Protocol of the Session on October 6, 2016

(Beifall von der SPD – Zuruf von Hendrik Schmitz [CDU]: Pfeifen im Walde!)

Das ist kein Pfeifen im Walde, wie der Kollege aus Aachen sagt.

Ich will auf einen der Punkte, die vorhin beim Thema „Strukturwandel“ eine Rolle gespielt haben, noch einmal hinweisen. Kollege Wüst, bisher haben Sie versucht, das Land Nordrhein-Westfalen mit dem Saarland und dem dortigen Strukturwandel zu vergleichen. Dabei ist Nordrhein-Westfalen eigentlich gar nicht mit dem Saarland zu vergleichen.

Da haben Sie meine grundsätzliche Sympathie, weil es den einen oder anderen Punkt gibt – zum Beispiel den Montanumbau, der im Saarland stattgefunden hat, den Kohleumbau, der im Saarland stattgefunden hat –, der in irgendeiner Art und Weise mit dem Land Nordrhein-Westfalen vergleichbar ist. Dass man das Bruttoinlandsprodukt des Landes Nordrhein-Westfalen, das 650 Milliarden € ausmacht, natürlich nicht mit dem des Saarlands in Höhe von etwa 35 Milliarden € vergleichen kann, haben wir schon hinlänglich debattiert.

Dass Sie heute sagen, der Strukturwandel sei in Thüringen, Sachsen und Brandenburg doch auch bewältigt worden und dürfte in Nordrhein-Westfalen keine Entschuldigung mehr sein, macht mich aber relativ sprachlos.

Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich an unsere finanzpolitische Debatte mit dem Kollegen Tillich, der gesagt hat: Wir haben doch ausgeglichene Haushalte. – Warum haben diese Länder denn ausgeglichene Haushalte? Weil das Land NordrheinWestfalen einen erheblichen Beitrag für den Strukturwandel in den von Ihnen beschriebenen Ländern geleistet hat und weiterhin leistet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie müssen zumindest in einer seriösen Art und Weise – so seriös wie das 200-Seiten-Papier, das heute vorgelegt worden ist – argumentieren.

Interessant war auch Folgendes: Herr Laschet hat die Debatte nicht mitgemacht, kommt rein und sagt: ein zu dünnes Papier. Herr Wüst hat heute Morgen gesagt: ein zu dickes Papier.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Da müssen Sie schon gucken, wo Sie bleiben, und schauen, welche Einschätzung richtig ist.

(Zurufe von Armin Laschet [CDU] und Lutz Li- enenkämper [CDU)

Wir müssen den Strukturwandel hier weiterhin selbst gestalten. Das tun wir. Ich bin dem Minister sehr

dankbar dafür, dass er die Beispiele richtigerweise genannt hat. In Marl hat man zum rechten Zeitpunkt Förderbescheide übergeben, um zu einer schnellen Realisierung einer neuen Auguste Victoria zu kommen. Das ist ein völlig richtiger Ansatz.

Ich kann den Presseartikel von heute auch nicht ganz nachvollziehen, in dem es heißt, dass in Ibbenbüren nichts gemacht wird. Es ist doch so, dass in Ibbenbüren immerhin noch gefördert wird, während auf Auguste Victoria die Förderung beendet war und die Zeche allenfalls noch ausgeräumt wird, sodass wir da natürlich zu einer schnellen Reaktivierung kommen müssen.

Herr Minister, zum Thema „Bochum“ haben Sie auch noch einmal Hinlängliches gesagt. Dort haben wir im Prinzip den Strukturwandel 4.0 zu organisieren; so will ich das einmal benennen. Sie wissen, dass die Opel-Ansiedlung eine der größten industriepolitischen Ansiedlungen im Ruhrgebiet war. Jetzt geht Opel weg, sodass wir wiederum etwas auf den Weg bringen müssen.

Da will ich die CDU auch noch einmal loben. In ihrer Regierungszeit ging es um das Thema „Nokia“ und den Nokia-Weggang. Damals wurde das, wie ich fand, gute Programm „Wachstum für Bochum“ aufgelegt. Dieses Programm läuft heute noch, um die Verwerfungen, die wir jetzt durch neue Ansiedlungen haben, wo wir wiederum Strukturwandel organisieren müssen, entsprechend abzufedern.

Herr Minister, ich möchte mich noch einmal ganz ausdrücklich bei den Mitarbeitern Ihres Ministeriums dafür bedanken, dass sie mit dem Landeswirtschaftsbericht eine so – wie haben Sie gesagt? – schonungslose Analyse vorgelegt haben. Das ist absolut richtig. Davon geht ein Signal der Stärke aus.

Ich fände es auch richtig, die längerfristigen Perspektiven zu beleuchten, insbesondere den Trend von 2000 bis 2015. Da hat Nordrhein-Westfalen mit einem Wachstum von 13,2 % nämlich einen erheblichen Wachstumspfad beschritten, der jedoch unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt. Allerdings will ich im Hinblick auf die Herausforderungen noch einmal festhalten: Wir organisieren und finanzieren den Strukturwandel im Osten und müssen unseren eigenen Strukturwandel ebenfalls finanzieren. Das machen wir auch.

Ganz interessant ist, dass sich nicht nur die Branchen, sondern auch die Regionen gegenseitig ausgleichen. Ehemals schwache Regionen werden wieder zu starken Regionen, wie das Beispiel der Metropole Ruhr zeigt.

Auch wichtig ist – das will ich an der Stelle noch einmal sagen –: Strukturwandel bedeutet auch – Herr Wüst, da haben Sie völlig recht; es ist uns immer ein Herzensanliegen, ihn ordentlich zu begleiten –, im Wirtschaftsbericht herauszuarbeiten, dass in den

klassischen Bereichen des Stahls und insbesondere der Energiewirtschaft – aber darüber haben wir uns schon einmal hinlänglich ausgetauscht; es dürfte niemandem verborgen geblieben sein, dass zwei der größten energiewirtschaftlichen Unternehmen Gott sei Dank ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben; sie haben natürlich auch erhebliche Strukturwandelprozesse zu begleiten – ein Strukturwandel bevorsteht. Wir wollen ihn massiv begleiten, damit es eben nicht zu solchen Strukturbrüchen wie in anderen Ländern Europas kommt. Man denke nur an die Region rund um Manchester.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die Erklärungsversuche, die Sie heute hier vorgelegt haben, sind – wie soll man sagen? – wie eine alte Schalplatte:

(Bernhard von Grünberg [SPD]: Leierkasten!)

Landesentwicklungsplan, Klimaschutzgesetz und Landesnaturschutzgesetz. Das Tariftreue- und

Vergabegesetz – ich habe vorhin gesagt: Bingo; irgendjemand hat es genannt – spielt natürlich auch eine Rolle, und zwar als ein unzureichender Erklärungsmaßstab, den Sie hier vorgelegt haben. An dieser Stelle will ich Ihnen sagen: Nehmen Sie doch bitte das Landesjagdgesetz in Ihre Rhetorik auf. Dann haben Sie auch noch einmal ein ordentliches Wachstumshemmnis in Ihrer Betrachtung. – Das hilft letztlich nicht weiter.

Teilweise – das muss man auch noch zur Kenntnis nehmen; zum Glück ist das gerade von Norbert Meesters dazwischengerufen worden – geht es sogar um Gesetze, die noch gar nicht verabschiedet sind. Sie haben in Ihrem Sinne aber schon heute bei der Prognose des Wachstums von 0,0 % im Jahr 2015 eine Tatsächlichkeit erreicht. Mich wundert wirklich, wie man so, ich will fast sagen, blind und orientierungslos durch die Gegend laufen kann und das nicht erkennt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube, dass wir richtige Weichenstellungen vorgenommen haben. Es spielte in der Debatte auch eine Rolle, dass wir Mike Groschek, obwohl er heute nicht da ist, und die Tatsache erwähnt haben, dass wir ordentlich in die Infrastruktur investieren werden. Das umfasst natürlich auch die Verkehrsinfrastruktur.

Es sei mir auch gestattet, noch einmal zu sagen, dass das Thema „Akzeptanz“, das im Landeswirtschaftsbericht eine Rolle spielt, auch dort eine ganz entscheidende Rolle spielt. Ich bin manchmal hinlänglich irritiert, wenn vonseiten Ihrer kommunalen Fraktion der Vorschlag kommt, an der Leverkusener Brücke eben mal einen Fahrradweg neben dem vielstreifigen Ausbau anzulegen. Ich bin da auch hinlänglich desillusioniert und weiß, dass das, was Sie hier fordern und sagen, eigentlich nicht ernst gemeint sein kann. Das ist letztlich nicht in Ordnung.

Wir wollen die Investitionen in unsere Verkehrsinfrastruktur. Wir wollen die Investitionen in die Forschung. Im öffentlichen Bereich machen wir das. Bei den Unternehmen haben wir einen erheblichen Nachholbedarf. Da müssen wir die entsprechenden Anreize setzen. Das werden wir auch tun.

Das Thema „Breitband“ liegt uns natürlich ganz besonders am Herzen. Herr Minister, ich hoffe nicht, dass wir bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 50 MBit/s stehen bleiben. Vielmehr haben wir immer gesagt, dass es uns um eine deutliche digitale Verbesserung in diesem Land geht. Das ist auch nicht mit Vectoring zu erzielen, wie wir mittlerweile alle wissen, sondern wird nur mit Glasfaser gehen. Da ist die Perspektive 2023 richtig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will mit einem Zitat schließen. Es kommt auch von der Kanzlerin, die am Freitag hier gesprochen hat. Sie hat gesagt: Nordrhein-Westfalen kann Strukturwandel. – Auch Joe Kaeser, der Chef von Siemens, hat gesagt: Nordrhein-Westfalen kann Strukturwandel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich nicht von den Worthülsen der CDU beirren. Wir werden den Strukturwandel hier weiter formvollendet darbieten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Hübner. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Bombis das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Bei all den wirtschaftspolitischen Themen, die hier heute angesprochen worden sind, müssen wir doch zuallererst und für uns als wesentliche Analyse eines festhalten: Nordrhein-Westfalen steht im Verhältnis zu den anderen Bundesländern nicht gut da.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nordrhein-Westfalen steht natürlich im Kontext einer schwierigen Weltwirtschaftslage. Aber das tun die anderen doch auch. Herr Minister Duin, vor diesem Hintergrund finde ich es schon etwas dünn, dass Sie als einzige Entgegnung auf den Kollegen Brockes auf den Vergleich hinweisen, den er zu der Situation im Land Niedersachsen gezogen hat.

Das steht auch im Kontext dessen, was Sie ansonsten tun, Herr Duin. Denn Sie können auch durch diese Nebelkerzen den Umstand nicht wegdiskutieren, dass Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2000 beim Wachstum unter dem Schnitt von Niedersachsen liegt. Niedersachsen hat seit dem Jahr 2000 ein

größeres Wachstum als Nordrhein-Westfalen. Es ist wieder einmal ein guter Versuch gewesen. Aber es ist wie so oft bei Ihnen: Wenn man genauer hinguckt, bleibt nicht viel übrig, Herr Minister.

(Beifall von der FDP)

Wir als Fraktion finden es grundsätzlich richtig, dass Sie hier einen Landeswirtschaftsbericht vorgelegt haben. Das stellen wir auch nicht in Abrede. Wir haben aber die Frage gestellt: Warum erst jetzt? Warum ist bei all der Entwicklung, die wir in den letzten Jahren immer wieder kritisiert haben, nicht frühzeitig genauer hingeguckt worden? Aber immerhin: Jetzt haben Sie endlich wieder einen Bericht vorgelegt.

Weiterhin haben Sie – das muss man Ihnen auch zugestehen – Erkenntnisse gewonnen und geäußert, vor denen viele Ihrer Kollegen in der Fraktion noch die Augen verschließen. Als wir zuletzt darüber diskutiert haben, dass das Nullwachstum und die rote Laterne für NRW uns nicht zufriedenstellen können, haben Sie das zumindest ebenfalls als – Zitat – „nicht gut“ bezeichnet, während andere in Ihrer Fraktion, der SPD-Fraktion, das Ganze noch als – Zitat – „großartige Leistung“ bezeichnet haben. Nicht wahr, Herr Hübner?

Sie haben jetzt wieder darauf hingewiesen, dass es darum geht, den Wandel in Nordrhein-Westfalen zu gestalten. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Natürlich müssen wir den Wandel in Nordrhein-Westfalen gestalten. Das sollte übrigens ausdrücklich auch in dem Sinne geschehen, wie Herr Priggen das eben formuliert hat. Wir müssen aber – wie andere – dabei darauf achten, dass wir diesen Wandel mit Rücksicht auf die Menschen und die Strukturen gestalten. Wenn wir das tun würden, würden wir nämlich nicht im Verhältnis zu den anderen Ländern, die das auch tun, zurückfallen.

Insofern sage ich Ihnen: Hier wird ohne Rücksicht auf Strukturen und ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen gearbeitet. Und das ist schlecht für die Wirtschaft in unserem Land.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie industriepolitische Leitlinien vorlegen, Herr Minister, dann sage ich Ihnen, wie das hier auch schon angeklungen ist, dass wir vieles von dem, was Sie da aufgeschrieben haben, unterschreiben können. Es ist aber auch hier so wie bei vielen Dingen in dieser Landesregierung: Sie formulieren Dinge, und in der Zwischenzeit werden von Herrn Remmel Fakten geschaffen.

Das ist nicht im Sinne der Wirtschaft, und es ist nicht im Sinne der Industrie in diesem Land. Das ist das, was die Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen prägt. Deswegen stehen wir schlechter da als andere Bundesländer.

(Beifall von der FDP)