliche Rolle, bei der BlueCard zu einer erheblichen Absenkung der Gehaltsgrenzen zu kommen, damit mehr qualifizierte Zuwanderung in andere Mangelberufe möglich ist, als das bisher der Fall ist. Gerade im Pflegebereich sind wir dringend darauf angewiesen. Denn die qualifizierte Einwanderung aus der EU wird dafür nicht mehr lange ausreichen. Wir wollen dieses System nicht allein durch ein Punktesystem ersetzen, sondern ergänzen.

Kollege

Dr. Stamp, würde Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer zulassen?

Ja, klar.

Bitte schön.

Danke schön, Herr Kollege. – Wenn wir jetzt sagen würden: „Wir werden den Antrag überweisen; unser Angebot ist ernst gemeint“, dann würden Sie diesen Weg in der Debatte mit uns gehen?

Wir würden der Überweisung zustimmen, Frau Kollegin.

(Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE] – Hans- Willi Körfges [SPD]: Wir sind gerne dazu be- reit, die positiven Signale aufzunehmen, Frau Güler! – Weitere Zurufe)

Sehr gut. Vielleicht hat die Adventsandacht heute

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Da waren wir doch ge- meinsam!)

da waren wir gemeinsam – die Herzen bewegt.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen aber gleich dazu, dass wir, wenn wir über ein gemeinsames Einwanderungsgesetzbuch sprechen, dort auch die Fragen der humanitären Einwanderung und des Flüchtlingsschutzes klären wollen. Sie wissen, wir haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht Ihre Zustimmung gefunden hat, aber der vom Landtag in Schleswig-Holstein mit großer Mehrheit beschlossen worden ist.

Von daher ist das, was wir vorgelegt haben, keine Luftnummer, sondern etwas, was Ihnen zu denken geben sollte. Wir wollen insgesamt einen eigenen Status für Kriegsflüchtlinge. Wir haben auch angeboten, dass es nicht zwingend ist, bei diesem Gesetzentwurf zu bleiben, sondern dass wir uns eine Weiterentwicklung vorstellen können.

Aber wir brauchen eine Unterscheidung zwischen Migranten, politisch Verfolgten und Kriegsflüchtlingen. Bei den Kriegsflüchtlingen muss in der Regel, wenn der vorübergehende humanitäre Schutz vorbei ist, die Rückkehr in die Heimat erfolgen. Aber gleichzeitig – deswegen ist die Möglichkeit wichtig, beide Systeme in Verbindung zu halten; das ist die Herausforderung – wollen wir, dass diejenigen, die als Flüchtlinge gekommen sind, auch die Möglichkeit des Rechtskreiswechsels haben, um sich nach dem Einwanderungsgesetz für das Bleiben in Deutschland zu bewerben.

(Beifall von der FDP)

Das Problem ist Folgendes – das muss man der Bundesregierung ankreiden –: Wir haben wieder nicht aus der Geschichte gelernt, die damals mit den Bosniern in den 90er-Jahren passiert ist. Teilweise fangen wir jetzt wieder an, integrierte Familien abzuschieben, während wir umgekehrt die Alleinreisenden aus dem Maghreb nicht loswerden. Das ist doch unglaublich – ein Versagen der Bundesregierung –, dass man aus den Entwicklungen, die wir damals miterlebt haben, immer noch keine Konsequenzen gezogen hat.

(Beifall von der FDP)

Die mangelnde Administration hier in NordrheinWestfalen wollen wir auch nicht vergessen.

Damit sind wir bei dem Thema „Rückführung“, das man, glaube ich, sehr unterschiedlich bewerten kann.

Ich habe gemerkt, mit welcher Leidenschaft dieses Thema zum Teil angesprochen worden ist – vielleicht auch von dem einen oder anderen Kollegen den Pi

raten gegenüber mit Verachtung. Ich kann Ihre Leidenschaft nachvollziehen. Aber ich glaube, es ist auch legitim, zu einer anderen Bewertung zu kommen.

Ich habe ein langes Gespräch mit dem afghanischen Botschafter gehabt, und ich habe mich auch ein bisschen mit der dortigen Stammeskultur auseinandergesetzt. Es gibt Bereiche in Afghanistan, die nach meiner Auffassung eine Rückführung zulassen. Man kann das anders bewerten; aber ich bin dieser Auffassung.

Vor allem bin ich auch der Meinung, wir müssen auch sehen, dass es sehr viele alleinreisende Männer aus diesen Gebieten gibt, für die kein besonderer Schutz gilt, wie etwa für Kinder oder für Schwangere – eine gesonderte Situation. Ich trete dafür ein, dass wir die dort beim Aufbau des Landes unterstützen müssen.

Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe, was die Fluchtbewegung international angeht. Mit drei Oppositionspolitikern waren wir mit der evangelischen Kirche in Marokko. Wir haben die Situation derer gesehen, die dort aus der Subsahara anlanden. Das ist ein Thema für sich. Ich habe in meinem Leben so ein Elend noch nie gesehen; es ist erschütternd. Aber viele sitzen dort auf „gepackten Koffern“, obwohl sie keine Koffer haben, sondern nur das nackte Leben.

Wir müssen dafür sorgen, dass sich in diesen Ländern vor Ort substanziell etwas verändert – nicht nur in Sonntagsreden, sondern in der Realität. Dafür wird Deutschland, dafür wird die EU Milliarden ausgeben müssen, weil es sonst einen Treck nach Europa geben wird, gegen den 2015 ein Klacks war. Das ist die große Herausforderung, der wir uns stellen müssen, Länder wie Afghanistan, Bangladesch oder die afrikanischen Länder zu stabilisieren und zu versuchen, vor Ort zu helfen. Das ist die ganz große Herausforderung, die ich persönlich mir bei der Europäischen Union ganz oben auf der Tagesordnung wünschen würde. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Brand.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Zu diesem Einwanderungsgesetz: Herr Körfges, der Bund legt etwas vor, von Kampagnen flankiert und dann muss man das Ganze als Land schnell flankierend begleiten. Und so ist dieses Einwanderungsgesetz entstanden – mit heißer Nadel gestrickt.

Frau Düker, Sie sagen, es sei total wichtig, diesen Switch, die Möglichkeit zu haben, vom Asylverfahren zum Einwanderungsrecht zu wechseln. Herr Stamp

hat wohl gerade auch betont, wie wichtig das ist. Aber das steht in diesem Einwanderungsgesetz leider nicht drin.

Frau Güler, sie erzählen einen Witz über das kanadische Punktesystem. Da frage ich mich, warum Sie jahrelang wollten, dass der Integrationsausschuss nach Kanada reist, um sich das tolle Punktesystem anzugucken. Es scheint ja doch nicht so toll zu sein.

Wir Piraten sprechen uns für ein modernes Einwanderungsrecht aus. Entscheidend dabei ist eben, was ich gerade sagte, die Übergangsmöglichkeit vom Asylrecht in ein Einwanderungsrecht zu schaffen. Entscheidend ist auch, dass sich die Auswahlkriterien nicht ausschließlich auf den Arbeitsmarkt konzentrieren. Darüber hinaus muss die Aufenthaltserlaubnis für mindestens sieben Jahre erteilt werden. Wir brauchen für diese Menschen eine Perspektive und eine dauerhafte gesellschaftliche Teilhabe.

Dieses Modell der anderen Parteien ist keine Antwort auf die großen Herausforderungen. Die selbstgewählten Ziele des Entwurfs – die Gewinnung von Fachkräften und die Entlastung des Asylsystems – können mit dem vorliegenden Antrag nicht erreicht werden. Ich möchte Ihnen das gerne anhand von drei Beispielen erläutern.

Erstens. Stichwort „Fachkräfte“: Mit dem Punktesystem kann der Fachkräftebedarf nicht gedeckt werden. Das Punktesystem funktioniert nicht; denn damit hätten ausschließlich Menschen, die bereits einen unterschriebenen Arbeitsvertrag vorlegen, eine Chance, ausgewählt zu werden. Selbst wenn man perfekt Deutsch spricht, einen Doktortitel hat und unter 39 Jahre alt ist, muss man zusätzlich noch mindestens neun Monate ehrenamtlich in Deutschland tätig gewesen sein. Was für ein Irrsinn! Wer kann denn diese Anforderungen erfüllen? Diese Menschen kann man an einer Hand abzählen, und damit lässt sich der Fachkräftebedarf eben nicht decken. Wir machen das deshalb so nicht mit.

Zweitens. Stichwort „Vorrangprüfung“: Nehmen wir an, dass ein einwanderungswilliger IT-Spezialist aus Indien – so steht es in dem Arbeitspapier des Bundes – bereits einen Arbeitsvertrag hat; denn nur dann hat er Chancen auf die geforderte Punktezahl. Dennoch kann es sein, dass geprüft wird, ob nicht doch ein Deutscher eingestellt werden kann. Sprich: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind sich einig, aber die Politik sagt: Nein, da muss ein anderer eingestellt werden. – Was für ein kompletter Unsinn!

Drittens. Stichwort „Entlastung des Asylsystems“: Das Einwanderungsgesetz wird von den anderen Parteien immer wieder als Allheilmittel zur Lösung der Krise des Asylsystems missbraucht. Sie versprechen, dass mit einem Einwanderungsgesetz automatisch weniger Flüchtlinge kommen. Sie sagen: Nur, wenn es legale Einwanderungsalternativen gibt, können Menschen davon abgehalten werden, eine

lebensgefährliche Flucht zu starten. – Welche Alternative bieten Sie aber an? Ihr vorgelegtes Punktesystem ist quasi der Status quo, den wir jetzt haben, nur in andere schöne Worte gefasst.

Meine Damen und Herren, zunächst müssen wir schauen, wer alles zu uns gekommen ist. Es sind viele Fachkräfte nach Deutschland geflüchtet. Daher ist es doch ein pragmatischer Vorschlag, Übergangsmöglichkeiten aus dem Asylrecht in das Einwanderungsrecht zu schaffen. Niedersachsen – das ist übrigens irgendetwas mit SPD – hat das zum Beispiel in einer Bundesratsinitiative bereits gefordert. Dort steht:

„… für spezielle Bereiche einen Aufenthaltszweckwechsel („Spurwechsel“) zuzulassen.“

Das ist doch ein einmal ein guter Vorschlag gewesen. Wir müssen doch die Menschen, die schon hier sind, berücksichtigen und nicht nur diejenigen, die ab morgen kommen. Was ist aus diesem guten Vorschlag geworden? Er hat sich offenbar in Luft aufgelöst.