ein Schattendasein in Deutschland. Dies soll sich jetzt ändern. Deshalb bitten wir die Landesregierung, gemeinsam mit dem Bund eine finanzielle Unterstützung für Stalag 326 in Stukenbrock zu prüfen.
Insgesamt wird die finanzielle Absicherung der nordrhein-westfälischen Dokumentations- und Gedenkstätten durch die Förderung vonseiten der Landeszentrale für politische Bildung, durch kommunale Mittel und insbesondere dank privaten Engagements gesichert. Wir begrüßen, dass es gelungen ist, im laufenden Haushaltsjahr erneut die Haushaltsansätze zur Sicherung der Gedenkstättenarbeit zu erhöhen und diese Höhe auch für das kommende Jahr abzusichern.
Insbesondere die ehrenamtlich Engagierten tragen dazu bei, dass wir und künftige Generationen das Geschehen der Vergangenheit kennen oder kennenlernen. Diese Kenntnis ist uns in der Gegenwart Mahnung und Aufforderung zugleich, gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung aufzustehen und dafür zu sorgen, dass NRW auch in Zukunft ein Land der Toleranz, der Vielfalt und des Gemeinsinns bleibt.
Noch ganz kurz zum Entschließungsantrag der CDU: Wir möchten uns mit unserem Antrag ganz bewusst thematisch auf die beschriebenen Gedenkstätten beschränken. Der Gruppe der Vertriebenen hat sich der Landtag in den letzten Monaten sehr intensiv gewidmet, zuletzt im Zusammenhang mit dem Antrag Drucksache 16/3443.
Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit diesem Antrag aus meiner Sicht einen wichtigen Punkt gesetzt. Wir können ihn heute gemeinsam über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschließen, glaube ich; denn es ist kein politisches Streitthema, dass wir die Erinnerungskultur würdigen wollen und dass wir unsere NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in Nordrhein-Westfalen als herausragende Partner insbesondere für die Bildungspolitik ansehen.
Sie wissen, dass sich die Kultusministerkonferenz im Jahr 2014 unter der Präsidentschaft unserer Schulministerin Sylvia Löhrmann in Nordrhein-Westfalen
und auch im Bund sehr engagiert mit diesem Thema befasst hat. Es gibt auch einen Beschluss, der hervorhebt, wie wichtig diese Kooperation ist.
Das Konzept „Erinnern für die Zukunft“ ist aus meiner Sicht wegweisend für die Verbindung von jungen Menschen und alten Geschichten. Diese alten Geschichten gehen natürlich allmählich verloren. Die Hauptaufgabe der Erinnerungsstätten besteht darin, die Erinnerungen lebendig zu halten, obwohl man irgendwann nicht mehr auf Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zurückgreifen kann, weil diese nach und nach aussterben. Genauso wandert die Vergangenheit immer weiter hinter uns zurück, und wir müssen uns Mühe geben, zu erinnern, was sich vor 70 oder 80 Jahren in diesem Land und in Europa zugetragen hat.
Zur Erinnerungskultur gehört deswegen ein umfassendes Bildungsangebot. Deshalb ist es auch richtig, dass wir seit 2010 diese Maßnahmen in der Landeszentrale für politische Bildung bündeln. Es ist gut, dass hier nach der Neukonzeptionierung dieser Arbeit 2013 nach und nach immer mehr die Unterstützung des Landtags und der Landesregierung erfolgt ist.
Wir könnten die Anstrengungen in diese Richtung noch verstärken. In dem Antrag haben wir einige wichtige Punkte angesprochen. Die Kollegin MüllerWitt hat die wesentlichen Punkte gerade richtig aufgezählt. Ich will sie nicht alle wiederholen.
Ein Punkt ist uns wichtig. Wir müssen nämlich darauf achten, dass sich in einer zunehmend von Menschen mit Migrationsvordergrund erfüllten Gesellschaft trotzdem alle an das erinnern, was hier für uns alle gemeinsam prägend war. Deshalb gehört zu dieser Arbeit eben auch, dass man die Menschen, die aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen, in das einbindet, was wir für uns als Geschichtsverpflichtung empfinden und aus dem wir unsere demokratischen Traditionen und Kulturen erlernt, weiterentwickelt und neu entwickelt haben.
Daher ist es so wichtig, dass wir „Erinnern für die Zukunft“ sagen; denn damit ist gemeint, dass man aus dem Geschehen, das man in der Geschichte erfahren musste, auch wirklich Schlüsse und Lehren zieht.
Das alles passiert in den 26 NS-Gedenkstätten oder Erinnerungsorten in Nordrhein-Westfalen auf vorbildliche Weise. Es ist erstklassiges bürgerschaftliches Engagement. Das meiste ist ja lokal in den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als Ausdruck dessen entstanden, dass man sich diese Geschichte vergegenwärtigen will und soll.
Als Landtag sind wir aufgefordert, diese Arbeit weiterhin verstärkt zu unterstützen. Wir tun das im Wesentlichen durch Projektfördermittel. Auch hier kann
ich mir auf Sicht noch weitere Verstärkungen vorstellen. Dagegen gibt es in diesem Hohen Hause auch keinen Widerspruch, glaube ich.
Ganz sicher ist Stalag 326 ein wichtiges Thema. Dabei handelt es sich nämlich um das größte Kriegsgefangenenlager auf nordrhein-westfälischem Boden. Ich meine sogar, dass es das größte russische Kriegsgefangenenlager im Deutschen Reich war. Insofern haben wir dort ganz sicher eine Aufgabe – hier allerdings möglicherweise mit einer Ausarbeitung, die wir noch nicht im Einzelnen kennen. Man muss sich überlegen, wie man mit einem Neubau oder Ähnlichem einen Ort schafft, der wirklich ein zentraler Erinnerungsort für diesen Teil unserer Geschichte ist.
Ich will daran erinnern, dass wir gerade draußen in der Wandelhalle eine Ausstellung haben, bei der es um die polnischen sogenannten Displaced Persons geht, also um Menschen, die in andere Regionen verschickt wurden und dann in Lagern, auch bei uns, Platz gefunden haben. Diese Menschen haben auf ihre Weise versucht, sich in den Jahren ab 1945 am Leben zu erhalten, indem sie sich – das wird in dieser kleinen Ausstellung sehr schön deutlich – insbesondere mit der Kultur befasst haben: mit dem Singen, mit dem Spielen, mit dem Theatermachen, mit dem Zeichnen, mit dem Dichten. Auf diese Art haben sie der Humanitas ihren Raum gelassen und sich bemüht, Mensch zu bleiben – in einer Situation, die für sie jedenfalls über weite Strecken unmenschlich war. Wir kennen viele solcher Beispiele.
Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass auch Sylvia Löhrmann als Bildungsministerin dieses Thema immer wieder in den Mittelpunkt rückt. Auch unsere Präsidentin – ich darf das hier einmal sagen, obwohl sie gerade hinter mir sitzt – nimmt sich immer wieder dieses Themas an und begibt sich an diese Orte. Ich finde das prima, weil es ein Zeichen dafür ist, dass der Landtag in seiner Gesamtheit
dieser Applaus ist für Sie, Frau Präsidentin, und für Sie, Frau Bildungsministerin – hierzu steht und dass wir gemeinsam der Erinnerung so Ausdruck geben wollen.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für den Hinweis auf die Redezeit. – Ich bin am Ende meiner Rede und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, die NSGedenkstätten und -Erinnerungsorte in NordrheinWestfalen sind herausragende Lernorte. Und ja, es wäre wichtig und gut, dass jeder nordrhein-westfälische Schüler im Laufe seiner Schulzeit eine solche Gedenkstätte besucht.
Ich habe zwei richtige Punkte aus Ihrem Antrag genannt und könnte noch viele weitere nennen. Das ist nicht das Problem, das wir mit Ihrem Antrag haben. Aber wir haben festgestellt, dass wir offensichtlich den Begriff Erinnerungskultur unterschiedlich definieren. Wir haben eine weiter gehende Definition des Begriffes Erinnerungskultur, weil wir der Ansicht sind: Um Geschichte zu verstehen, muss man sie in Gänze kennen. Nur dann kann man auch die richtigen Schlüsse für die Zukunft daraus ziehen.
Meine Damen und Herren, deshalb muss es unser aller Aufgabe sein, im Rahmen der historisch-politischen Bildungsarbeit auch das Themenfeld „Flucht und Vertreibung“ als wichtigen Teil der Erinnerungskultur zu stärken, wie wir das in unserem Entschließungsantrag fordern.
Zweifelsohne sind die Zeit des Nationalsozialismus und seine historischen Folgen ein Teil der deutschen Identität. Die besondere Verantwortung unseres Landes im Umgang mit der eigenen Geschichte drückt sich bis heute in einer besonderen Erinnerungskultur aus. Dabei standen und stehen die Themen „Zweiter Weltkrieg“ und „Holocaust“ im Mittelpunkt. Doch ebenso spielen Flucht und Vertreibung als Folgen des Zweiten Weltkrieges eine wichtige Rolle.
Dementsprechend hat die Landesregierung in ihrem Grundlagenpapier zu einer Neukonzeption der Erinnerungskultur und strukturellen Absicherung der Gedenkstättenarbeit in Nordrhein-Westfalen hervorgehoben, dass für das historische Lernen – ich zitiere – „das Bemühen um die Herausarbeitung von Kontextualitäten und Kausalitäten“ einen entscheidenden Faktor bildet.
Deshalb muss unserer Ansicht nach Erinnerungskultur so gestaltet werden, dass sie diese Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens fördert – insbesondere in Zeiten, die durch große Flüchtlingsbewegungen geprägt sind. Denn sie kann für die Nöte der Flüchtlinge von heute sensibilisieren und ein besseres Verständnis für deren Situation fördern.
Erinnerungskultur richtet sich aber auch an diejenigen, die in unserem Land eine neue Heimat finden möchten, sei es aufgrund von Flucht oder auch von Arbeitsimmigration. Vor dem Hintergrund der großen Anzahl von Asylsuchenden in unserem Land ist es
notwendig, das Verständnis für die Problematik von Vertreibung und Flucht zu stärken und zu fördern.
In der Neukonzeption der Erinnerungskultur wird hervorgehoben, dass die Erinnerungskultur vor neuen Herausforderungen steht, insbesondere durch – Zitat –
„die wachsende soziale, kulturelle, religiöse und ethnische Vielfalt der anzusprechenden Zielgruppen, insbesondere im Jugendbereich mit stetig steigendem Anteil von Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte; …“
Das vom Schulministerium eigens neu vorgelegte Konzept „Erinnern für die Zukunft“ kann ein wichtiger Baustein für die Erinnerungskultur sein, insbesondere an unseren Schulen. Aber in seiner derzeitigen Form vernachlässigt es das Thema „Flucht und Vertreibung“.
Ende 2014 hatte der Bund der Vertriebenen als Leitwort für 2015 „Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute“ festgelegt. Als Institutionen, die Flucht und Vertreibung als zentrales Thema seit ihrer Gründung behandeln, sollten der Bund der Vertriebenen und die Landmannschaften auch Ansprechpartner und Kooperationspartner für Schulen sein, um die Thematik authentisch Schülerinnen und Schülern nahezubringen.
Darüber hinaus könnten Kooperationen zwischen den nordrhein-westfälischen NS-Gedenkstätten und Einrichtungen im Sinne des § 96 Bundesvertriebenengesetz Flucht und Vertreibung als wichtigen Aspekt von Erinnerungskultur hervorheben und stützen.
So könnte zum Beispiel durch eine solche Zusammenarbeit ein Konzept für eine wissenschaftlich begleitete Ausstellung entwickelt werden, die die Geschichte, Entwicklung und Bedeutung der Landesstelle Unna-Massen im besten Fall auch an diesem Ort dokumentiert; denn die Landesstelle bot für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler nicht nur eine erste sichere Anlaufstelle in Nordrhein-Westfalen, sondern hat für Nordrhein-Westfalen einen vergleichbaren Stellenwert wie Friedland für ganz Deutschland.
Warum nutzen Sie nicht die Chance, meine Damen und Herren, an dieser Stelle auch diesen Teil der deutschen Geschichte umfassend zu dokumentieren?
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, das Konzept zur Stärkung von Erinnerungskultur in den Schulen NRWs „Erinnern für die Zukunft“ um den Aspekt „Flucht und Vertreibung als Folge des Zweiten Weltkriegs“ zu erweitern und den Bund der Vertriebenen und die Landsmannschaften als Kooperationspartner mit einzubeziehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ende des Zweiten Weltkriegs liegt inzwischen mehr als 70 Jahre zurück. Die Generation, die den Krieg oder zumindest dessen Ende noch unmittelbar erlebt hat, und insbesondere diejenigen, die die NS-Diktatur überlebt haben, wird immer kleiner und in absehbarer Zeit gar nicht mehr als Zeitzeugen in der politischen Bildung zur Verfügung stehen.
Umso wichtiger erscheint es, die Erinnerung an das unfassbare Geschehen und Unrecht der dunkelsten zwölf Jahre der deutschen Geschichte lebendig zu erhalten, um auch zukünftigen Generationen ein Lernen aus der Geschichte zu ermöglichen.
Gerade in einer Zeit, in der in Europa und darüber hinaus Rechtspopulismus und Nationalismus wieder erstarken, erscheint die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur unabdingbar. Diese Auseinandersetzung zeigt dann auch auf, wie es dazu kommen konnte, dass ein demokratisch verfasstes System Tyrannei und Terror gewichen ist, und gibt vielleicht auch Hinweise darauf, wie wir unserer historischen Verantwortung entsprechen können, alles zu tun, damit eine Wiederholung unterbleibt.
Vor diesem Hintergrund begrüßen die Freien Demokraten den Antrag zu der Pflege der Gedenkstätten und einer mahnenden Erinnerungskultur ausdrücklich.
Wer selber einmal eine Gedenkstätte besucht hat, weiß, wie eindringlich allein das Aufsuchen der Orte des damaligen Geschehens wirkt und welche Auseinandersetzungen mit den seinerzeitigen Ereignissen es auslösen kann, auch wenn natürlich nichts das Gespräch mit den Zeitzeugen ersetzen kann.