Protocol of the Session on December 2, 2016

Genau in diesen Fällen und aus den anfangs genannten Gründen muss es eine Regelung geben, die zwischen Persönlichkeitsrechten, Gläubigeransprüchen und eventuellen Kosten gut abwägt und alle Parteien gut informiert. Vorschläge haben wir gemacht. Eine Vorlage bietet die Schweiz. Dazu kommen wir auch gerne mit dem Bankenverband und dem Sparkassen- und Giroverband ins Gespräch.

Der Ball geht nun mit der Zustimmung dieses Hauses an die Landesregierung, die sicherlich das Beste daraus machen wird. Da haben wir keine Bedenken. Herr Witzel, Sie sicherlich auch nicht – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die CDU-Fraktion spricht Dr. Optendrenk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nichts in dieser Welt ist sicher, außer dem Tod und den Steuern. Dieser Satz stammt von Benjamin Franklin. Obwohl der Satz über 200 Jahre alt ist, passt er ganz gut zu dem aktuellen Antrag der Koalitionsfraktionen.

(Zuruf von der SPD)

Mit dem Antrag soll nämlich der Eindruck erweckt werden, als wolle die Landesregierung tatsächlich Erben zu ihrem berechtigten Erbe verhelfen. Wenn es tatsächlich um diese Erben gehen würde, wie

meine beiden Vorredner das dargestellt haben, wäre das in der Tat sehr zu begrüßen. Dagegen spricht allerdings schon die Zuordnung der Zuständigkeit. Denn offensichtlich ist in der Landesregierung nicht der Verbraucherschutzminister, sondern der Finanzminister federführend. An der Stelle muss man zumindest schon mal zum Nachdenken kommen.

Diese „nachrichtenlosen Konten“ – in Anführungszeichen – haben einen regelrechten Wettlauf ausgelöst, wer denn die höchste Zahl des vererbbaren, aber vermeintlich unauffindbaren Vermögens bieten kann. Das wirkt fast wie samstagsabends bei der Ziehung der Lottozahlen.

In Baden-Württemberg ging die grüne Finanzministerin ursprünglich von 16 Millionen € aus, die auf solchen Konten schlummern sollen. Bundesweit wären das, wenn man es nach der Bevölkerung hochrechnet, 125 Millionen €. Das hat im Sommer auch den NRW-Finanzminister aufhorchen lassen, der zwischenzeitlich 2 Milliarden € auf solchen Konten vermutete. Vielleicht war er sogar noch früher dran; jedenfalls habe ich die Zahl von 2 Milliarden € in Ihren Pressemitteilungen gefunden.

Dann gibt es diesen sehr großen Fachverband aus neun Firmen, die eben zitiert worden sind und 10 bis 30 % dessen, was sie da finden, einsacken – ein ganz toller Laden, der sogar von 9 Milliarden € spricht. Mit 10 bis 30 % davon wären wir alle saniert – wunderbar. Dieser Verband hat also das 70-fache dessen ausgerechnet, was Frau Sitzmann aus Baden-Württemberg errechnet hat. Es kann nicht mehr werden.

Und das weckt Begehrlichkeiten, offensichtlich auch in der zuständigen Fachabteilung des Finanzministeriums, das für Fiskalerbschaften zuständig ist. Das verwundert nicht, wenn man sieht, dass wir in der Haushaltsplanung des Landes – jedenfalls in der mittelfristigen Finanzplanung – Loch an Loch reihen, und das ist das Verbindungsstück überhaupt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie begeben sich auch noch unter die Verschwörungstheoretiker! Das ist unfassbar!)

Herr Minister, ich verstehe, dass Sie auch im Sinne Ihres Haushalts Witterung aufgenommen haben. Aber dann heißt das Thema eben nicht „Verbraucherschutz und Erben ermitteln“, sondern es heißt: So lange ermitteln, bis sich herausstellt, dass man doch eine Fiskalerbschaft machen kann. Denn die Gelder aus diesen nachrichtenlosen Konten müssen irgendwohin.

Das Ziel, Erben zu ihrem Erbe zu verhelfen, wäre richtig. Aber ich fürchte, das ist nicht das wirkliche Motiv. Jedenfalls kann man ahnen, dass der rotgrüne Weg am Schluss direkt zum Fiskus führen soll. Dann gilt: Nichts ist so sicher wie der Tod und die

Steuern. – In diesem Fall beträgt die Steuer- und Abgabenlast 100 % dieser Konten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zim- keit [SPD])

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die FDP-Fraktion spricht Kollege Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Antrag beschreibt ein Problem, das gelegentlich vorkommt: Private Erben zweifeln an der Vollständigkeit eines Nachlasses. Sie haben Auskunftsbedarf gegenüber Banken, Versicherungen oder anderen potenziellen Vertragspartnern.

Damit wird häufiger auch die Annahme verbunden, Banken würden sich nach Todesfällen Vermögensmassen einverleiben. Jedenfalls kennt die Landesregierung diesen Vorwurf nur allzu gut. Denn im Zuge der WestLB-Abwicklung ist genau dieser Vorwurf von vermögenden Privatkunden

(Zuruf von der SPD: Keine Rede ohne WestLB!)

das sollte Sie interessieren, Herr Kollege – ausdrücklich erhoben worden, wie auch aus der Presseberichterstattung mit der Anschuldigung verlorener Konten bei der WestLB bekannt ist.

Der Finanzminister hatte dafür seinerzeit nur ein Achselzucken übrig und verwies auf bankinterne Recherchewege.

Ich finde das sehr instruktiv, was im Plenarprotokoll zur diesbezüglichen Fragestunde am 19. Dezember 2013, beantragt von der FDP-Landtagsfraktion, mit dem Titel „Verdacht auf Steuerhinterziehung, schwarze Kassen und fehlende Millionenvermögen bei der WestLB – Was unternimmt die Portigon AG zur Auffindung von mehreren einhundert untergegangenen Konten sowie Aufklärung der dahinterstehenden Sachverhalte?“ steht.

Der Finanzminister persönlich antwortet, nachlesbar im Plenarprotokoll 16/47 – ich zitiere –:

„In der Zeit, in der die Bank Privatkundengeschäft betrieben hat, gehörte es zum Tagesgeschäft, Fragen von Kunden oder deren Hinterbliebenen zum Inhalt der Geschäftsbeziehungen auch zu beantworten.

Im Übrigen sind die Verbände der Kreditwirtschaft zentrale Ansprechpartner, wenn in einem Erbfall die Hinterbliebenen auf der Suche nach Konten des Erblassers sind. Die Verbände leiten derartige Nachfragen an ihre Mitgliedsinstitute weiter.

Vor diesem Hintergrund wird auch die Portigon AG heute noch sporadisch vom Bundesverband öffentlicher Banken – VÖB – angesprochen. Die Portigon prüft derartige Vorgänge und gibt den betroffenen Angehörigen eine Rückmeldung.“

Damit, Herr Finanzminister, war die Veranstaltung für Sie erledigt.

Dieses Vorgehen öffentlicher Kreditinstitute gilt natürlich auch für genossenschaftliche und private Anbieter. Es gibt dort einen Suchservice, der von Auskunftsberechtigten in Anspruch genommen werden kann.

Vor einer Neuregelung des Gesetzgebers, der für eine vierstellige Anzahl von Kreditinstituten mit großem administrativen Aufwand verbunden ist, sollte daher der Bedarf für eine generell und strukturell neue Regelung hinreichend belegt sein.

Doppelstrukturen sind jedenfalls ineffizient und verteuern die Bankentgelte, und das, obwohl ohnehin in der momentanen Zeit im Hinblick auf die Negativzinsphase, auf die immer mehr regulatorischen Anforderungen gerade auch von EU-Ebene oder die neue Immobilienkreditrichtlinie vieles nicht zum Besten bestellt ist.

Die jahrzehntelange kostenfreie Verwahrung von unbewegten Kleinstguthaben ist aus unserer Sicht auch nur fraglicher Wettbewerbsvorteil für bestimmte Kreditinstitute in der Negativzinsphase. Der Vergleich der Antragstellen mit der Schweiz hinkt ebenfalls. Denn dort gibt es ein Zentralregister, da es keine Suchstellen der einzelnen Institutsgruppen, aber eben auch keine Doppelstrukturen gibt.

Dem Finanzminister geht es offenbar um den netten Nebeneffekt von Fiskalerbschaften,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass nicht der Finanzminister An- tragsteller ist, oder überfordert Sie das, festzu- stellen?)

wenn rechtmäßige Kontoinhaber, Herr Kollege, nicht zu ermitteln sind. Nicht unkritisch zu sehen ist dies, wenn – bedingt durch Umzug – nicht direkt auffindbare Kontoinhaber noch leben, sich aber erst später melden. Das kann hohe Kosten der Rückabwicklung für den Staat bedeuten. In diesen Fällen wäre eine staatliche Vereinnahmung auch nicht unproblematisch.

Steuerrechtliche Regelungen wie die Deaktivierung von Verbindlichkeiten bei seit Jahrzehnten unbewegten Konten sind nicht identisch mit der zivilrechtlichen Handhabung von Ansprüchen. Wir brauchen daher eine gründliche Betrachtung dieses Feldes, und nicht automatisch die Schaffung von Doppelstrukturen.

Wir sagen deshalb: Wenn es Ihnen bei dem, was Sie hier an Dialog mit den Verbänden in Aussicht gestellt haben, um eine sachgerechte, vernünftige Debatte

geht, dann dürfen Sie diesen Antrag nicht zur direkten Abstimmung stellen, sondern Sie müssten bereit sein, dass wir uns im Rahmen einer Debatte im Haushalts- und Finanzausschuss dieser Problematik widmen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Diese Bereitschaft besteht bei Ihnen offenbar nicht. Vor diesem Hintergrund können wir diesen Schnellschuss heute nur ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Witzel. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Kern.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Bei der Lektüre dieses rotgrünen Antrages begann ich mit der Übersicht der Beschlusspunkte, und ich verstehe die Intention Ihres Antrages. Dann hört mein Verständnis für Sie aber auch schon auf, denn die richtige Intention rechtfertigt nicht den unfassbaren Unsinn, den die antragstellenden regierungstragenden Fraktionen in ihrem Sachverhaltsteil vorausschicken.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Weitere Zu- rufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Zimkeit, sehr geehrter Herr Abel, sehr geehrte Frau Zentis, so einfach, wie es Herr Kämmerling gerade behauptet hat, scheint es doch nicht zu sein. Ich zitiere aus dem Feststellungsteil Ihres Antrages unter Ziffer II.:

„Eine faktische oder gar rechtliche Vereinnahmung der Guthaben durch die Banken ist weder im Sinne der Betroffenen, noch der Allgemeinheit: Die Guthaben werden dem Wirtschaftskreislauf entzogen, Wertschöpfung wird verhindert.“

Moralisch bin ich bei der ersten Hälfte Ihrer Ausführung durchaus bei Ihnen. Wenn aber die gesammelte volkswirtschaftliche Kompetenz Ihrer Fraktionen ist: „Guthaben werden dem Wirtschaftskreislauf entzogen, Wertschöpfung wird verhindert“, dann packe ich mir nur noch an den Kopf.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN – Zu- ruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Da haben selbst die Verschwörungstheorien im Gelben Forum mehr Niveau.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])