Protocol of the Session on October 5, 2016

Heute steht bereits für viele Experten fest, dass das neue Erbschaftsteuerrecht erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird. Es ist alles nur eine Frage der Zeit, und zwar mit zweifelhaften Chancen, den Anforderungen diesmal auch gerecht zu werden.

Statt die Erbschaftsteuer, so wie wir das seit Monaten fordern, endlich auf eine saubere und transparente Grundlage zu stellen, fabrizieren Bund und Länder Gesetzentwürfe, die absehbar erneut vor dem Verfassungsgericht scheitern dürften. Das Pingpongspiel zwischen Bundesregierung und Verfassungsgericht verunsichert aber nicht nur die Familienunternehmen, sondern auch die Verwaltung. Es stellt eine immense administrative Mehrbelastung ausdrücklich auch für die Finanzverwaltung dar. Das wissen Sie, Herr Finanzminister, auch von den Einschätzungen aus Ihrer eigenen Einnahmeverwaltung.

Verfassungswidrige Erbschaftsteuergesetze schaffen keinerlei Planungssicherheit für Unternehmen. Wenn Unternehmen sich auf ein Gesetz einstellen sollen, dessen Anwendbarkeit in den nächsten Jahren erst noch durch das Verfassungsgericht geklärt werden muss, schadet das auch unserem Wirtschaftsstandort.

Das einzig Richtige wäre deshalb, so wie es die FDPLandtagsfraktion seit Langem vorschlägt, einen Einstieg in eine aufkommensneutrale Flat-Tax von 10 % aufzunehmen, die oberhalb von Freibeträgen von jedermann identisch zu entrichten ist und deren Entrichtung zinsfrei über zehn Jahre gestreckt werden kann. Eine solche Regelung überfordert keinen Erben und gefährdet auch nicht die unternehmerische Substanz der Betriebe und ihre Arbeitsplätze.

Aufkommensneutralität ist uns dabei wichtig. Genau das ließe sich in diesem Modell so weit realisieren. Ausdrücklich darf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht die Einladung zu Steuererhöhungen sein.

Prof. Rainer Kirchdörfer vom Vorstand der Stiftung der Familienunternehmen warnt vor den aktuellen Beschlüssen:

„Die Steuererlast kann für viele der großen Familienunternehmen deutlich steigen, und das neue Recht ist insgesamt sehr viel planungs- und beratungsintensiver.“

DIHK-Präsident Eric Schweitzer bilanziert:

„Allerdings wird die Übergabe auf die nächste Generation für viele Unternehmen teurer.“

Die Stundungsregelung, die Sie eingeführt und verabredet haben, läuft aller Voraussicht nach ins Leere, denn eine Stundung ab dem zweiten Jahr mit einem Strafzins von 6 % wird wohl kein vernünftiger Kaufmann entsprechend wahrnehmen.

Angesichts der großen Bedeutung, die die Erbschaftsteuer für den Erhalt unternehmerischer Substanz hat, gerade bei vielen Mittelstandsbetrieben, bei vielen Familienbetrieben, die auch die nordrheinwestfälische Wirtschaftsstruktur prägen, kann man die aktuelle Vereinbarung, der auch der Finanzminister dieser Landesregierung zugestimmt hat, nicht positiv heißen. Im Gegenteil: Es fehlt die Zukunftsfähigkeit dieses Modells, voraussichtlich auch die Verfassungsmäßigkeit der verabredeten Regelungen.

Deshalb sagen wir – und das sollte der Landtag heute beschließen –: Die Neuerung zur Erbschaftsteuer beinhaltet unverändert viel zu viel Bürokratie, ist ungerecht. Sie gefährdet Arbeitsplätze. Das Land Nordrhein-Westfalen sollte sie im Bundesrat deshalb ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Zimkeit das Wort.

Es ist richtig – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! –, dass sich auch der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen in die Debatte um die Erbschaftsteuer und die weiteren Verhandlungen eingebracht hat. Und das ist auch gut so gewesen. Auch wenn das, was jetzt auf dem Tisch liegt, aus unserer Sicht alles andere als eine ideale Lösung ist

(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)

und wir uns vollkommen andere Lösungen vorstellen können, wenn es dafür die richtigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag geben würde, war es richtig, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ich komme noch dazu.

Das größte Problem für eine wirklich vernünftige Lösung der Erbschaftsteuer war aus unserer Sicht die

CSU, der es in den Debatten nicht mehr darum ging, Familienunternehmen zu schützen, sondern vielmehr darum, die Erbschaftsteuer immer weiter auszuhöhlen, um große Erbschaften vor der Besteuerung zu schützen. Zumindest da gibt es schon Berührungspunkte zur FDP.

(Beifall von der SPD)

Es war richtig, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Aber es muss klargestellt werden, dass es im Vermittlungsausschuss nicht um ein komplett neues Gesetz geht, sondern um die Änderung des vorliegenden Vorschlags des Bundestages.

Hier sind eindeutig Verbesserungen erzielt worden. Die zinsfreie Stundung über einen Zeitraum von zehn Jahren von entsprechenden Erbschaftsteuerzahlungen ist vom Tisch. Es ist vom Tisch, dass Luxusgüter wie Jachten oder Automobilsammlungen, OldtimerSammlungen von der Erbschaftsteuer hätten verschont werden sollen. Die steuerfreie Entnahme von Vermögen ist erschwert worden, und es ist eine erheblich bessere, wenn auch noch keine perfekte Regelung für die Frage der Bewertung von Vermögen geschaffen worden. All das sind klare Verbesserungen gegenüber dem Bundestagsentwurf, die wir auch dem Finanzminister des Landes NordrheinWestfalen zu verdanken haben.

Trotzdem sind wir der Meinung, es ist alles andere als ein perfektes Gesetz. Aber angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist es nicht anders möglich gewesen. Nichtsdestotrotz hat sich gezeigt, dass es auch richtig war, den Antrag der CDU hier abzulehnen, der dem vorliegenden Gesetzentwurf ja zustimmen wollte, bevor der im Vermittlungsausschuss war.

Aus unserer Sicht sind jetzt im Vermittlungsausschuss – ich habe es gerade dargestellt – erhebliche Verbesserungen erzielt worden. Damit waren das der richtige Weg und das richtige Vorgehen.

Der FDP geht es aber aus unserer, aus meiner Sicht mit ihrem Antrag um etwas ganz anderes, und das haben die Debatten um die Erbschaftsteuer im Ausschuss auch gezeigt. Es geht der FDP um eine möglichst große Entlastung auch gerade großer Erbschaften von der Erbschaftsteuer. Das ist Kern dessen, was Sie wollen. Sie formulieren es hier in Ihrem Antrag zwar nicht so genau, aber darum geht es Ihnen im Kern.

Sie beziehen sich da auf den Artikel 1: „Alle Menschen sind gleich“ – ein hervorragender Artikel. Aber Sie interpretieren das dann so, dass Sie allen Menschen das gleiche Recht geben, dem Millionär und dem Obdachlosen, unter Brücken zu schlafen. Das kann nicht die richtige Regelung sein.

Wenn man Ihre Vorträge zu Ende denkt, dann werden Sie ja bald wahrscheinlich auch beim Modell der Kopfsteuer landen, wie es in Großbritannien diskutiert wird. Also, jeder Mensch – der Hilfsarbeiter, der

Landtagsabgeordnete, der Millionär – zahlt die gleiche Summe Steuern, unabhängig von seinem Einkommen. Das ist der konsequente Weg der Gleichbehandlung, den Sie gehen wollen. Das ist Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit.

Unsere Vorstellung von Gerechtigkeit ist das nicht. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass gerade finanziell starke Schultern mehr leisten müssen als schwache Schultern. Das muss auch bei der Erbschaftsteuer gelten. Wir haben eben andere Vorstellungen von Gerechtigkeit.

Warum steht die FDP eigentlich so kritisch zur Erbschaftsteuer und auch gegenüber hohen Erbschaftsteuersätzen? Wenn sie sich noch an dem Leistungsprinzip „Leistung muss sich wieder lohnen“ orientieren wollte, was sie politisch sonst immer vor sich her schiebt, muss ja gerade die Erbschaftsteuer ein Punkt sein, bei dem stark zugegriffen werden muss, weil Erben nun wirklich keine Leistung ist, die jemand erzielt hat. Insofern können wir diese Positionierung der FDP nicht nachvollziehen.

Ihr Antrag spricht sich für ein im Kern ungerechtes Modell aus. Deswegen werden wir ihn ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Optendrenk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 20. Juni 2016 haben Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, und Ministerpräsident Horst Seehofer, CSU, eine Einigung zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer erzielt. Der Bundestag hat daraufhin die Reform mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD am 24. Juni beschlossen.

Nach monatelangem Schweigen, möglicherweise mit ein wenig Grummeln, ist dann die Landesregierung aus ihrem Schlaf erwacht und hat dann in Form des Finanzministers erklärt: Na ja, so geht es nicht! – Im Ergebnis ist dann eine rot-grüne Mehrheit mit ein paar zusätzlichen Farbklecksen im Bundesrat konstruiert worden. Eine Mehrheit hat dann im Bundesrat am 8. Juli diese Verabschiedung eines Gesetzes blockiert.

Die CDU-Landtagsfraktion hat die rot-grüne Landesregierung damals aufgefordert, ihre Blockade gegen die Reform der Erbschaftsteuer einzustellen. Denn wer Familienbetriebe im Erbschaftsfall übermäßig belastet, der gefährdet nicht die Familienunternehmer, der hat auch nicht im Sinne, dass er irgendjemanden besonders belastet, der besonders viel ver

dient oder es nicht mehr verdient hat, sondern er gefährdet massiv Arbeitsplätze im Mittelstand in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Quatsch!)

Deshalb war das, was da an Blockade gemacht worden ist, ein deutliches Signal an den Mittelstand in Nordrhein-Westfalen, dass er entgegen allen Sonntagsreden von dieser Landesregierung nicht gefördert, sondern weiter eingeschränkt wird.

(Beifall von der CDU – Lachen von Stefan Zimkeit [SPD])

Und was hat dazu der Finanzminister, der oberste deutsche Steuerpopulist, alles so aufgefahren? Was waren das alles für Behauptungen, die Sie da aufgestellt haben? Diese sollten eigentlich denen, die diesen Kompromiss vorher in Berlin verhandelt haben, zum Beispiel der SPD-Finanzexperte Carsten Schneider, und schon im Februar akzeptiert hatten, die Projektionsfläche bieten, um zu erklären, dass das ja alles die Geschichten von dem Herrn Seehofer und der bösen CDU und den bösen Familienunternehmern seien, die da – ach so ganz schrecklich – auf Kosten des Staates das Geld verstecken.

Die Rede des Kollegen Zimkeit, die ich mir gerade angehört habe, hat genau den gleichen Duktus. Das hat aber mit der Wirklichkeit in den allermeisten Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen gar nichts zu tun.

(Beifall von der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Genau deswegen konnte man es ja ändern!)

Genau deshalb, weil das nichts damit zu tun hatte, haben auch nur zwei von 193 SPD-Bundestagsabgeordneten seinerzeit am 24. Juni im Bundestag gegen den Reformentwurf von Herrn Seehofer, Herrn Gabriel und Herrn Schäuble gestimmt. Das waren offensichtlich im Sinne des Herrn Finanzministers von Nordrhein-Westfalen ganz fürchterliche Steuer- und Mittelstandslobbyisten, diese SPDAbgeordneten aus Nordrhein-Westfalen.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage vom Herrn Kollegen Zimkeit zulassen?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sicher doch! Macht er!)

Wagen Sie eine Prognose, wie viele Abgeordnete der CDU denn jetzt im Bundestag gegen den ausgehandelten Kompromiss stimmen werden?

Das war zwar keine Frage, aber fassen wir sie mal so auf.

(Stefan Zimkeit [SPD]: „Wagen Sie eine Prog- nose?“ ist eine Frage, Herr Präsident!)

Wenn der Präsident der Meinung ist, dass man das als eine Frage beantworten kann, dann will ich sie gerne beantworten.