Der Haushalt 2017 dieser Landesregierung macht das exemplarisch deutlich; denn er wird auf Kosten elementar wichtiger Zukunftsinvestitionen konsolidiert. Zurzeit beträgt die Investitionsquote nur knapp 9 %. 2020, im Jahr der Einführung der Schuldenbremse, wird sie voraussichtlich auf 8,3 % absinken. Damit wirkt die Schuldenbremse wie eine Investitions- und Innovationbremse, und damit wird die Schuldenbremse für unsere Gesellschaft zur Zukunftsbremse.
Das zeigt sich exemplarisch auch bei den Bildungsausgaben: Kleinere Klassen? – Fehlen! Eine vernünftige Ausstattung der Schulen? – Fehlt! Eine gut finanzierte Inklusion? – Fehlt! Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit für tarifangestellte Lehrer? – Fehlt! Die Schulministerin? – Fehlt!
(Heike Gebhard [SPD]: Hier steht sie doch! Hier bei den Grünen! – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Dann hat sie ja alles mitbekom- men!)
Überall im Haushalt, wohin man auch schaut: Fehlanzeigen und Versäumnisse! Frau Kraft, Frau Löhrmann, bei so vielen Fehlzeiten im Klassenbuch wäre
Die Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW verwies in der Anhörung zum Haushalt auf den zu niedrigen Anteil der Grundfinanzierung im Hochschulbereich. NRW belegt bei den Ausgaben pro Studierenden im Bundesländervergleich nach wie vor den vorletzten Platz, nur Brandenburg gibt weniger Geld pro Studierenden aus.
Teil einer zukunftsorientierten Haushaltspolitik ist es auch, sicherzustellen, dass wir in Zukunft noch eine funktionsfähige und leistungsfähige Landesverwaltung haben. Schon sehr bald wird es in allen Bereichen der Landesverwaltung zu ganz erheblichen altersbedingten Personalabgängen kommen. Der demografische Wandel schlägt dann voll durch. Dem gilt es jetzt mit wettbewerbsfähigen Konditionen im Personalbereich entgegenzusteuern, um neue, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Schon heute gibt es massive Probleme, die offenen Stellen in der Landesverwaltung – zum Beispiel bei Ingenieuren oder IT-Spezialisten – mit den derzeitigen tariflichen Entlohnungsstrukturen zu besetzen. Ohne Ingenieure wird der Sanierungsrückstau in unserem Land aber kaum zu bewältigen sein. Hier muss die Landesregierung deutlich nachbessern.
Gleichzeitig geraten laut einer aktuellen Studie von Ernst & Young die Städte immer stärker in die Schuldenspirale. Für das Jahr 2015 verzeichneten 19 der 29 Großstädte in NRW einen Anstieg der Verschuldung. Die Gesamtverschuldung der NRW-Großstädte stieg auf über 41 Milliarden €. Von den 20 deutschen Großstädten mit der höchsten Pro-KopfVerschuldung liegen 13 in NRW. Oberhausen wies Ende 2015 mit 9.725 € die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller deutschen Großstädte auf. Mühlheim an der Ruhr liegt mit 8.527 € auf Platz drei.
Weite Teile des Ruhrgebiets sehen aus wie Rumänien – Gruß an Oliver Welke. Tragisch für das Ruhrgebiet ist, dass es dort so aussieht wie im Sozialismus, obwohl dort gar keiner ist.
(Beifall von den PIRATEN – Michele Mar- sching [PIRATEN]: Aber wir haben es ge- schafft: Wir sind besser als die Schlechtes- ten!)
Das Ruhrgebiet ist die Armutsregion Nummer eins in Deutschland. Jedes vierte Kind dort lebt in Armut. In Gelsenkirchen wächst jedes dritte Kind mit Hartz IV auf und wächst höchstwahrscheinlich später auch
hinein. In Duisburg muss aufgrund der kompletten Überschuldung in den nächsten Jahren jede achte Stelle eingespart werden. In der Folge wird es dort bald weniger Erzieherinnen und noch weniger Personal an Krankenhäusern geben.
Die Landesregierung schaut dieser Entwicklung tatenlos zu und wälzt immer noch weitere Aufgaben auf die kommunale Ebene ab, ohne diese ausreichend zu finanzieren. Ich denke da an die steigenden Integrationskosten auf kommunaler Ebene, wo die Hauptarbeit der Integration stattfindet. Es gibt Mehraufwendungen für den Ausbau der Kinderbetreuung, für Schulpsychologen, Dolmetscher, Sozialpädagogen und Sprachförderprogramme oder für den Wohnungsbau. Hier muss jede Menge zusätzliches Personal eingestellt werden, damit die Integration erfolgreich gestaltet werden kann. All diese Kosten belasten die kommunalen Haushalte massiv.
Und dann kommt die Ministerpräsidentin und erklärt, die auf NRW entfallende Integrationspauschale in Höhe von 434 Millionen € komplett für den Landeshaushalt vereinnahmen und nicht einen Cent an die Kommunen weiterleiten zu wollen. Andere Bundesländer reichen die Integrationspauschale dagegen komplett oder zu großen Teilen an die Kommunen weiter.
Während NRW dieses Jahr seinen Kommunen 14.000 € pro Flüchtling zur Verfügung stellt, geben andere Länder ihren Kommunen pro Flüchtling deutlich mehr Geld. In Baden-Württemberg zum Beispiel sind es 25.000 €.
Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Abel zulassen, der auf dem Platz von Herrn Rüße sitzt?
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Die Kollegen sind unruhig, weil es in den Lautsprechern sehr knarzt. Ich bin aber sicher, dass die Verwaltung schon an der Lautsprechertechnik arbeitet.
Meine Frage bezieht sich auf die Weiterleitungsquote der Mittel an die Kommunen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im Haushalt 2016 eine Weiterleitungsquote der Kommunen von NordrheinWestfalen in Höhe von 159,5 % …
Das kann man noch nicht sagen. Okay. – Dann versuche ich es noch einmal: Herr Kollege Kern, die Mittelweiterleitungsquote an die Kommunen für das Jahr 2016 beträgt 159,5 %. Nach dem Haushalt, über den wir heute diskutieren, wird sie auf 272,6 % ansteigen. Würden Sie mir bitte erklären – weil ich es wirklich nicht verstehe –, wie Sie zu dem Schluss kommen, wir würden nicht alle Mittel an die Kommunen weiterleiten?
Danke, Herr Kollege Abel, für die Zwischenfrage, auch wenn es mir schwerfiel, sie akustisch vernünftig zu verstehen. Da scheint ein technisches Problem zu bestehen.
Ich möchte auch gar nicht in Abrede stellen, was Sie vortragen. Das ändert aber nichts an dem, was der Vertreter der Spitzenverbände der Kommunen – Sie waren doch bei der Sachverständigenanhörung auch dabei – ausgeführt hat: Die Kommunen fühlen sich massiv überfordert.
In diesem Zusammenhang ist es durchaus angebracht, auf ein Bundesland wie Baden-Württemberg zu verweisen, wo wesentlich mehr Mittel an die kommunale Ebene weitergereicht werden. Daran kommen auch Sie nicht vorbei.
Hinzu kommt noch, dass sich Bund und Länder im Rahmen der Einigung über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 14. Oktober 2016 darauf verständigt haben, beim Unterhaltsvorschuss ab dem 1. Januar 2017 die Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre anzuheben und die Bezugsdauergrenze aufzuheben.
Diese Änderungen haben aber massive Auswirkungen auf die Haushaltslage der nordrhein-westfälischen Kommunen. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände rechnet mit Mehrbelastungen der kommunalen Haushalte in dreistelliger
Millionenhöhe. Die finanziellen Auswirkungen dieser Neuregelung seien – Zitat – ein Sprengsatz für die kommunalen Haushalte. Das ist ein Zitat aus der erwähnten Anhörung, an der wir teilgenommen haben.
Während sich Schäuble im Bund für die schwarze Null abfeiern lässt und in NRW die Landesregierung auf das Einhalten der Schuldenbremse hinarbeitet, geraten immer mehr Kommunen in Haushaltsnotlage. Aber was nützt den Menschen auf der Straße die schwarze Null im Landeshaushalt, wenn das eigene Konto fett im Minus steht?