Protocol of the Session on October 6, 2016

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist nicht ganz fair, dann zu kritisieren, dass darüber auch berichtet worden ist. Jeder hier weiß, wie das Spiel gespielt wird: Wenn Sie nicht gewollt hätten, dass darüber berichtet wird, wären Sie nicht hingegangen. Sie würden heute kaum über ein Wachstum von 2,1 % reden können, hätten Sie das nicht selbst hochgezogen. Diese 2,1 % sind allerdings auch nichts anderes als ein weiterer Beleg dafür,

(Zuruf von der SPD: Ganz mühsam!)

dass dieses Land weiter abgehängt wird und beim Wirtschaftswachstum weiter an Boden verliert gegenüber dem Bundesdurchschnitt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese 2,1 % sind ein mehr als achteinhalbprozentiger Rückstand auf die Entwicklung im Bund.

Sie sammeln hier beispielsweise Applaus ein für das Lob des Münsterlandes. Da brandete eben Applaus auf. Die „Westfälischen Nachrichten“ kommen in Düsseldorf immer etwas später an. Lesen Sie sie heute einmal; da finden Sie eine Doppelseite mit durchaus kritischen Anmerkungen aus der Region – Stichwort: Wie geht man mit der zur Schließung anstehenden Zeche in Ibbenbüren und mit anderen Themen um? Mal wieder lassen Sie diese Region im Stich!

(Zuruf von der SPD)

Sie können sich in der Regeln auch darauf verlassen – Sie haben die starken Landräte eben genannt –, dass sich diese Region selbst besser hilft, als es mit Ihrer Hilfe der Fall sein könnte. Das haben wir Münsterländer nach der Textilkrise so gemacht. Wir sind heute froh, dass von Ihnen keiner kam zum Helfen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben auf den langen Zeitraum seit 2000 abgestellt und dann die Jahre 2000 bis 2015 in einem bilanziert. Sie haben diesen Zeitraum eben in „vor der Krise“ und „nach der Krise“ unterteilt.

Wir denken hier ja auch gelegentlich in Wahlperioden. Die Versuchung liegt nah – ich kann ihr nicht widerstehen –, das einmal aufzudröseln und den Zeitraum 2005 bis Ende 2009 zu betrachten, um das letzte volle Jahr der schwarz-gelben Regierung zu sehen.

(Bernhard von Grünberg [SPD]: Das ist gut!)

In diesen fünf Jahren hatte man 14 % Wachstumsvorsprung auf den Bund. 14 % Wachstumsvor

sprung! Danach wurde es schwierig. Wenn wir einmal nicht über Wachstumszahlen, sondern über Menschen, über Arbeitslosigkeit reden, stellen wir fest, dass Nordrhein-Westfalen im September auf Platz 12 stand: hinter Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

Dann hören wir gleich wieder die Fanfarenstöße von den Kollegen der SPD: Wir können Wandel, wir können Strukturwandel. – Was sollen denn die Menschen aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg sagen, wenn sie das hören? Wer hatte wohl den größeren Strukturwandel, wir hier in Nordrhein-Westfalen oder die Menschen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg?

(Zuruf von der SPD: Es wird nicht besser! – Weitere Zurufe von der SPD)

Nein, Sie täten gut daran, hier nicht nur zu analysieren und den Eindruck zu erwecken, diese Analyse sei der Anfang eines Aufbruchs. Dafür haben Sie jetzt ein halbes Jahr gebraucht. Dieses Land bräuchte aber einen echten, ehrlichen Neuanfang in der Wirtschaftspolitik, und zwar nicht erst nach den Landtagswahlen, sondern schon vorher.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da Sie eben so fröhlich aufgejault haben, noch eins hinterher: die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, seit Rot-Grün in diesem Land wieder regiert. Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen: minus 8 %. Das ist aller Ehren wert. Das ist gut. Bund ohne NRW: minus 20 %. Das ist zweifelsfrei besser.

(Minister Rainer Schmeltzer: Im Vergleich der westdeutschen Länder!)

Deshalb ist die Kritik an diesem Landeswirtschaftsbericht und an den 2,1 % Wachstum auch nicht nur von uns vorgetragen worden, sondern auch von den IHKs und von unternehmer nrw.

„Von Entwarnung“

so spricht Arndt Kirchhoff, Chef von unternehmer nrw –

„oder gar einer ‚robusten Aufwärtsentwicklung‘ könne … keine Rede sein. Das Plus von 2,1 Prozent“ – zwei Quartale betrachtet – „mache zwar Mut und habe den Abstand … verkürzt. Dennoch habe sich die Wachstumslücke weiter vergrößert.“

(Zurufe von der SPD)

So weit zu Ihren Zahlenspielereien, um das einmal vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Sie loben sich immer dafür, dass Sie das so ehrlich vortragen. Wenn mir jemand in einem Gespräch mehrfach „jetzt mal ganz ehrlich“ sagt, habe ich immer Angst, dass das derjenige ist, der am meisten flunkert. Aber sei‘s drum.

(Zurufe von der CDU)

Sie sagen dann, es sei ganz erfreulich, dass der Dienstleistungssektor wachse; die Bedeutung der Industrie in Nordrhein-Westfalen nehme aber ab. Deutschlandweit hat die Industrie einen Anteil von 22 % an der Bruttowertschöpfung; in NordrheinWestfalen sind es 19,5 %. Was diese Beschreibung, Nordrhein-Westfalen sei das Herz der Industrie, betrifft: Das war einmal. Dahin müssen wir wieder zurück, und zwar nicht nur in Beschreibungen und Ankündigungen,

(Beifall von der CDU und der FDP)

sondern auch in einer konsequenten Umsetzung, wenn es um Entscheidungen, wenn es um Handeln geht.

Daran hapert es hier. Es kann und darf keinen Ruck geben, weil man sich nicht auf eine Umkehr einigen kann: weg vom Koalitionsvertrag, den der Wirtschaftsminister selbst infrage gestellt hat. Es darf jetzt, acht Monate vor der Landtagswahl, nicht einmal ein Rückchen geben. Wenn man den Ruck nicht hinkriegt, darf man auch nicht konstatieren, dass es vorher eine Krise gab. Also gibt es keine Krise.

Die Botschaft lautet: Ganz erfolgreich sind wir zwar nicht, aber wir sind dran und daher: Weiter so. – „Weiter so“ mit dem Koalitionsvertrag, den Sie selbst infrage gestellt haben? „Weiter so“ mit diesem Koalitionsvertrag oder mit den industriepolitischen Leitlinien? Ich bin immer noch nicht ganz sicher, wer da spricht:

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Die Landesregie- rung auch nicht!)

Garrelt Duin, der Seeheimer aus Essen, oder der Minister der rot-grünen Landesregierung, die sich auf kein Umsteuern einigen kann? Ich glaube, es ist mal der und mal der. Ehrlicher sind Sie wahrscheinlich als der Seeheimer aus Essen.

Aktivitäten werden dann wortreich vorgetäuscht. Industriepolitische Leitlinien? Alle, die da involviert sind, sagen: Ja, der Duin sagt das schon alles richtig, das ist alles gut, aber wenn du etwas bewegen willst, musst du zum Remmel gehen. Der Duin ist gut für Neujahrsempfänge, mit dem verstehen wir uns alle prima. Der Remmel ist ein bisschen sperrig, aber eigentlich hat der das Sagen.

Deswegen werden sich all diese Beteiligungsgeschichten bzw. industriepolitischen Leitlinien am Ende gegen Sie wenden. Es wird immer deutlicher: Sie haben in der Beschreibung recht. Man kauft Ihnen auch ab, dass Sie gerne würden. Je mehr Sie aber deutlich machen, dass Sie gerne würden, umso deutlicher wird, dass Sie nicht können bzw. nicht dürfen. Können würden Sie schon. Das traue ich Ihnen zu.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann kommen Sie mit der Gigabit-Strategie. Es gab hier diese legendäre Regierungserklärung „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“. Die Ministerpräsidentin ist nicht da. Ich würde sie, wenn sie da wäre, dafür loben. Zu dem Zeitpunkt war diese Regierungserklärung nötig und aller Ehren wert. Wie es geendet ist und wie es aufgenommen wurde, wissen Sie aber auch. Nach Mega kommt jetzt Giga. Wenn die Leute zu Hause auf dem Sofa sitzen und sehen, was bei ihnen von dieser Gigabit-Strategie heute ankommt – 2,1 Mbit pro Sekunde und Ähnliches –, dann glauben die nicht an Mega oder Giga, sondern sie glauben, wir sind alle gaga, wenn wir das so vortragen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie werden immer schriller und größer in den Ankündigungen, aber es bewegt sich unglaublich wenig.

Nehmen wir einmal zwei Punkte, wo Sie heute noch etwas tun könnten.

Ich bleibe – das ist der erste Punkt – beim Breitband. Von 2010 bis 2015 haben gab es bei den schnellen Internetleitungen in Nordrhein-Westfalen eine Steigerung von 11 %. Auch das ist besser als nichts und aller Ehren wert. So viel Ehrlichkeit muss sein. Schleswig-Holstein hatte in der Zeit ein Plus von 75 %, Bayern von 123 %.

(Minister Johannes Remmel: Die kamen aber von null!)

Jetzt hat es vonseiten des Bundes zwei Ausschüttungsrunden gegeben. Sie hatten einmal angepeilt, von den 2,1 Milliarden € Fördermitteln des Bundes – analog dem Königsteiner Schlüssel – 400 Millionen € zu holen. Sie haben bisher 55 Millionen € geholt. Wenn Sie die Landräte im Münsterland fragen – glauben Sie, ich kenne die besser und länger als Sie –, dann sagen die: „Na ja, das Land ist ganz schön spät aus den Puschen gekommen, wir wussten ja nicht, wie wir da herankommen“, und Ähnliches.

Ich hoffe, dass wir in der nächsten und übernächsten Runde noch kräftig absahnen werden. Glauben tue ich es kaum. Sie werden Ihre Ankündigungen, mindestens 50 Mbit flächendeckend bis 2018 zu erreichen, nicht einhalten können. Das ist die Wahrheit.

Es gibt kein Mega und kein Giga, sondern eine Kaskade nicht eingelöster großspuriger Versprechen. Die Leute sehen es jeden Tag auf ihrem Handy, wenn sie zu Hause sitzen und gucken, was denn ihr Netz ausspuckt. Da könnten Sie noch heute deutlich mehr Gas geben, wenn Sie sich endlich dazu durchringen könnten, neues Geld für diesen Bereich zur Verfügung zu stellen.

Wir haben in den Haushaltsberatungen Vorschläge dazu gemacht.

Ich komme zum zweiten Punkt, dem LEP. Sie wollen jetzt partout mit Verfahrenstricks und anderen Schlichen versuchen, das unangenehme Thema abzuräumen. Auch da muss ich an den Kollegen Eiskirch erinnern, der sich am Anfang der Wahlperiode hingestellt und gesagt hat: Leute, ihr habt es doch in fünf Jahren nicht hingekriegt. – Mit Verlaub, Sie sind jetzt sechs Jahre dran, und Sie wollen nicht ins siebte Jahr kommen. Daher müssen Sie sich jetzt Verfahrenstricks und Sondersitzungen am Plenartag heute Abend bemühen, um die Kuh vom Eis zu kriegen. Ein Erfolgsmodell ist das schon lange nicht mehr!

(Beifall von der CDU und der FDP)