Protocol of the Session on December 2, 2016

Meine Damen und Herren, ein anderer Aspekt ist dabei die Frage nach der Regressierung. In dem Moment, in dem Unterhaltsvorschussleistungen gezahlt werden, die eigentlich der Unterhaltspflichtige zu zahlen hätte, gehen diese Ansprüche auf denjenigen über, der zahlt. Das bedeutet, dass man zusehen muss, mehr Geld davon zurückzuholen. Die Quoten

liegen, unterschiedlich in den jeweiligen Gebietskörperschaften, in der Regel zwischen 20 und 30 %, wobei Bayern diesbezüglich auch wieder vorne liegt, weil sie dort sehr eng mit den Finanzbehörden zusammenarbeiten.

Deshalb sagen wir in einem Part unseres Antrages, dass wir zu einer verbesserten Zusammenarbeit kommen müssen. Als jemand, der damals selber Unterhaltsvorschussleistungen für Kommunen eingeklagt hat, kann ich Ihnen sagen: Darin liegt auch ein ganz großes Potenzial, weil oft einfach das Problem besteht, festzustellen, über welches Einkommen der Unterhaltspflichtige überhaupt verfügt. – Wenn man zu einer vernünftigen Zusammenarbeit käme, zum Beispiel mit den Finanzverwaltungen, hätte man ganz andere Rückgriffsmöglichkeiten.

Ich habe nicht mehr viel Redezeit, deshalb komme ich zum Schluss. Es besteht heute die Situation, dass unser Antrag zumindest in den Ausschuss geht. Wir werden ihn dort noch intensiv diskutieren können.

Es gibt allerdings auch noch einen Antrag der FDP, der gleich vorgestellt werden wird. Dazu werden wir uns enthalten, weil er sich im Wesentlichen auf die Frage bezieht, wie mit dem Gesetzesvorhaben umgegangen werden soll. Sie wissen, dass unsere Bundestagsfraktion den Gesetzentwurf erst einmal angehalten hat, um noch die Frage der Kostendeckung und Kommunalbeteiligung zu klären.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Ihre? Unsere!)

Von daher sehen wir nicht den Bedarf, es heute abzulehnen.

Dann gibt es noch einen Entschließungsantrag der Piraten. Dazu würden wir klar sagen, dass wir ihn ablehnen, weil wir natürlich die Maßnahme des Unterhaltsvorschusses für richtig halten, die Ausgestaltung aber noch diskutiert werden muss. Das machen wir im weiteren Verfahren. Daran können Sie sich beteiligen. Deshalb macht es heute keinen Sinn, ihn anzunehmen.

Ich darf mich entschuldigen, dass ich gleich nicht mehr da bin und der weiteren Diskussion nicht mehr folgen kann, weil ich noch eine Besuchergruppe habe. Ich bitte das zu entschuldigen. Ich werde es aber im Livestream nachher nachvollziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Nettelstroth. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Höne.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass unseres Antrags und der Debatte am heutigen Tag sind

die Änderungen beim Unterhaltsvorschussgesetz, auf die sich die Regierungschefs der Länder und der Bund im Oktober geeinigt haben. Es geht um die Aufhebung der derzeit gültigen Altersgrenze von zwölf Jahren, und es geht um die Aufhebung der derzeit bestehenden Befristung auf 72 Monate.

Das sind für sich genommen begrüßenswerte Maßnahmen und gute Ziele – das will ich gleich zu Beginn ganz deutlich sagen. Man muss sich aber die Frage stellen, was das konkret für Nordrhein-Westfalen bedeutet. Nach aktuellen Berechnungen des Landkreistages Nordrhein-Westfalen geht dieser mindestens von einer Verdopplung der Fallzahlen aus, was bei vorsichtiger Betrachtung zu zusätzlichen Kosten der kommunalen Seite im dreistelligen Millionenbereich führt.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Gesetz geplant am 1. Januar 2017 in Kraft treten soll. Dazu erklärte für die Bundesregierung – in diesem Fall Bundesfamilienministerin Schwesig – gegenüber dpa am 24. November:

„Bundesfamilienministerin Schwesig hält noch in diesem Jahr eine Einigung über einen verbesserten Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende für möglich. Dazu müsse mit den Ländern und den Kommunen zügig weiter verhandelt werden …“.

Wenn es dazu käme, bliebe den Kommunen also nicht einmal ein Monat Zeit, um die Verwaltungen auf die Auswirkungen vorzubereiten.

Unterm Strich, liebe Kolleginnen und Kollegen, käme die Änderung in der aktuell geplanten Form nur einem Akteur zugute: dem Bund. Vor allem die Kommunen ziehen hier mal wieder den Kürzeren. Darum warnen wir auch vor dem administrativen Kollaps in den Kommunalverwaltungen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Heimatkreis Coesfeld, wo der Landrat Dr. Schulze Pellengahr von einem mindestens doppelt so hohen Personalbedarf in diesem Bereich ausgeht. Er weist völlig zu Recht, wie ich meine, darauf hin, dass es wohl kaum gelingen wird, in so kurzer Zeit das Personal zu gewinnen, rechtzeitig einzuarbeiten und die räumlichen und technischen Voraussetzung zu schaffen. Er schreibt an die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Coesfeld – ich zitiere –: Eine halbwegs bürgerfreundliche und rechtlich vertretbare Umsetzung so kurzfristiger und weitreichender Änderungen ist weder personell noch organisatorisch machbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Kostenauswirkungen auf die Kommunen habe ich einiges gesagt – auch der Vorredner Kollege Nettelstroth hat darauf hingewiesen. Ich will noch einmal die Doppelbürokratie, die wir in diesem Bereich haben, erwähnen. Der Bundesrechnungshof hat sich damit ja auch schon näher auseinandergesetzt.

Wir meinen, dass das Land Nordrhein-Westfalen sich gegen die jetzigen Pläne stellen muss, dass es das schnellstmöglich tun muss, dass es um eine zeitliche Verschiebung der Maßnahmen gehen muss und die dadurch gewonnene Zeit genutzt werden muss, um neu über die Kostenverteilung zu sprechen und so dem Konnexitätsprinzip auch wirklich Geltung zu verschaffen. Es kann nicht sein, dass der Bund hier eine Maßnahme beschließt, die nach Berechnungen den Bundeshaushalt in Höhe von 690 Millionen € entlastet und die Länder um fast 800 Millionen € belastet. Ein großer Teil – Nordrhein-Westfalens steht dabei leider an der Spitze – der Kosten, die im Land anfallen, würden dann an die Kommunen weitergeleitet. Das lässt die vom Bund zugesagten 5 Milliarden € Entlastung für die Kommunen in einem ganz neuen Licht erscheinen. Man würde mal eben ein ordentliches Stück von diesem Kuchen von vornherein wieder herausziehen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Wir bitten Sie darum ganz herzlich, unserem Antrag zuzustimmen, und bitten die Landesregierung, sich im Bundesrat und auf der Bundesebene dafür einzusetzen, dass diese Maßnahme, die inhaltlich zu begrüßen ist, nicht dazu führt, dass sich der Bund massiv selbst entlastet und die Länder und damit auch die Kommunen massiv belastet werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Höne. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kämmerling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum besteht beim Unterhaltsvorschussgesetz eigentlich ein Änderungsbedarf? In der Bundesrepublik gibt es 1,9 Millionen alleinerziehende Eltern mit etwa 2,3 Millionen Kindern. 90 % der Alleinerziehenden sind Mütter. Die Leistung von Alleinerziehenden für ihre Kinder und für unsere Gesellschaft ist enorm. Sie verdient unseren Respekt und unser Gehör.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Obschon oftmals gut ausgebildet und erwerbstätig, liegt ihr Armutsrisiko und das ihrer Kinder weit über dem von Paarfamilien. Ganz oft arbeiten diese Elternteile in Teilzeit, um ihre Kinderbetreuung und den Broterwerb unter einen Hut zu bringen. Die Situation verschärft sich, wenn ein Elternteil keinen Unterhalt zahlt. In Deutschland gilt das für sage und schreibe rund 50 % der Fälle.

Bis heute ist es so, dass Kinder nur bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres einen Anspruch auf

Unterhaltsvorschuss haben. Dieser Unterhaltsvorschuss ist auf maximal 72 Monate begrenzt. Beide Grenzen sind willkürlich, und ich sage ganz klar: Sie gehören abgeschafft, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Genau hier setzt der Gesetzentwurf von Frau Ministerin Schwesig an, zu dem ich zusammengefasst sagen will: Danke für eine Initiative, die das Potenzial hat, die Chancen von Alleinerziehenden und deren Kindern endlich ein Stückchen gerechter zu gestalten. Die Einführung zum 1. Januar 2017 – das haben unsere Gespräche mit Vertretern der kommunalen Familie und der Spitzenverbände gezeigt – ist jedoch überambitioniert. Weder angepasste Verwaltungsabläufe noch ein notwendiger Personalaufwuchs lassen sich in der verbleibenden Zeit darstellen.

Zum Zeitplan und zur Finanzierung überhaupt. Die beiden hier heute vorgelegten Anträge von CDU und FDP bewundern zwar das Problem, lösen es aber auch nicht. Einige Aspekte der Rede von Herrn Höne, was die Verantwortung des Bundes betrifft, teile ich allerdings ganz ausdrücklich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wollen wir die Sache weiter gemeinsam seriös diskutieren – und ich unterstelle, dass wir alle das wollen –, dann müssen wir einen weiteren Player ins Auge fassen, nämlich den Bundesminister der Finanzen. Derzeit trägt der Bund 33,3 %, und die Länder tragen 66,6 % der Kosten. Rund 87 % der unterhaltsvorschussberechtigten Kinder leben aber in Bedarfsgemeinschaften mit SGB-II-Anspruch.

Was bedeutet das in der Praxis? Die Familie geht zum Jobcenter und beantragt SGB-II-Leistungen. Das Jobcenter kann dann gar nicht anders: Es verweist auf die Vorrangigkeit des Unterhaltsvorschusses und schickt die Familie zur Kommune. Die Kommune bewilligt Unterhaltsvorschuss, überweist den Betrag ans Jobcenter, und dieses sackt den Unterhaltsvorschuss ein, vermindert die SGB-II-Zahlung um diesen Betrag und zahlt dann an die Familie aus. Wird der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss also ausgeweitet, profitiert der Bund aufgrund der Vorrangigkeit vor den SGB-II-Leistungen, und die Länder und ihre Kommunen sind die Blöden.

Seriöse Schätzungen gehen von einer Einsparung im Bundeshaushalt von rund 700 Millionen € aus. Der Bund selber kalkuliert die Mehrkosten für die Länder auf 790 Millionen €. Einige Länder, die selber gerechnet haben, kalkulieren die Mehrkosten auf Länderseite mit 1,2 bis 1,6 Milliarden €. Für die Kommunen in NRW sind alleine im Personalbereich Mehrkosten von rund 40 Millionen € zu befürchten.

Wir können darum nur gemeinsam hoffen, dass die Position des christdemokratisch geführten Bundesministeriums für Finanzen nicht abschließend ist.

Das Land und Nordrhein-Westfalens kommunale Familie dürfen nicht Opfer des Spardiktats von Herrn Schäuble werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie uns bitte gemeinsam dafür einsetzen, dass dieser diskutierte und sinnvolle Gesetzentwurf und die Familien, für die er gemacht wurde, nicht das Opfer einer restriktiven bundespolitischen Sparpolitik von vorgestern werden! Ich setze auf die Ministerpräsidentenkonferenz am 8. Dezember 2016 und darauf, dass im Bundesfinanzministerium die Einsicht einkehrt, dass dieses so sinnvolle Vorhaben unserer Bundesfamilienministerin nicht umsonst zu haben ist. Wir alle gemeinsam sind das den Alleinerziehenden, ihren Kindern und deren Leistungen schuldig. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kämmerling. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Asch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Herrn Kämmerling dankbar, dass er, nachdem die Opposition gesprochen hat, noch einmal deutlich gemacht hat, worum es hier eigentlich geht. Es geht um eine sozialpolitische Aufgabe. Es geht um die Situation, dass sich 82 % der Unterhaltspflichtigen in Deutschland ihrer Pflicht entziehen, finanziell für ihre Kinder aufzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es sind – wen wundert es – in der Regel die Väter, die ihrer Verantwortung ihren Kindern gegenüber nicht nachkommen. Die Zahlen belegen das: 80 bis 90 % der unterhaltspflichtigen Väter machen sich schlicht vom Acker. Hier spiegelt sich natürlich auch, dass es überwiegend die Frauen sind, die sich nach einer Trennung, nach einer Scheidung um die Erziehung der Kinder kümmern. Das bedeutet in der Folge oftmals Armut für sie und ihre Kinder. Wir wissen, dass die alleinerziehenden Frauen mit 40 % die am stärksten von Armut bedrohte Bevölkerungsgruppe in Deutschland sind. Deshalb ist es richtig und sozialpolitisch notwendig, hier zu einer Lösung zu kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn an dieser Armutsproblematik ändert auch der Unterhaltsvorschuss – das ist das, mit dem der Staat einspringt, wenn in der Regel die Väter nicht zahlen wollen – im Moment wenig.

Finanziert werden nur 72 Monate, bezahlt wird höchstens bis zum 12. Lebensjahr. Da die Zahlungsmoral der Väter ab dem 12. Lebensjahr der Kinder

auch nicht zunimmt, ist es dringend notwendig, hier den Unterhaltsvorschuss auszuweiten. Deshalb begrüßen wir als Koalition – Herr Kämmerling hat es eben gesagt – ausdrücklich die Initiative der Bundesministerin Frau Schwesig. Für Nordrhein-Westfalen hat die Ministerpräsidentin Frau Kraft diese Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ausdrücklich unterstützt.

Natürlich ist es richtig, dass wir neben dieser sozialpolitischen Aufgabe auch die finanziellen Interessen von Ländern und Kommunen im Auge haben müssen. Momentan finden zu diesem Gesetz Verhandlungen statt zwischen Bund und Ländern. Das sollte übrigens die CDU-Fraktion wissen, von der man ja erwarten könnte, dass sie auch hin und wieder mit ihrer Bundestagsfraktion spricht. Da zeichnet sich offenbar – wenn man das schon so sagen kann – ab, dass die neue Regelung nicht schon zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt.