Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier und auch zu Hause am Stream! Das Land NRW unterstützt offenes freies WLAN, insbesondere die Freifunkinitiativen. Und das ist gut so.
Ja, da kann man ruhig klatschen. – Auch die EUKommission will freies und offenes WLAN. Auch das ist ganz gut so.
Was aber nicht ganz so gut ist, ist die Tatsache, dass es weiterhin keine Rechtssicherheit für Anbieter von offenen WLANs gibt, die den Zugang zum Internet ermöglichen. Rechtsicherheit, so scheint es, gibt es nur für Abmahnanwälte und die Rechte-Inhaberlobby – und das nach der vergeigten Änderung des Telemediengesetzes im Juni 2016 und nach dem Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs.
Der EuGH hat vor drei Wochen zwar grundsätzlich geurteilt, dass Gewerbetreibende, die offene WLANHotspots in ihren Geschäften anbieten, nicht für die Inhalte verantwortlich gemacht werden können, die ihre Kundschaft oder die Passanten herunter- oder hochladen. Aber nun soll man möglicherweise durch eine Anordnung dazu gezwungen werden, das offene WLAN durch ein geschlossenes mit Login- oder Passwortpflicht zu ersetzen.
Offensichtlich haben die europäischen Richter und auch die Gesetzgeber auf europäischer Ebene und im Bundestag nicht erkannt, dass sie damit den offenen und freien Zugang zu einer elementaren Infrastruktur für alle verschließen. Diese mögliche Anordnung zeugt vor allem von einem: von mangelndem technischen Sachverstand am Europäischen Gerichtshof. Und das ist sehr schade.
Die verantwortlichen Gesetzgeber haben offensichtlich leider immer noch nicht erkannt, dass ein offener Zugang zum Netz genauso wichtig ist wie der offene Zugang zu öffentlichen Straßen oder Plätzen. Ich be
diene mich an dieser Stelle einmal der eigentlich unsäglichen Begrifflichkeit der sogenannten digitalen Autobahn. Schon einmal gehört? – Ja, furchtbar.
Wir halten fest: Man findet sich damit ab, dass wir in einem Staat leben, in dem alle Datenautobahnen privatisiert sind. Man findet sich auch damit ab, dass wir in einem Land leben, in dem alle Datenlandstraßen einer Handvoll von Großkonzernen gehören. Und man findet sich damit ab, dass wir in Kommunen leben, in denen fast alle kommunalen Datenwege in privater Hand sind.
Und denen, die vor ihrer Haustür ein bisschen digitalen Schotter verbreiten, damit die Gäste nicht im signallosen Raum versinken, signalisiert der Gesetzgeber nicht nur Unverständnis und Untätigkeit; nein, den gastfreundlichen, hilfsbereiten Datensamaritern, die offene WLANs betreiben, droht jetzt auch noch von übergeordneter Stelle die Pflicht, Schranken aufzustellen. Schranken überall, digitale Wege in Fürstenhand: Herzlich willkommen im digitalen Feudalismus, meine Damen und Herren.
Beim Betreten quasi dieser digitalen Pfade soll erst einmal überall kontrolliert werden: Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle. Die Identität der Nutzenden wird zum digitalen Wegezoll. Aber was erhofft man sich davon? Dass weniger geklaut wird? Dass weniger geschmuggelt wird? Nein! Das hat auch früher nicht funktioniert. Überalterte Strategien helfen da nicht weiter.
Was wird passieren? Es kommen einfach weniger Menschen. Es kommen weniger durch. Will man Zugang aufbauen, muss man Barrieren abbauen. So einfach ist das.
Die Schranken vor Autobahnbrücken – man kennt das vielleicht in NRW – führen genauso dazu, dass neben den unerwünschten Lkw auch Pkw stecken bleiben. Ich will nicht in einem Bundesland leben, in dem Herr Groschek bald feierlich digitale Freifunkschranken eröffnen muss, weil die Bundesregierung wieder gepennt hat. Das will ich einfach nicht.
Eingangskontrollen für das Internet bedeuten weniger Nutzer. Überall surfen geht dann nur für diejenigen, die sich einen teuren Datentarif leisten können, und die digitale Kluft zwischen Menschen wird immer größer.
Wovor haben wir an dieser Stelle eigentlich Angst? Wovor haben wir überhaupt Angst? Wieso diese ganze Kontrolle? Wieso diese ganzen Zwänge?
Wie viele der Millionen internationalen Gäste in diesem Bundesland werden wohl auf ihren Smartphones unrechtmäßig kopierte Inhalte zum Download anbieten, wenn sie zum Beispiel Düsseldorf besuchen? Wie viele davon? Es ist wahrscheinlicher,
dass diese Gäste vielleicht einmal am Obststand illegal an einer Erdbeere oder einer Traube naschen, als dass sie irgendwelche Lieder zum Download anbieten.
Wollen wir deswegen Marktplätze mit Zugangskontrollen ausstatten? Wollen wir das, nur weil dort jemand etwas Illegales tun könnte? Nein, ich denke nicht. Stellen Sie sich einmal Ausweiskontrollen am Carlsplatz, kaum 1 km von hier entfernt, vor. Wäre das sinnvoll? Da würden die ganzen Marktbetreiber aber ordentlich auf die Barrikaden gehen. Das geht nicht. Aber genau das tun wir im digitalen Raum.
Meine Damen und Herren, alle, die offene Zugänge zum Netz einschränken wollen, müssen endlich verstehen, dass es sich um eine grundlegende und in Zukunft immer wichtiger werdende Infrastruktur handelt. Wir brauchen offene Netze für eine offene Gesellschaft – Punkt.
An dieser Stelle freue ich mich auf die Debatte zu unserem Antrag in den Fachausschüssen. Ich würde mir wünschen, dass wir auch aus NRW wieder ein starkes Signal in Richtung Bund und Europa aussenden würden. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lamla, was die Relevanz von offenen WLAN-Zugängen für die Menschen in Nordrhein-Westfalen angeht, sind wir uns, glaube ich, einig. Die Anzahl von offenen WLAN-Zugängen steigt. In vielen Städten und vielen Gemeinden bieten sowohl die Kommunen als auch private Anbieter offene WLAN-Zugänge an. Diese Landesregierung und ein Großteil dieses Parlaments haben das sehr früh erkannt – früher als in vielen anderen Bundesländern.
Auch hier im nordrhein-westfälischen Landtag haben wir eindeutige Beschlussfassungen dazu. Mit großer Mehrheit haben wir verschiedene Anträge pro offene WLAN-Zugänge verabschiedet. Die meisten haben ihnen auch zugestimmt. CDU und FDP hatten hier das eine oder andere Problem. In den Kommunen waren sie oft weiter als im Landtag. Aber insgesamt hatten wir hier Mehrheiten für die Anträge.
Ich erinnere an das Jahr 2013. Da haben wir gemeinsam den Antrag „Offene Zugänge zum Internet schaffen“ beschlossen.
SPD, Grüne und Piratenfraktion haben im Juni 2015 gemeinsam einen Antrag eingebracht, der mit „Freifunk in NRW – Bürgernetze ausbauen und weiter stärken!“ übertitelt war.
Wir haben hier eine eindeutige Beschlusslage pro offene WLAN-Zugänge und auch pro Freifunk. Schauen wir uns an, was wir hier beschlossen haben:
Wir haben beschlossen, dass öffentliche Gebäude, die im Landeseigentum stehen, für Freifunkinitiativen zugänglich gemacht werden sollen.
Wir haben finanzielle Förderungen für Freifunkvereine und für die Infrastruktur hier im Landtag beschlossen.
Wir haben noch mehr gemacht. Die Landesregierung hat erst kürzlich das Programm „100xWLAN“ aufgelegt. 1 Million € stehen bereit, um offene WLANZugänge in öffentlichen Gebäuden des Landes einzurichten. In vielen Städten laufen wirklich gute Initiativen.
Zum Rechtlichen: Auch hier hat die Landesregierung eine klare Position. Die Ministerpräsidentin hat sich schon auf dem Medienforum NRW im vorletzten Jahr klar für offene WLAN-Zugänge ausgesprochen.
Diese Landesregierung hat für mehr Rechtssicherheit bei der sogenannten Störerhaftung gekämpft. Wir haben das Telemediengesetz auch auf Initiative von Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene in eine Form bringen können, die wesentlich besser ist als der erste Entwurf der Bundesregierung. Diese Landesregierung hat über den Bundesrat mit dafür gekämpft, dass es im Telemediengesetz eben keine Passwortvorgabe geben konnte – und das alles auch mit Erfolg. Daher gibt es eine ganz klare Position dieser Landesregierung.
Im Zusammenhang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Sie hatten gerade darüber berichtet, Herr Lamla – gibt es verschiedene durchaus kritische Punkte, beispielsweise in Bezug auf die Verschlüsselungsproblematik. Darum müssen wir diese Thematik auch weiter diskutieren.
Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. Es ist klar, dass wir hier auch gemeinsam mit Ihnen diskutieren wollen, wie wir in Nordrhein-Westfalen weiter auf diesem Weg bleiben und wie wir Rechtssicherheit für offene WLAN-Zugänge auch in Nordrhein-Westfalen und natürlich darüber hinaus sicherstellen können. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! In ihrem Antrag tut die Fraktion der Piraten so, als führe das EuGH-Urteil zu Störerhaftung zu großer Unsicherheit. Diese Sichtweise deckt sich aber nicht mit der Realität. Halten wir doch einmal fest, was in den letzten Monaten erreicht worden ist.
Das Providerprivileg ist deutlich ausgeweitet worden und gilt nun auch für Gewerbetreibende, die öffentliche Hotspots anbieten. Die Zahl der Hotspots vergrößert sich dadurch. Damit entsteht ein Vorteil für die User.
Das EuGH-Urteil bestätigt ausdrücklich, dass WLANAnbieter von der Haftung für Rechtsverletzungen Dritter befreit sind. Nach der E-Commerce-Richtlinie haften diese WLAN-Anbieter nicht als Störer für rechtswidrige Handlungen Dritter, wenn sie die Übermittlungen nicht veranlasst, den Adressaten nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
Allerdings fordern Sie in Ihrem Antrag auch eine völlige Sanktionsfreiheit. Eine völlige Sanktionsfreiheit, Herr Lamla, kann es da nicht geben. Sollten über einen dieser Hotspots dauerhaft Rechtsverstöße verübt werden, muss der Staat auch die Möglichkeit haben, zu handeln.
Ihre Forderung gleicht einem Carsharing-Modell ohne Registrierung, bei dem die Autos keine Nummernschilder haben, der Schlüssel steckt und jeder das Auto fahren kann – egal wie. Dieses lädt doch geradezu zum Missbrauch ein und darf in einem Rechtsstaat so nicht stattfinden. Deshalb sind diesen Bestrebungen auch auf europäischer Ebene in der Durchsetzungsrichtlinie für Urheberrechte klare Grenzen gesetzt.
Außerdem hat der EuGH entschieden, dass die Einrichtung eines Passwortschutzes für den Internetzugang gerechtfertigt ist. Insofern hat die Forderung nach absoluter Anonymität, die Sie in Ihrem Antrag auch stellen, schlechte Aussichten, juristisch zu bestehen.
Vielleicht können wir uns im Ausschuss – dahin überweisen wir den Antrag ja – über den engen rechtlichen Rahmen austauschen und etwas differenzierter unterhalten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zum Einstieg: Herr Kollege Lamla, ich habe mich eben ein bisschen
schwer damit getan, als Sie dem Europäischen Gerichtshof einfach pauschal einen Mangel an technischem Sachverstand unterstellt haben. Ich glaube, er hat schon Urteile, zum Beispiel zu Vorratsdatenspeicherung, gefasst, bei denen wir zu der Einschätzung kamen, dass bei diesem Gericht sehr viel Sachverstand sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht vorhanden ist und zusammenkommt.